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Alt 06.12.2016, 12:24   #166
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
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...
ich hatte einen Professor zitiert....ich hätte auch noch andere zitieren können - ...
Ich kann das bestätigen. In der F.A.Z. werden sehr oft Leserbriefe von Gymnasial-Lehrern und Professoren abgedruckt - schon seit Jahren -, die bestätigen, dass Rechtschreibung und Stil mittlerweile eine Katastrophe sind. Erschreckend war vor allem die Liste eines Professors, die an die dreißig Beispiele von krassen Falschschreibungen enthielt. Da wurde nach Gehör geschrieben, so dass dieser Professor erst mühsam den Sinn dieser Wörter entschlüsseln musste, um den Sinn des Geschriebenen überhaupt verstehen zu können - wenn die Sätze dann glücklicherweise wenigstens vollständig waren.

Weiterhin höre ich im Freundeskreis immer wieder, dass sie nach der "Schlechtschreibreform" Probleme haben, weil sie sich zum einen mit diversen Großschreibungen (z.B. "in Bezug", "auf dem Laufenden halten") nicht anfreunden können - mit gutem Grund, denn diese Schreibweisen sind unlogisch -, zum anderen feststellen, dass in Zeitungen und Büchern die neue und alte Schreibweise vermischt auftauchen, also niemand mehr eine der beiden Regelungen konsequent durchzuziehen imstande ist. Folge: Eine Verarmung der deutschen Sprache, denn diese "Verweigerer" vermeiden solche Ausdrücke und schreiben lieber "bezüglich", "informiert halten" oder wenden andere Umschreibungen an.

Alle Warnungen des Sprachwissenschaftlers Prof. Ickler wurden in der Wind geschlagen - der übrigens der einzige Sprachexperte in der KMK war und seine Mitarbeit aufgrund der Borniertheit dieser Versammlung ziemlich bald zurückgezogen hatte. Alle anderen waren Laien.

Jetzt haben wir ein Chaos, bei dem es nicht verwundern kann, dass Schüler und Studenten weder Rechtschreibung noch Stil sonderlich ernst nehmen. Die KMK tat es schließlich auch nicht.
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Alt 06.12.2016, 15:14   #167
Thing
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Bravo!
Genau das habe ich in einem ausführlichen SPIEGEL-Artikel gelesen.
Schüler, die in den Anfangsjahren gelehrt werden, nach Gehör zu schreiben, werden ihr Leben lang darunter zu leiden haben. Sie mutieren zu Legasthenikern.
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Alt 06.12.2016, 16:14   #168
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
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Bravo!
Genau das habe ich in einem ausführlichen SPIEGEL-Artikel gelesen.
Schüler, die in den Anfangsjahren gelehrt werden, nach Gehör zu schreiben, werden ihr Leben lang darunter zu leiden haben. Sie mutieren zu Legasthenikern.
Tja, nur waren die Studenten des nämichen Professors gar nicht mittels der Methode, nach Gehör zu schreiben, durch das Gymnasium gekommen, sondern unter Anwendung der seit dem KMK-Schildbürgerstreich angewandten Schreibregelung. Hier kam wohl eher zum Tragen, dass die Benotung imnwischen so "liberal" geworden ist, dass jeder mit einem unter dem Mittelmaß behafteter IQ-Gymnasiast das Abitur "schafft" und damit berechtigt ist, die Professoren an den Universitäten in den Wahnsinn zu treiben.
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Alt 06.12.2016, 18:49   #169
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Zitat:
oder auch diese Schlagzeile:

Professor wütet: Die Mehrheit der Studenten hat an der Universität nichts verloren

hier zu lesen

http://www.huffingtonpost.de/2016/09..._11993366.html
Das empfinde ich allerdings auch als bedauernswert. Nun was die deutsche orthographie anbelangt zieh ich mir mal gerne den schuh an. Ich bin wohl ein paradebesipiel für das orthographische nieveu eines ehemaligen hauptschülers. Ich würde auch nicht sagen das ich das gut finde doch ich endschuldige mich mal damit das ich jenseits manchem germanistik studenten, sehr viel für die deutsche literatur tue und einige werke veröffentliche um auch die sprachkultur am leben zu halten.

Auch meine umstrittene leerzeilentechnik die in diversen foren kontroverse ausgelöst hat mögen vielen leuten nicht gefallen, aber wie die meisten forennutzer wissen hat sich die idee erst über die jahre entwickelt, und unter kollegen werden, wie auch in der wissenschaft, die vermeitlich nützlichsten ausarbeitungen erst lange kritisch beäugelt. Bis sie dann evtl. an gefallen und nachahmer finden, was hier grade den farrellen zum vorteil kommen würde.

Immerhin war es darüber zumindest erreichbar das sich einige leute lange mit den texten und der formation auseinandergesetzt haben also war die idee zumindest dafür gut. Orthographie ist schon ein grundelement der deutschen sprache aber auch nicht sein einiziges feld, ich bin froh das ich mich im rahmen meiner möglichkeiten einbringen kann auch wenn die normalerweise in manchem nicht an die der studenten herranreichen kann scheint es in anderen aspekten denen vorraus.

