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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 22.05.2019, 11:33   #1
männlich Pacaveli
 
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Standard Scheiße reine Vernunft

Mit Mut und Willen, scharfen Waffen,
mit deutsch geschwellter Brus,
so beschloss einst für die Halbaffen
Immanuel: "nun ja! du musst!

Sie saufklär'n! Lauscht! Ein Philosophe
erklärt nun, was ihr wissen müsst!“
Der Typ als Mensch? Ne Katastrophe.
Hat dich durch sein Werk geküsst

und du so: „Boah! Der Hammer“,
schmecktest leicht Faschist,
vergaßt was und ein Jammer
warst fortan Narzisst.

Bald rauchte Tod aus Schloten.
Der Hass wurde gebannt.
Zu hitlern wurde gar verboten.
Es blieb die Brise Kant.

Plötzlich wusstest du von Würde.
Mensch, das ging ja fix!
Nahmst wieder auf die Bürde.
Merktest wieder nix.

So sabber nochmal auf die Worte!
Gib's dir nochmal richtig,
mach nochmal, zur Zeit, am Orte,
süchtig dich und wichtig!

Pfeiff sie rein die geile Zeile!
Eile! Spute! Tüchtig!
Deine Herrenmenschenweile
endlöst sich bald richtig.
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Alt 22.05.2019, 12:02   #2
weiblich AlteLyrikerin
 
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Für meinen Geschmack wird der Sprachduktus der Problematik nicht gerecht. Aber das mag an meinem Alter und meinen Vorlieben für eine schöne, treffgenaue Sprache liegen. Außerdem wird - jedenfalls für mich - nicht deutlich, gegen welche aktuellen Erscheinungen genau sich das Gedicht richtet, vor allem mit dem Bezug auf Kant
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.
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Alt 22.05.2019, 14:31   #3
männlich Pacaveli
 
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Ja, damit habe ich gerechnet, und das ist auch absolut okay. Aber: müsstest du nicht beurteilen können, um welche Sache es mir geht und von welcher Seite aus ich sie betrachte, um die Angemessenheit der Sprachcharakteristik zu beurteilen? Tatsächlich halte ich die Direktheit hier absolut für angebracht, kann vielleicht für manchen frech wirken. Ist es aber eigentlich nicht.
Und, naja: Von welcher Sache glaubst du, dass ich auf sie aus bin? Tatsache ist mal, dass streitet ja auch das deutsche Bildungs- bzw. Erziehungssystem gar nicht ab, nein, es weist sogar ausdrücklich darauf hin, dass die Hitler-Zeit durchaus auch auf ihre Verantwortung geht. Was mir dabei allerdings fehlt? Wie man darauf reagiert. Nicht. Man macht genauso weiter, wie man vorher aufgehört hat.
Ich bin einfach der Überzeugung, dass man, wenn man sich die relevanten Teile die Kant zur Erziehung und Bildung anschaut, dass man da durchaus Ansatzpunkte für möglichen Missbrauch durch ein eventuell interessiertes System finden lassen. Die vielleicht sogar Missbrauch durch jedes herrschende System hervorrufen. Hervorrufen müssen.
Weil man eigentlich viel eher auf eine Geisteshaltung rekuriert, die einem da zu Pass kommt. Und das scheint mir unangemessen, gemessen an dem, was passierte.
Ich bin der festen Überezugung, dass sich in unserem Erziehungs- und Bildungssystem Dinge transportieren, die ihren entscheidenden Anteil hatten an der Pervertierung desselben. Und das sind eben Dinge, die bis heute andauern. Das Kant durchaus bei einigen Nazis auch Argumentationsgrundlage war bei der Frage nach dem "warum?". Der durchaus neben noch tüchtiger Antisemit war und in der Überschätzung seiner selbst teilweise recht einfache Überlegungen postulierte, die man unhinterfragt übernahm. Nicht nur die Dinge. Auch die Selbstüberschätzung. Und diesen unaustehlichen Duktus, einer Sprache, die derart pathetisch daher kommt, dass man wirkliche Zweifel bekommen kann, ob sie überhaupt auf ein Verständnis hin ausgelegt wurde. Über Humboldt. Bis heute. Das sollte man hinterfragen, müsste man hinterfragen, weil es in meinen Augen eine Frechheit ist, es nicht zu tun. Tut es aber nicht. Bis heute verzweifelt man an der Frage: Wie kultiviere ICH die Freiheit bei dem Zwange? Normalerweise sollte diese Frage beim Lesen schon durch sein. Nicht. Dass man es trotzdem versucht, obwohl spätestens die Nazis BEWIESEN, dass man es besser lassen sollte. Finde ich, gelinde gesagt. Übel.
Das Kant in seiner sich selbst überschätzenden Art Annahmen über das Wesen des Menschen (in "über Pädagogik) postulierte, die eigentlich mindestns fraglich sind, finde ich, gelinde gesagt. Übel.
Dass es das Bildungssystem tatsächlich wagt, seinen Stiefel auf Basis dieser Annahmen weiter durchzuziehen, ohne Beobachtungen von Menschen mit einzubeziehen, die nicht nur Zeitzugen, Betroffene, sondern zudem noch welche waren, die das Ganze kommen sahen. Lange, bevor der Ernstfall eintrat. Finde ich bezeichnend. Deutsch. Unverschämt. Und Selbstgerecht.

