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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

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Alt 27.06.2016, 07:06   #1
männlich urluberlu
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Standard vom wörterschaum

das füllwort, das aus mangel an geäst
am baum als virtuelles blattwerk gaukelt
besteht als puffer seinen praxistest
wenn sich der leser selbst darin verschaukelt

der leser liest die früchte von dem baum
der niemals samen, niemals frucht getragen
schleckt sich die finger, schlürft den wörterschaum
als wär da wein und ei hinein geschlagen

ein solcher zabaglione hält nicht an
die füllwortblase fällt im wind zusammen
dem strunk jedoch, der einmal solches sann
wird schönes trugbild noch und noch entstammen

doch wer bin ich, mich drob zu enervieren?
der mensch ist schwach und will betrogen sein
dem künstler ziemt das künstlich generieren
das darf nie echt, muss stets gelogen sein
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Alt 27.06.2016, 13:19   #2
weiblich Ex-Letreo71
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Hi Url,

also manchmal haust du Dinger raus, so wie dieses, wo ich nur staunen kann.
Großartig! Mehr davon und weniger, du weißt schon.

Sehr gern gelesen.

LG Letreo

PS: obwohl ich die kleinschreibung nicht mag
Ex-Letreo71 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.06.2016, 14:19   #3
männlich urluberlu
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Allerherzlichsten Dank! Gerne lese ich aus deiner Feder Aufmunterndes, nachdem ich so oft nicht nach deinem Gusto geschrieben habe.

Ich will deine Anerkennung und mein Geschreibsel jetzt nicht klein machen, aber doch gerne wieder mal meine Meinung äussern: Auf einen fünfhebigen Iambus kann jeder Hinz und Kunz ein Gedicht schreiben.

Erfreut wünsche ich einen schönen Tag noch
Url
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Alt 27.06.2016, 15:03   #4
Stachel
 
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Zitat:
Zitat von urluberlu Beitrag anzeigen
Auf einen fünfhebigen Iambus kann jeder Hinz und Kunz ein Gedicht schreiben.
Ich könnte jetzt ketzerisch sein und sagen: Nö, den gibt es nämlich gar nicht. Ein Jambus hat immer genau eine Hebung. Was du meinst ist ein jambischer Fünfheber. Ein bisschen Bildungsauftrag und Qualitätsanspruch muss schon sein.

Aber mir geht es vernehmlich um die Frage: Falls das wirklich so einfach ist, warum sehen wir das so selten? Warum holpern so viele Gedichte? Ist das von den Dichtern so gewollt? Fehlt es ihnen vielleicht an Können? Oder wird der Rhythmus einfach stiefmütterlich behandelt, so wie streckenweise auch Interpunktion und Orthographie? Wird er gar als unwichtig angesehen, weil es um "Melodie" (o.ä.) geht?

Aber selbst wenn man die technische Umsetzung eines durchlaufenden Versfußes für nicht erwähnenswerte Handwerksgrundlage erachtet, so wird alleine daraus noch kein ansprechendes Gedicht. Offenbar steckt also mehr in deinen Texten und es ist interessant zu sehen, wie du dich immer wieder genau darüber zu wundern scheinst.

Freundliche Grüße vom
Stachel
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Alt 27.06.2016, 19:06   #5
männlich urluberlu
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vernehmlich vornehmlich - ich hab's gehört.

Die Frage, die du dir stellst, in Bezug auf diesen Text beantwortet:

Es ist ähnlich wie ein Ausmalbuch mit Konturen. Nimm ein Erich-Kykal-Sonett, lösche die Farben, die dir zu pastellig sind und fülle den frei werdenden Platz mit deinen eigenen Ideen. So einfach. Ob's dann überhaupt als meines gelten kann, ist die Frage.

Schönen Abend
Url
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Alt 27.06.2016, 19:56   #6
Stachel
 
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Ich verstehe, was du meinst, und danke dir für die erklärende Antwort.
Es scheint ein wenig wie Malen nach Zahlen. Das ist relativ einfach. Die schwierige Vorarbeit hast du aber selbst geleistet: Du hast ein Bild gefunden, dass du malen möchtest, hast es in sinnvolle Abschnitte gegliedert und die Konturen vorbereitet.

Um beim Eky-Gedicht zu bleiben: Das schwierige ist vielleicht nicht, es zu leeren und das Grundgerüst neu zu befüllen. Die Herausforderung besteht in der Erkenntnis des Gerüsts, des inneren Wesens und des technischen Zusammenhalts. Es erfordert viel Erfahrung oder Talent oder beides.

Ich erinnere mich daran, dass mal ein Bildhauer gesagt haben soll, seine Profession sei gar nicht schwer. Man müsse einfach nur alles, was nicht zur Skulptur gehört, wegmeißeln.

