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Alt 07.02.2006, 03:05   #1
Ra-Jah
gesperrt
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 481


Standard Würfel, Gefallene und Flurschaden.

Es war ein Abend im Juli. (Oder war es schon August?!) Es hatte geregnet und der pralle Strom des Gartens erfloss sich in den Teich, in dem die Frösche laichen.
Er hatte angerufen. Mein Mitbewohner. Er erzählte mir, seine Cousine sei zu Besuch gekommen, wie es mir denn so gehe.
Ich hatte sie schon einmal gesehen, im Juni, auf einem Festival. Wir waren einfach nur Freunde, er und ich, damals.
Sie wohnte im Harz und war für ein Wochenende hier. Ein Wochenende. Ich stocke. Jetzt.

Ich sagte ihm, ich weile ja nun für einige Wochen allein in einem schönen großen Haus, kommt vorbei und lasst uns leben.
Die Tage zuvor hatte ich ein Mädchen umworben, meine erste Freundin, hatte sie wiedergetroffen und eingeladen; Erinnerung an den ersten Kuss und so...im Gedanken an sie voll aufs Vortragen englischer Barockgedichte über Kartenspiele abgefahren, geübt, Compilations ausgearbeitet und mich so fit, so sommerlich stark gefühlt. Wie ein Löwe. Aber sie hatte nur ihre Bluse aufgemacht, auf meiner Geburtstagsfeier. Eine schwarze Bluse und ein rotrotrotes Unterteil, das ihre Brüste so wunderbar zur Geltung brachte... ja und dabei hatte sie mich angeschaut und gelächelt und dann gesagt, dass sie einen neuen Freund habe. Miststück, ich muss lachen...Jetzt.

Es klingelte.

Wir saßen in der Küche und aßen, rauchten, tranken.
Ich spielte ihre Musik und trug ihre Gedichte vor. Und ich glaub ich war gut.
Keine Frage: ich war verdammt gut. Eine Bühne, zwei Zuhörer. Ausdruck, Kraft, Stärke, Freude,
keine Hintergedanken; Unschuld. Wirklich?! Wirklich.

Wir saßen gegenüber am Küchentisch.
Plötzlich blickte sie so komisch und fragte, was denn so schlimm daran sei.
Nichts, sagte ich und peilte auch garnichts. Und sie nahm auf einmal meine Hand und ich suchte automatisch ihren Fuß und sie streichelte meinen Fuß und ich drückte ihre Hand ganz fest;
und ich schaute ihr lang in die Augen wir lächelten so schiefrund und mir wurde ganz warm;
der Mitbewohner war grad auf Klo.
Und wir lächelten suchend aneinander vorbei und füßelten weiter.
Denn der Mitbewohner war wieder da; und ich war plötzlich schüchtern und bin es noch in Sachen Liebe.

Wir spielten ein paar Spiele mit Würfeln, erst in der Küche, dann oben auf dem Riesenkuschelsofa, da war sie näher und wir machten rum beim Spielen; ich warf fast immer Sechsen. Zumindest fast immer besser als mein Mitbewohner.
Und ganz am Schluß ließ ich sie, wenn es ging - und es fügte sich - gewinnen. Das gefiel mir. Ich wollte ihr alles geben.
Irgendwann hatte mein Mitbewohner auch verstanden, dass es für sie und ihn zu spät war, in unsere Wohnung zurückzufahren, wie er am Nachmittag immer wieder vorgeschlagen hatte; sie wollte bei mir übernachten.
Und wir haben die Nacht vertrieben.
Sie wurde abgegangen - ich liebe orgiastische Frauen -
doch leider auch am nächsten Morgen; Arzt mit rosa Hemd. Geschmacklos.
So ein Bullshit, echt. Kondome sind scheisse, nicht, dass wirs nicht zuerst versucht hätten mit.
Aber die normalen Dinger sind einfach zu klein und was wär das erste Mal, wenn man sich nicht auch zur Gänze spürt?

Nur der Arzt hätte nicht sein müssen. Aber sie war noch jung und wollte noch die Schule machen und ich war ein Arschloch
und wusste es nicht besser als ein wenig.
Und war der moralische Zeigefinger des glatzköpfigen Arztes für das Rezept für die Pille danach ne Lehre? Nein. Bin ich immer noch ein Arschloch? Muss ja so sein...

Und er war aussen vor, schlief unten.

Und ich hab ihn dann aus der WG auch noch rausgeschmissen, nach ein paar Wochen, im Herbst, weil es unerträglich wurde.
Das eingerahmte Plakat mit dem ertrinkenden Mann und der Rose auf dem Flur unserer! WG. Es musste ab. Es war mein! Flur.
Sowas mach ich nicht.
Und ich werde ihn immer wieder rausschmeissen.
Immer wieder.
Immer wieder.
Weil es falsch ist, aber sein muss. Ja, wirklich.
Man bin ich ein Feigling.
Und es tut mir so verdammt leid für ihn.

Und ich, ich kann manchmal nicht vergessen, wenn sie nicht bei mir ist.
Und er, er kann mir nicht vergeben, wenn sie nicht bei mir geht.
Ra-Jah ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.02.2006, 08:20   #2
Silent Winter
 
Dabei seit: 04/2005
Beiträge: 224


Woho! Lässt sich sehr toll lesen. Ohne Mühe und zwingenmüssen und Anstrengung. Und toll ists.

Was mir (!) besser gefallen würde, wäre ja, wenn du die Zeitangabe weglassen würdest und dafür irgendeine einfallsreiche umschreibung fändest. Dass man trotzdem eine Idee hat, welche Jahreszeit oder welcher Lebensabschnitt des Ichs, aber nicht verraten wird, wann genau. Wenn du verstehst.
Silent Winter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.02.2006, 14:56   #3
Ra-Jah
gesperrt
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 481


Die Angaben der Monate (ein Jahr ist ja bewußt nicht genannt) sind schon wichtig, finde ich. Auch die darin implizierte Unklarheit (Juli/August-z.B. beide 31 Tage, und nicht zu vergessen das Detail des Frühsommermonats Juni).
Was den "Lebensabschnitt" betrifft, nun, so versuche ich lediglich auszusagen, dass es ein bedeutsamer Auftakt war, der mich stark prägte, für mein ganzes Leben weiter prägen wird, soll, mir immer neue Perspektiven und Geheimnisse offenbart; die mir unter anderem helfen, sie, ihn und mich besser kennenzulernen.
Aber linear verläuft diese Prägung keineswegs (oder wenn schon auf einer für mich zu abstrakten, [noch?] unverständlichen Ebene), also im Bewußtsein eher punktuell...
oder anders: mit Höhepunkten versehen
Ra-Jah ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.02.2006, 16:06   #4
Silent Winter
 
Dabei seit: 04/2005
Beiträge: 224


Höhepunkte sind immer gut. Und Geraden und Kurven und alles kann man vergessen. Nee, war ja auch nur ne Idee.
Silent Winter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.02.2006, 16:11   #5
Ra-Jah
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Beiträge: 481


Das war doch ne gute Idee, nur überlege ich noch, wie ich sie umsetzen könnte ohne Plan
Ra-Jah ist offline   Mit Zitat antworten
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