https://www.youtube.com/watch?v=rRhO...&start_radio=1

Um nur einen zu nennen. Der sicherlich auch seine Meinung hätte zu Kant. Und wenn du mal den Link im unteren Kommentar klickst. Dann ist das einfach nur noch zum Kotzen. Und das war auch der Grund für meinen Duktus. Weil's reicht.

Peace

Basti
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Alt 22.05.2019, 14:59   #4
weiblich AlteLyrikerin
 
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Für jetzt nur eine Kurzantwort, da ich heute noch andere Vorhaben umsetzen muss.
Gerne treffe ich mich mit Dir in der Ablehnung jeglichen faschistischen Gedankenguts und in der Notwendigkeit zu untersuchen, wodurch das in unserer Vergangenheit, wie auch aktuell, gefördert worden ist. Das Weimarer Bildungssystem mag dazu beigetragen haben, wie auch unser Bildungssystem sich noch lange nach dem Ende des 2. Weltkrieges geweigert hatte, die Nazizeit kritisch aufzuarbeiten.
Nun Kant in "Haft" zu nehmen für eine Denkweise, die den Faschismus scheinbar fördert bzw. gedanklich stützt, das erscheint mir doch zu gewagt. Wie willst Du faschistische Werte mit Kants kategorischem Imperativ in Einklang bringen? Meiner Meinung nach geht das einfach nicht. Kant selbst kann sich kaum dagegen wehren, wenn mehr als zweihundert Jahre nach ihm sein Gedankengut von nationalsozialistischen Lehrern missbraucht worden sein sollte.
Nietzsche ist ja auch von den Nationalsozialisten benutzt worden, obwohl ich persönlich ihn ganz anders lese und verstehe. Ich werde den Kant nochmals lesen und zu verstehen versuchen, warum Du auf Deine These gekommen bist.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.
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Alt 22.05.2019, 15:44   #5
männlich Pacaveli
 
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Um's nochmal auf den Punkt zu bringen: Ganz offensichtlich transportiert das deutsche Bildungs- und Erziehungssystem einen Narzissmus, der sowohl das System selbst, also auch die Ausübenden, als auch die Adressaten immer weiter überlebt. Und von dem man irgendwie sogar annehmen darf, dass er sich entwickelt.
Dass das dazu führt, dass man sich in Gleichnissen und Argumentationen begründet, die, so lange man drüber nachdenkt, keinen Sinn geben. Platons Höhlengleichnis? Weiß nicht, wie Platons Ansichten Bildung betreffend so ausgesehen haben. Aber das Bildungssystem, dass wir exerzieren. Lässt sich in diese Gesichte nicht reininterpretieren. Wird aber trotzdem getan. Ohne wenn und aber.
Ein Professor der Uni Tübingen hat kürzlich ein Buch heraus gegeben, über die Geschichte der Bildungstheorien und Bildung selbst. Eine einzige Feier. Dass es unwiderlegbare Tatsache ist, dass seit der "Aufklärung" die Bildung immer ausgefeilter, umfangreicher wird. Genauso wie die Katastrophen, die sie im gleichen Zeitfenster begleiteten. Die Zeit zwischen 33 und 45 wird dann im Bezug auf das Bildungssystem in etwas mit "Hoppla" beschrieben. Dass diese TATSACHE keinen Gedanken wert ist bei der Überlegung über die Richtigkeit des entworfenen Systems. Dann ist das nicht nur nicht wissenschaftlich. Sondern offenbart genau die Art von Arroganz, die aus der Katastrophe in die Katastrophe führte. Und das kann einfach nicht sein.
Wenn es heute noch Menschen gibt, die sich erfolgreich einreden, dass es den Holocaust nie gegeben habe. Dann sollte sich das Bildungssystem auch an dieser Stelle ernsthaft hinterfragen, ob da nicht was Grundlegendes verkehrt läuft. Ob es nicht vielleicht genau die Annahme ist, die Kant über das Wesen des Menschen traf, auf der sich sowas fußt. Wird nicht hinterfragt. Vielleicht ist es eben nicht gut, den Mensch als halbwilden zu betrachten, dem ein Teil seines Wesens erst ausgetrieben werden muss, dass wird gar nicht überlegt. Vielleicht treiben wir den Kindern ja genau das aus, was es bräuchte, um dies zu verhindern. Eine Emotionalität, die es gar nicht erlauben würde, den Holocaust abzustreiten. Weil er selbst zum Gefühl wird, angesichts des Elends, der Brutalität, der Niedertracht. Kein Gedanke in die Richtung. Im Gegenteil, aufgrund dieser Annahme wuchern Bildung und Erziehung immer mehr um unser Wesen, dass sich auf diesem Weg eher einen maschinellen Umgang mit dem Leben zueignet. Im Gegenteil. Seit sich das Bildungssystem mit Tools wie PISA benchmarkt, geht es in Riesenschritten immer noch weiter in diese Richtung.
Und dann bin ich eben dann raus. Alleine die Sprache, dieser andauernde Pathos, in jedem Satz, jedem Wort. Mit Sicherheit sogar ist sie auch ein Faktor, wenn es um die Frage geht, warum kein Blick zurück. Oder wenigstens zur Seite. Natürlich sollte in einem Hörsaal, in einem Text, anspruchsvoll formuliert werden. Aber was genau ist angemessen? Sicherlich auch Natürlichkeit. Und auf Verstandenwerdenwollen basierend. Einem Text einem pathetischen Anstrich zu geben, ist eigentlich kein großes Problem. Einem Muster folgend.