Freundliche Grüße vom
Stachel
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Alt 30.06.2016, 16:51   #7
männlich urluberlu
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Das ist in diesem Zusammenhang und für alle, welche die betreffenden Werke kennen, ein durchaus witziges Zitat.
url
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Alt 30.06.2016, 17:46   #8
männlich Gylon
 
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Lieber urlubelu,
klasse!
Als bekennender temporärer Verschwender von Füllwörtern fühle ich mich irgendwie angesprochen

Liebe Grüße Gylon
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Alt 05.07.2016, 13:14   #9
männlich urluberlu
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wir hobbydichter sind doch alle lebende füllwörter. immer wieder schwierig zu verstehen, warum man uns nicht löscht.
solidarisch grüsst
url
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Alt 05.07.2016, 15:35   #10
gummibaum
 
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Das ist sehr gut, urluberlu.

Mit Freude gelesen.

LG gummibaum
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Alt 05.07.2016, 21:26   #11
männlich urluberlu
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da bleibt nur ein einfaches
dankeschön!
url
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Alt 10.07.2016, 11:06   #12
wortscharmützel
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Wörtersaum

ein Fühlwort das aus Mangel an Gefühl
im Satz sich Wort für Wort nur reiht
verschwendet stotternd raspeln kühl
des Lesers kostbar Schwelgezeit.

aus, zieht sie das öde Kleid
das niemands blicke kann ertragen
den Saum zu trennen vor der Zeit
will sie im Schlüpfer nun keck wagen.

die Schere schnippelt zappsarapp
den Wörtersaum in tausend Stücke
wo einst das fade Wort noch stand
ziert spannungsvoll ne große Lücke

gibt preis mit roten Wangen
und weiblich feingefühl behangen
die blasse Haut ganz unzensiert
im Hauptsatz künstlich generiert.

wortscharmützel

;-) schön`Sonntag
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Alt 13.07.2016, 08:09   #13
männlich urluberlu
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Hallo Wortscharmützel

Schönen Dank für die Mühe.
Ja, so mag das sein.
Und auf einmal fühlt man sich als Fülldichter doch gelöscht (s.o.).

Blupp!
Url
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Alt 13.07.2016, 09:20   #14
männlich Sonnenwind
 
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hey url,

meine meinung, auch wenn sie banal klingt:

lyrik an sich ist, pessimistisch betrachtet, immer suggestiv
und stets das handwerkszeug von blendern gewesen.

auch und gerade dann, wenn sie gut ist
und füllwortfrei.

auch perfekte reime und eine saubere metrik...
machen einen transportierten inhalt nur scheinbar wahr(er)
oder bedenkenswert(er).

deswegen betrachte ich insbesondere lyrisch verpackte
belehrungen mit grosser skepsis.

mit oder ohne wortschaum!

dein text ist wortschaumfrei, extrem gut,
aber erschreckend polarisierend und säubernd.

wenn man ihn ganz ernst nimmt.



lg
Sonnenwind
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Alt 13.07.2016, 10:04   #15
männlich urluberlu
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Hallo Sonnenwind
ich hoffe, wir begegnen uns noch eine Weile weiter.

Denn wenn du Url aka wilma27 näher kennst, wirst du bald erkennen, dass dieser Text hier eine Parodie darstellt auf den text oder die Texte eines meiner "Lieblingsforenfeinde", eines großen Dichters und Lehrers, der zu Hause eine Sonettmaschine besitzt, die wahrscheinlich von aussen aussieht wie eine Wurstmaschine, die aber vom Band die schönsten, reichlichst gewürzten, von den Lesern mit Ahs und Ohs bedachten Gedichte produziert.
Ja, was wäre eine gute Wurst ohne Fett? Was wäre ein schönes Sonett ohne Füllwörter?
Keine Angst, meinen eigenen Weltbeglückungsdrang investiere ich eher in böse Kommentare als in lehrreiche Gedichte.
Aber wer bin ich denn, um als Fülldichter anderen Fülldichtern ihre Füllwörter vorzuhalten? Naja, virtuell bin ich eben doch ein Dichter.
Danke für dein feedback und
Schönen Tag
Url
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Alt 13.07.2016, 10:44   #16
männlich Sonnenwind
 
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na, wenn das keine liebeserklärung ist.
Sonnenwind ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.07.2016, 10:49   #17
männlich Nöck
 
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Fein verdichtet mit (verstecktem) erhobenen Zeigefinger. Füllwörter finden sich um so mehr im Text, je weniger Zeit sich der Dichter mit seinem Werk gelassen hat.

LG
Nöck
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Alt 13.07.2016, 13:40   #18
männlich urluberlu
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Hallo Nöck
Danke für deinen Kommentar.
Es ist möglich, dass du das zutreffend formulierst. Aber wenn ich ehrlich bin: Eine Konditorei hat auch ihren Reiz, obwohl ich Brot besser finde.
LG Url
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