Ein erfülltes Leben

[kathamané]

Tiefe Schatten im Gesicht,
müde, hohle Blicke,
so schaut sie auf aus ihrem Bett,
und grüßt leis, voller Mühe.

Aus ihrer Mitte führen Schläuche
Säfte ab in Beutel.
Unter Laken harrt der Tod
Und küsst nachts ihren Scheitel.

Sie hat auf ihrem Sterbebett
ein Buch sogar geschrieben.
Vom Kampf, von Mut, von Bitterkeit –
ein echtes Märchen eben.

Nur das Happy End bleibt aus.
Nach tausenden Visiten
ruft sie ihn, den Liebsten nun;
sie hat genug gelitten.

Ein letztes Wort, dann seine Hand –
das letzte, was sie spürt –
bevor sie lächelnd sich erlöst,
durch Gott, der sie erhört.

So ist denn Irdisches vollbracht.
Ihr Abschied, nur ein Hauch:
“Ich hatte ein erfülltes Leben
und glücklich war ich auch.”

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In Gedenken an Dóra Mittelholcz (1981-2014, ungarische Journalistin)
die am 29. Oktober 2014 nach vierjährigem, mutigem Kampf gegen Gebärmutterhalskrebs verstarb.

[Gylon]

Hallo kathamané,
sehr bewegende Zeilen! Gerne gelesen.

Liebe Grüße Gylon

[Richard L.]

Hallo kathamané,
vielleicht erzählst Du uns ein wenig über sie, über ihre Arbeit, ihr Buch? Ich bekomme lediglich Informationen in ungarischer Sprache. Zum Text kann ich schlecht etwas sagen -zu oft erlebte ich dies hautnah.
Grüße nach Medina, Farrell

[urluberlu]

ich neige mein haupt aus respekt vor der verstorbenen.
aber für dein gedicht gilt ebenfalls (wie bei grenz...): kannte ich an dir nicht, gefällt mir nicht.

lg url

[Shhiva]

Liebe kathamané,
danke für dein bewegendes Gedicht. Es hat mich an etwas erinnert und habe Tränen in den Augen.
Liebe Grüße, Shhiva

[kathamané]

Danke an alle, die ein Kommentar verfasst haben.

Ja, das sind traurige Ereignisse, die unglaublich unfair erscheinen, wenn man bedenkt, dass diese jungen Menschen noch ein ganzes Leben vor sich hatten.
Das beeindruckenste für mich ist ihr letzter Satz, den sie allen Krebskranken mit auf den Weg gegeben hatte... Auch während ihrer schlimmen Krankheit hat sie sich Freiräume genommen, Dinge gemacht, die sie immer mal schon machen wollte.

Danke auch für die negative Kritik, ich werde sie mir zu Herzen nehmen. Dafür wäre es auch nützlich zu wissen, was genau daran gestört hat oder eventuell unrund wirkt.

Danke, allen einen schönen (gesunden) Tag!

Kathamané

[Richard L.]

Dein Gedicht ist vollkommen in Ordnung, es gibt nichts daran auszusetzen! (Außer: Strophe 2 Z4: "und" klein) Lass Dich bitte nicht verunsichern.

[AndereDimension]

Hallo Kathamané,

Du hast die richtigen Worte gefunden - dafür schon mal meinen Respekt!
Aber nicht nur die Worte selbst, sondern auch wie Du sie kleidest und begleitest, gefällt mir ausgesprochen gut.


* einziger Kritikpunkt: Das "erfüllte Leben" lässt sich aus dem Text nicht erschließen

Gruß, A.D.

[Ex-Ralfchen]

ein spezielles thema und natürlich sehr bewegend, liebe kathamané. da ich diesen weg kenne und mit meiner geliebten frau erlebt habe, bis sie sich zum "assisted suicide" in der schweiz entschied, kann ich es thematisch verstehen und deine sorge/schmerz nacherleben/fühlen. es erhebt sich aber n.d.t. die frage ob man solch stark persönlich-emotionell gestaintes material hier präsentieren sollte. es ist zutiefst seelen-bezogen und ob es der autorin in irgend einer art und weise helfen soll ist meine frage. das wirst nur du wissen. ich versuche seit 2 jahren an meinem buch über den tod Lucys (DIE 27 SCHRITTE) konsequent zu arbeiten, da der ORF eine doku über ihren weg machen wollte/will, schaffe es aber nicht. mir vorzustellen, das buch auch nur auszugsweise hier zu präsentieren widerstrebt mir. (allein schon der gedanke), denn es sind einfach zu viele taktlose idioten in Literaturforen. und gerade hier im poetry hat sich wieder ein schar von solchen typen eingemausert.

[kathamané]

Lieber Ralf,

danke für deinen Kommentar. Erst einmal mein herzliches Beileid wegen deiner Frau, Worte (egal wie schön verpackt) reichen in so einer Situation nicht. Nur Gesten.
Und genau so eine Geste ist dieses Gedicht. Ich persönlich kannte die Journalistin nicht, um die es hier geht. Ich habe viel von ihr gehört und gelesen, aber hatte keinen Kontakt zu ihr. Vielleicht ist diese Distanz der Grund, warum ich über sie geschrieben habe, vielleicht wäre das bei mehr Privatem nicht gelungen.
Diese Frau hat tatsächlich in ihrem letzten Lebensjahr ein Buch über das Leben und den Tod und vor allem über ihre Krankheit geschrieben. Denn Schreiben war ihr Leben, das hat sie sich bis zuletzt nicht nehmen lassen. Sie hat oft Interviews gegeben und vor allem die jungen Frauen aufgerüttelt, die doch zu leichtgläubig mit ihren Körpern umgehen. Gebärmutterkrebs wird immer häufiger und sie hat ihre Popularität genutzt, am eigenen Beispiel zu zeigen, dass das Ganze kein Spaß ist. Aus diesem Grund denke ich, dass es nicht schlimm ist, über sie zu schreiben, sondern vielleicht sogar eine Art Anerkennung an ihre Kraft und Ausdauer. Ich selbst sehe mich als "Schreiberin", wie sie eine war (wenn auch nicht so gut natürlich) und denke, mit ihrer Kunstart ihr ein Denkmal gesetzt zu haben. Ich hoffe, das klingt nachvollziehbar.
Viele werden von irgendetwas oder irgendwem zum Schreiben motiviert. Und sie hat mich nicht nur zum Schreiben gebracht, sondern mir (tragischer Weise) aufgezeigt, dass jede Stunde endlich ist.
Danke für deinen Kommentar und ganz, ganz viel Kraft auf deinem weiteren Weg, wer weiß, vielleicht kommt eine Zeit, wo du genau das willst: veröffentlichen. Und wenn nicht, dann hast du für dich geschrieben, was tausendmal mehr wert ist.

Ganz liebe Grüße aus Ungarn,

Kathamané

[Ex-Ralfchen]

danke, lieber mensch - vor allem für dein beileid. es ist nun schon mehr als 2 jahre her. sie wollte am 12-12-12 sterben und das hatte sie dann auch getan. und ich hatte sie auf diesem weg jeden nur erdenklichen moment begleitet, bis sie um 12:00 am 12-12-12 in meinen armen an meiner wange starb. und: nun verstehe ich dich natürlich wesentlich besser.

vlg
ralf