Peace

Basti
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Alt 22.05.2019, 16:20   #6
männlich Pacaveli
 
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Hehe, wo nehme ich denn Kant in Haft? Wir haben doch den umgekehrten Fall, ich kann ihn ja aufgrund mangelnder Lebendigkeit gar nicht in Haft nehmen. Dass es allerdings hier wie dort schwierig ist, 200 Jahre alte Gedanken zu kritisieren, ist schon verwunderlich Ich werfe ihm ja im Grunde genommen nicht mal was vor, eher denen, die was aus seinen Worten machten. Ich mag seine Ansichten nicht besonders, zugegeben. Aber darum geht es nicht: Wenn bekannt ist, dass er (im Gegensatz zu Nietzsche) bekennender Antisemit war, dann muss man das bedenken bei der Lektüre. Gerade wenn es beispielsweise um Aufklärung geht. Ein aufgeklärter Antisemit. Eher nicht. Und das hat dann auch gar nichts mit Abhängigkeiten die Zeit betreffend zu tun. Aufgeklärter ist aber eben nicht aufgeklärt. Dass wir allerdings gerne annehmen, dass Thema sei mit dem Moment durch, in dem er es postuliert. Beweist Mut zur Lücke. Und gebiert Folgefehler. Eigentlich sind wir es ja im Grunde genommen bis heute nicht, wofür er natürlich nichts kann. Aber das wir von uns gerne annehmen, wir wären es. Ohne zu hinterfragen, ob dem auch wirklich so sein kann. Das ist ein Problem. Weil ich mir sicher bin: Wir sind wiederum nur aufgeklärter. Vielleicht wird das auch immer so sein müssen, weil es immer darum geht, sich in Abhängigkeit von sich entwickelter Zeit. Wahrscheinlich wird es sogar so sein müssen. Das er aber genau das eben nicht bedacht hat. Und wir seitdem annehmen, wir wären es. Wiederum kein Vorwurf an ihn, er war sicherlich seiner Zeit voraus. In Dingen. Aber das kann einen eben schon an Selbstreflexion hindern. Und das er eben damals einfach annahm, er könne den Zustand ausrufen bzw. beschreiben. Lag vielleicht in einer gewissen Voreiligkeit begründet
Und im Prinzip hat er ja in seinen Texten zur Aufklärung bloß beschrieben, wie sie für andere zu bewerkstelligen sei - wie er selbst diesen Weg ging, ist nicht nachzuvollziehen. Zumindest für mich nicht. Also ist er entweder schon augeklärt geboren. Hat für sich diesen Prozess einfach als unnötig erachtet. Oder aber er hat einfach übersehen, dass gerade dies, dieser vermeintliche Ausweg im Vergleich, der eigentlich nur ein Gefühl von Überlegenheit war, hätte sein müssen. Da war vielleicht die Überheblichkeit das selbst Verschuldete. Es ging mir ja wie gesagt um die Geisteshaltung, die man ihm entnahm. Die kann sich durchaus auch aus einem unüberlegten Detail im Vorgängertext zu Folgefehlern auswachsen. Und genau diese Überheblichkeit, die vielleicht einer Kleinigkeit entsprang. Die halte ich für gefährlich, wenn sie systemische Entwicklungen begleitet. Wofür er dann aber einem gewissen Punkt halt auch nichts mehr kann.
Was allerdings diskutabel ist und bleibt: Kant war Antisemit, wenn man die Professoren fragt, sogar ein echt tüchtiger. Und dann weiterhin die Frage: warum verschweigt man dies? Wenn man ihn lehrt? Das geht gar nicht. Und vielleicht, vielleicht. Trifft dieses Verschweigen genau die Aussage, auf die ich hinaus will. Es ist eben eine Kombination aus Dingen einerseits. Und wie man mit ihnen umgeht, wenn man sie entwickelt.
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Alt 22.05.2019, 17:07   #7
männlich Ex-Ralfchen
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hallo ihr fleissigen probanden.

für mich ist der text dass was man in literanien einen sumpfigen squawcht...nennt. aber es ist gut meterlange abwasser-texte darüber zu verfassen.


vlg
r
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Alt 22.05.2019, 18:15   #8
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Wenn du es schaffst, zwei Sätze so aneinander zu reihen, die Worte darin. Dass man damit was anfangen kann, wirklich was anfangen. Weil man ihnen abnehmen kann, dass man damit was anfangen können soll. Dann komm wieder und teile das mit. Ich meine, du kannst von mir aus gerne auch weiter absondern, was du da so von dir gibst. Aber verlange bitte nicht von mir, dass ich versuche, es zu lesen. Wenn's dafür schon offensichtlich nicht angelegt ist. Sind wir hier unter kleinen Kindern? Ich war beim Schreiben des letzten Kommentars schon angenervt, dass ich gleich hierher komme und direkt weiter machen kann.
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Alt 22.05.2019, 19:27   #9
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Pacaveli Beitrag anzeigen
Ich war beim Schreiben des letzten Kommentars schon angenervt, dass ich gleich hierher komme und direkt weiter machen kann.
Hättest es auch sein lassen können, niemand zwingt dich zum Weitermachen.

Ich finde deine Beiträge auch ziemlich "litaneienhaft". Vor allem bringen sie mir keine Erkenntnisse. Kants "Kritik der reinen Vernunft" ist nichts anderes als der Versuch einer Prüfung, ob der Mensch die Welt rational (reine Vernunft) oder empirisch (Wahrnehmung) erfährt und ob sie von ihm physisch oder metaphysisch verstanden wird. Ich halte es für völlig nebensächlich, dass er ein bekennender Antisemit war, denn mit dieser Haltung hat er nichts erwirkt. Dazu war sein Bewegungskreis viel zu eng. Er war ein Kind seiner Zeit, da war Antisemitismus verbreitet, und der Schreibstil war nun mal getragener als heute, wurde allerdings von seinen Studenten begriffen. Ansonsten wären sie wohl kaum zu seinen Vorlesungen gekommen (die er, wenn ich mich richtig erinnere, bei sich zu Hause abhielt). Im übrigen muss er sowieso ein sonderbarer Kauz gewesen sein.

Spielt aber alles keine Rolle, denn wer Philosophie studiert, kommt an Kant nicht vorbei und muss sich durch den Stoff arbeiten, ob er ihm gefällt oder nicht. Natürlich ist es wesentlich unterhaltsamer, moderne Philosophen wie Russell, Popper, Hannah Arendt oder Susan Sontag zu lesen.

Was Kant mit unserem Bildungssystem der letzten dreihundert Jahre zu tun hat, ist mir ohnehin nicht klar, denn das beruht auf preußischem Gedankengut, das mit dem Ziel in die Schulbildung eingriff, staatstreue, dienende Untertanen heranzuziehen, war also mehr politisch als ideologisch geprägt. Leider ist es bis heute nicht gelungen, die immer noch vorhandenen Strukturen jener Zeit aus unserem modernen Bildungssystem herauszubekommen.
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Alt 22.05.2019, 20:21   #10
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Leider ist es bis heute nicht gelungen, die immer noch vorhandenen Strukturen jener Zeit aus unserem modernen Bildungssystem herauszubekommen.

bedauerlicher weise leider haargenau. es erinnert mich an die jahre in der lehrerbildungsanstalt. als mich der deutschprofessor mal aus dem klassenzimmer zerrte, weil ich eine diskussion entfacht hatte und mich vor dem klassenzimmer beim hals nahm und mit den worten...ralfchen du alter Jud...am kopf hoch hob und frei hin- und her schaukelte, sodass ich drei tage lang genick-schmerzen hatte. (er hatte übrigens einen grässlichen atem)
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Alt 22.05.2019, 21:13   #11
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Zitat:
Zitat von Ralfchen Beitrag anzeigen
... und mich vor dem klassenzimmer beim hals nahm und mit den worten...ralfchen du alter Jud...am kopf hoch hob und frei hin- und her schaukelte, sodass ich drei tage lang genick-schmerzen hatte.
Und deine Eltern haben diesen Lehrer nicht verdroschen?

Mein Vater hätte das getan - sofort. Schon deshalb, weil er selbst schlechte Erfahrungen gemacht hatte: Ein Lehrer hatte ihm ein Ohr kaputtgeschlagen, das nie mehr hundertprozentig ausheilte.
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Alt 22.05.2019, 21:17   #12
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Und deine Eltern haben diesen Lehrer nicht verdroschen?

Mein Vater hätte das getan - sofort. Schon deshalb, weil er selbst schlechte Erfahrungen gemacht hatte: Ein Lehrer hatte ihm ein Ohr kaputtgeschlagen, das nie mehr hundertprozentig ausheilte.
Ich habe es Oma erzählt. aber die hätten eine beschwerde damals nicht gewagt. leider hatte ich keinen vater. d.h. der war weit weg.
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Alt 22.05.2019, 21:33   #13
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Zitat:
Zitat von Ralfchen Beitrag anzeigen
Ich habe es Oma erzählt. aber die hätten eine beschwerde damals nicht gewagt. leider hatte ich keinen vater. d.h. der war weit weg.
Aber du hast eine Mutti. Frauen haben auch Kraft. Ich hätte mir den Kerl vorgeknöpft. Mit meinem Sohn hätte das ein Lehrer nur einmal gemacht.

Mein Problem war allerdings eine Klassenlehrerin, die gemeint hatte, mich mal zur Schulpsychologin bestellen zu müssen, um zu diskutieren, was mit meinem Sohn nicht stimmte. Bei dem Meeting hatte ich der Psychologin erklärt, was die Lehrerin falsch machte, und die Psychologin gab mir recht. Anders gesagt: Der Schuss ging nach hinten los. Seit diesem Tag grüßte mich die Lehrerin nicht mehr zurück, wenn ich sie zufällig beim Einkaufen traf.

Leider ist es so, dass manche Lehrer ihre Unzulänglichkeiten auf die Schüler schieben. Und meine gravierende Erfahrung: Nicht jeder gute Didakt ist ein guter Pädagoge, und nicht jeder gute Pädagoge ist ein guter Didakt. Im schlimmsten Fall ist er beides nicht. In einem seltenen und glücklichen Fall trifft man auf einen Lehrer, der mehr als beides ist: guter Pädagoge, guter Didakt und gutes Vorbild.

Und wo das nicht klappt, ist die Philosophie bestimmt nicht schuld, schon gar nicht Immanuel Kant.
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Alt 22.05.2019, 23:36   #14
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Also, letzter Akt: Sowohl die Pädagogik als auch die Bildung fußen in ihren Anfängen jeweils auf Vorlesungen eben zur Pädagogik bzw. zur Aufklärung. Diese Vorlesungen hielt er jeweils in Königsberg. Tatsächlich ist es nicht so, dass er an den Anfängen der jeweiligen Wissenschaften aktiv mitgearbeitet hätte, tatsächlich aber orientierten sich beispielsweise die ersten Bildungsentwürfe in Preußen direkt an seinen Ideen zur Aufklärung, was auch ziemlich deutlich daran wird, nach dem man beispielsweise das Idealbild eines gebildeten Menschen entwarf. Man übernahm also in beiden Disziplinen eher die Ideen und Geisteshaltungen aus beiderlei Vorlesungen und band sie in die Grundlagen von Bildungstheorien ein. Weiterhin ist es halt so, dass fast alle Professoren der beiden Disziplinen aus der Philosophie kommen, d.h. Kant fließt weiterhin auch indirekt ein.
Und, wie ich sagte: Es geht nicht darum, irgendwie das Gesamtwerk von Kant zu diskutieren. Konkretes ist da nicht viel eingegangen: In der Pädagogik UND in der Bildung vor allem die "Formel" "wie kultiviere ich die Freiheit bei dem Zwange"?
Und, wie ich eben bereits schrieb: Diese "Formel" halte ich erstens für unlösbar, weil sie einfach nicht aufgehen kann. Und zweitens hängt das Ergebnis, welches dann immer an Stelle der Freiheit stehen wird, falls du es doch tust. Doch ganz maßgeblich von den wirkenden Zwängen ab. Heißt also: Wenn sich die äußeren Umstände ändern, die Systeme, die Gesellschaft, Lehrer, Politik. Verändert sich das Ergebnis. Und im Prinzip arbeit das Ergebnis zwängsläufig immer den Systemen zu, die um sie herum gerade herrschen. Und da man bis heute versucht, diesen Kreis, der sich nicht schließen kann. Zu schließen. Kann man wohl schwer davon ausgehen, dass dieser Gedanke durchaus auch negativen Einfluss hatte, als er zur falschen Zeit am falschen Ort war. Und damit sollte man ihn, meiner Meinung nach. Überdenken. Das zum Einen.
Zum Andern wären da beispielsweise auch das Bild des Menschen nach Kant, dass sowohl in Bildungsdiskurs als auch Pädagogik einfloss, in dem er den Menschen beschreibt als einen auf die Erde kommenden (Halb)Wilden, der durch Bildung und vor allem Erziehung zu einem gesellschaftsfähigen Individuum geformt wird. Und da wird's jetzt halt kompliziert: tatsächlich begegnet einem eben dieses Bild sowohl im Diskurs der Bildung als auch in dem der Pädagogik immer wieder. Da Metaphern offensichtlich nicht die größte Stärke Kants waren, ist es leider wirklich nicht möglich, diese Ansicht durch seine eigenen Aussagen schlüssig zu belegen. Ich persönlich würde sowieso behaupten, dass diese Aussagen kompletter Unsinn ist. Leider wird sie immernoch angenommen, umgesetzt. Und da es sich dabei um Kants Bild vom Menschen handelt, also um sein Menschenbild. Was über die Zeit wieder und wieder in die Kontexte von Bildung und Erziehung einfloss, von Humboldt bis heute. Und ein Menschenbild wird entworfen von einer Persönlichkeit, durch die Art wie sie auf andere blickt. Und an der Stelle jetzt mal der Versuch zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen:

https://www.heise.de/tp/features/Der...n-3363965.html

https://www.welt.de/kultur/history/a...denhasser.html

https://www.infosperber.ch/Gesellsch...er-Philosophen

So viel zum Thema, er hätte damit nichts bewerkstelligt mit seinem Judenhass. Und nicht nur Judenhass. Alle Kulturen, die nicht eine "deutschenähnliche" war, war für ihn offensichtlich eine Kultur von Untermenschen. Und wenn man seine Gedanken zur Aufklärung liest, in "was ist Aufklärung?" Kann man auch ohne große Mühen herauslesen, dass alle Menschen um ihn herum, selbst aus seinem Kulturkreis, für ihn keine Menschen waren, wie er selbst einer war. Hausfrauen, Dummköpfe, Faule. Und so weiter. Meine Diagnose, und ich glaube das ist keine besonders gewagte: Dieser Mann ist glaskar ein Narzisst, ein Verächter. Und so fließt ein Bild des Menschen in die Bildungs- und Erziehungswissenschaften ein, immer wieder. Welches ein narzisstisches ist. Ein weiterer Hinweis darauf: er selber war wohl von sich nicht der Meinung, so geboren zu sein. Denn tatsächlich existieren nirgendwo Hinweise darauf, dass er selbst so eine Domestizierung durchlaufen hätte.
Und dann stellt sich doch zwangsläufig die Frage: wenn dieses Menschenbild eine Grundlage ist für ein Bildungs- und Erziehungssystem, welches nach diesem die Menschen gesucht zu formen. Immer wieder so angewandt wird. Kann das gut sein? Ich denke nicht, weil wir im Prinzip alle klug genug sind, um selber wohl etwas anderes zu glauben. Und kann das vor allem gut sein, wenn ganz offensichtlich noch ganz andere Dinge in dieses System mit einfließen, die in erster Linie von Menschenbildern von Philosophen bestimmt werden? Weil beinahe alle Wissenschaftler dieser Fachbereiche Philosophen sind? Mich Sicherheit, mit Sicherheit nicht.
Und dass dem so ist, da gibts im Prinzip keine zwei Meinungen. Heute noch wird dieses Menschenbild den Erstsemestern als einziges Modell vorgestellt, an dem sich die Damen und Herren orientieren, wenn sie über Bildung und Erziehung nachdenken. Weiterhin hatte Humboldt beispielsweise gar kein anderes Bild, nach dem er sich hätte richten können. Dieses Bild vom jungen Menschen hat also alternativloserweise auch in Weimar die Basis gebildet. Und dass es auch heute noch die erste Geige spiet, wird einem oft genug vor Augen geführt. Im Prinzip ist das ja durchaus auch in der Schule noch durchaus spürbar, war es für jeden von uns.
Unter'm Strich: Fast jeder Philosoph, den wir so als hot topic auf der Liste haben. War im Prinzip nicht nur ein Narzisst. Sondern bis zum Jahre 1945 sogar Faschist. Ob Kant Einfluss hatte auf die Vorkommnisse im 3. Reich hatte? Nicht nur durch das vermittelte Menschenbild in Bildung und Pädagogik. Was glaubt ihr wohl, was die Herren ihren Studenten so erzählten, bei Wein, nach der Vorlesung daheim? Es ist eigentlich so zum Heulen, sowas von zum Heulen. Und ob diese Studenten dann die diskutablen Ansatz ihres Herrn Professors, die im Falle der oben genannten ja quasi auch noch dazu eine Lichtgestalt darstellte, diese Ausfühungen dann für sich behielten? Wohl kaum.
Und das allerbeste: In einem Modul kommt irgendwann ein Herr Adorno zu Wort, in einem Satz (sinngemäß): Alle Erziehung solle dazu dienen, ein erneutes Auschwitz zu verhindern. In der gleichen Vorlesung, in der Kant inhaltlich eine Rolle spielt. Dessen Antisemitismus einfach verschwiegen wird. Und er sagt uns das so, der Professor, als sei es sein höchstes Ziel, genau das umzusetzen. Scheint ihn mächtig zu interessieren, was ein Sem dazu sagte, Nachfahre oder Opfer. Schelle ist da glaube ich alles, was noch hilft, sollte ich ihn irgendwann nochmal treffen. Dass er sich tatsächlich, jede Woche, nachdem er mindestens einmal das Thema AFD angeschnitten und uns über Rechtspopulismus belehrt hat. Auf Kant stützt. Ohne dessen offensichtlichen Rassismus ein einziges mal zu thematisieren. Wow. Herrenmensch at its best.
Er verschweigt es einfach. Warum? Narzisst? Denn wissen wird er's wohl, nehme ich an. Dass er über das Menschenbild Kants einfach einen größeren Zugriff hat, Einfluss, weil es bedeutet, dass Bildung und Erziehung einsetzen müssen ab dem Moment, wenn der Verstand anfängt zu denken. Und das ab diesem Moment Dinge auf unsern Verstand Einfluss nehmen dürfen, dadurch, dass sie uns verschwiegen werden? Scheinbar darf das reichen, uns elementares zu veschweigen.
Keine einzige Sekunde wird es mir egal sein, ob irgend einer derer, deren Bücher ich zu lesen habe Antisemit, Schwulenhasser, Lesbenhasser, Rassist oder sonst irgend eine Art von Menschenhasser war. Weil es immer Einfluss nimmt, immer. Entweder bewirken sie etwas durch es. Oder es bewirkt etwas durch sie. Oder beides. Jede einzelne Zeile der oben genannten Herren müsste man auf den Prüfstand stellen. Weil diese Geisteshaltungen Einfluss haben, haben könnten.
Wie lange geht das jetzt so? Dass Menschen gelehrt werden, die sich vis-a-vis wohl auch mal ganz gern als Faschisten präsentierten? Und deren Geisteshaltung uns, die wir uns auseinandersetzen müssen mit dem Kram, einfach verschwiegen wird? Hauptsache mit Pathos.
Es ist einfach nur der blanke Hohn, wenn man sich überlegt, dass wir in unserer aufgeklärten, pluralistischen und hoch anständigen Gesellschaft Menschen in den Hörsaal schicken und Menschen in inzwischen nicht geringer Zahl Dingen lauschen lassen. Die Menschen entstammen, die sie als Untermenschen betrachteten, würden sie vor ihnen stehen. Es wird ihnen verschwiegen.
Ich find das im Grunde tatsächlich bisschen pervers. Einfach nur, damit es einfach weiter gehen kann, wie bisher.
So, jetzt bin ich hier irgendwo angekommen. Und habe keine Ahnung, ob ich den Faden, den ich heute Mittag vergeblich suchte, irgendwo aufnehmen konnte. Ist halt schwierig, denn weiß man erst ab dem 20. Jahrhundert, in der Mitte genauer, wer da genau wie Einfluss nimmt. Vorher geht es da in vielen Fällen eher Ideale, Wunschvorstellungen, Geisteshaltungen.
Hab's halt versucht. Und bin gerade selber bisschen schockiert. Sorry, dass wieder so lang geworden ist.


https://www.youtube.com/watch?v=IWu6kWC77Iw

Gute Nacht.
Pacaveli ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.05.2019, 23:51   #15
männlich Ex-Ralfchen
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Zitat:
Zitat von Pacaveli Beitrag anzeigen
Sorry, dass wieder so lang geworden ist.

Gute Nacht.
don' be. I enjoyed this final sentence with complete relief follwoing the exuberance after I gave up after line 1, mr. Tweedy.

best
r
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.05.2019, 23:53   #16
männlich Ex-Ralfchen
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Aber du hast eine Mutti. Frauen haben auch Kraft. Ich hätte mir den Kerl vorgeknöpft. Mit meinem Sohn hätte das ein Lehrer nur einmal gemacht.
du hast recht Ilka, nur Mammi hatte ich das damals gar nicht erzählt und hatte es auch Omi gegenüber eher bagatellisiert.
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.05.2019, 04:30   #17
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Pacaveli Beitrag anzeigen
Sorry, dass wieder so lang geworden ist.
Das ist doch immerhin eine Einsicht und hoffentlich das Ende deiner ausschweifenden Beiträge, die an den Eifer eines krankhaften Missionars erinnern. Es mag ja alles richtig sein, was du schreibst, auch wenn sich die Experten darin nicht einig sind. Aber es ist nun einmal eine altbekannte Tatsache, dass der Antisemitismus in allen möglichen Ländern immer vorhanden war und periodisch grausame Blüten trieb. Jedoch können wir all die "großen" Namen, die damit in Verbindung stehen, nicht deswegen ignorieren, dass sie sich den Ideologien ihrer Zeit angeschlossen haben, weil sie nämlich auf der anderen Seite Dinge angestoßen haben - gewollt oder ungewollt -, die sich nicht nur ideologisch, sondern auch in anderer Hinsicht historisch ausgewirkt und zum Teil gewaltige Veränderungen mit sich gebracht haben. Deswegen muss man noch lange nicht diese historischen Personlichkeiten von ihren dunklen Seiten abspalten, also ihre negativen Haltungen gegen andere Rassen und Religionen verschweigen. Wer sich mit Geschichte und Philosophie befasst, kommt an ihnen nun einmal nicht vorbei.

Statt sich über die Haltungen dieser Leute, an der man nichts mehr ändern kann und deren Fortschritte nun einmal Einfluss auf den Gang der Geschichte hatten, aufzuregen, bin ich sehr viel besorgter darüber, dass trotz der sinnlosen Massentötung von vielen Millionen Juden, Sinti, Roma und verwandter Volksgruppen, Homosexueller, geistig Behinderter, politischer Gegner usw. heute wieder möglich ist, dass der Antisemitismus an allen Ecken und Enden dieser Welt erneut aufkeimt. Der Faschismus und der 2. WK mit all seinen Erscheinungen ist für mich die maßgebliche Lehre, dass es das nicht mehr geben dürfte. Wir hatten es nach 1945 in der Hand, hier die Weichen in Bildung, Erziehung und Aufklärung zu stellen, und zwar weg von jeglicher Ideologie. Die große Frage unserer Zeit müsste also lauten, wieso es wieder diesen Ruck in Richtung hirnloser, vorurteilsbesetzter Ideologien gibt, obwohl wir es doch besser wissen müssten. Und daran tragen weder Luther, Kant noch sonstige Personen aus den vergangenen Jahrhunderten die Schuld, denn nach meiner Erfahrung interessiert sich kaum ein Mensch heute noch für deren Lehren. Gerade wegen ihres Schreibstils werden sie vom modernen Menschen kaum noch gelesen. Mir ist jedenfalls während meiner Schulzeit und Ausbildung niemand mit Kant, Adorno & Co. gekommen, und ich kenne kaum einen Menschen, der über ihre Philosophien Bescheid weiß, geschweige denn überhaupt sonderlich belesen ist. Wir haben lediglich über Hegel und Marx einiges erfahren - und das war's.

Kurz gesagt: Niemanden interessiert die Philosophie der vergangenen Jahrhunderte, und von vielen Menschen wird sie als geisteswissenschaftliche Disziplin sowieso abgelehnt, weil ihre Ergüsse für überkandideltes Geschwätz gehalten werden. Jedenfalls bekomme ich das oft genug mit einer abwinkenden Handbewegung gesagt.

Interessanter in unserer modernen Welt sollte sein, wie es trotz der zunehmenden internationalen Vermischung von Familien und dem Zusammenrücken der Länder (EU, weltweiter Handel, wirtschaftliche Verflechtungen) zu dem Widerspruch kommen kann, dass Antisemitismus und Fremdenhass wieder zunehmen und offen geäußert werden. Das ist das Problem, um das wir uns kümmern müssen - nicht um Kant & Co.
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