Von daher lass ich mich auch gerne von kritikern als baustelle betrachten, wo es immer was zu tun gibt.

Geändert von El Machiko (06.12.2016 um 20:59 Uhr)
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Alt 06.12.2016, 22:30   #170
weiblich Ilka-Maria
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Nochmal zum Thema "Stil":

Ich forste gerade den Reststapel Bücher aus dem Nachlass eines Onkels duch (die meisten der Bücher habe ich ungelesen fortgegeben, weil sie des Lesens nicht wert waren). Dazu ist zu sagen, dass es sich bei den meisten dieser Bücher um Vorschlagsbände von Bertelsmann an die Club-Mitgliedert handelt.

Ich schlage also bei einem der restlichen Bücher zwecks Prüfung auf literarische Tauglichkeit Seite 193 auf und lese folgenden Absatz:

Zitat:
Von einer schwarzen Rauchwolke begleitet, die sie in die unberührte Wildnis ausstieß, ratterte die Lok über die Brücke und verließ die andere Seite. Nach einigen weiteren Sekunden, die sich zu Ewigkeiten zu dehnen schienen, brachten die gigantischen Räder der Lokomotive endlich den Gleisabschnitt zum Vibrieren, unter dem die erste Nitrolyzerinladung lag, und erschütterten die stoßempfindliche Flüssigkeit bis zur Detonationsschwelle. ...
Wenn das kein Leckerbissen ist!

Nach meinem Wissen stößt eine Lokomotive aus der Zeit, in der die Geschichte spielt (es geht um den 2. WK), nicht eine Rauchwolke aus, sondern ständig neue, die in die Luft entweichen. Die Lok wird also nicht von einer einzigen Rauchwolke "begleitet". Über das Verb "rattern" kann man bei einem Koloß wie einer Lok streiten. Die "unberührte Wildnis" ist Unsinn, denn wo Eisenbahnschienen verlaufen, ist die Wildnis nicht unberührt. Wichtig ist natürlich zu erwähnen, dass die Lokomotive, nachdem sie auf der Brücke ist, tatsächlich die andere Seite verlässt. Eigentlich sollte die Lok das zuerst getan haben, sonst könnte sie ja nicht auf der Brücke sein. Sie will also auf die gegenüberliegende Seite der Brücke, und das muss dem Leser erklärt werden, damit er nicht auf die Idee kommt, die Lok könnte mitten auf der Brücke vielleicht nach links oder rechts abbiegen wollen .

Wieso sollten sich "einige weitere Sekunden" wie eine Ewigkeit anfühlen? Hier hat die Autorin versäumt, die Spannung zu schildern, unter der die Leute stehen, die die Sprengung der Brücke und Vernichtung des Zuges geplant hatten. Statt dies in einem plumpen Satz festzuhalten, hätten hier tausend Bilder geschildert werden können, die in den Köpfen dieser Leute produziert werden, was den Leser viel mehr die "Länge" und damit die Gewichtung dieser wenigen Sekunden hätte miterleben lassen können.

Was soll der Quatsch mit den "gigantischen Rädern"? Die Räder einer Lok sind genau so konstruiert, wie es nötig ist, um diese Kraftmaschine zu bewegen. Eine Lok derart ins Gigantische zu verpflanzen ist lächerlich, denn wenn die Brücke gesprengt wird und einstürzt, nützen diese Räder nichts mehr.

Dann kommt der "Gleisabschnitt". Das ist aber nichts anderes als die Stelle auf der Brücke, wo der Sprengstofff angebracht ist. Also weshalb ein solch banaler, verallgemeinernder Begriff wie "Gleisabschnitt"? Wieso schreibt die Autorin nicht einfach, dass sich die Lok schon gefährlich nahe auf die kritische Stelle zubewegt und durch ihren Kontakt die Brücke zum Einsturz bringen wird?

Im letzten Satz besticht das Wort "endlich", als sei es die Aufgabe der Lok gewesen, den Sprengstoff zu lösen und ihren eigenen Untergang herbeizuführen. Aber als die Lok dann "endlich" das Vibrieren auslöst, das den Sprengstoff entladen müsste, passiert - erst mal nichts. Denn die "stoßempfindliche Flüssigkeit" muss ja erst ihre "Dentonationsschwelle" überschreiten, statt sofort hochzugehen und die Umgebung in Einzelteile zu zerlegen. Obwohl jedes Kind weiß, wie hochempfindlich Nitroglyzerin ist.

Da hat die Lok offensichtlich versagt.

Hat sie natürlich nicht. Die Brücke fliegt in die Luft.

Und das Buch fliegt auf den Stapel der Nichtlesbaren. Zumindest in dieser, ins Deutsche übersetzten Fassung. Vielleicht kann die Autorin ja gar nichts für den schlechten Stil.

Es handelt sich um den Roman der amerikanischen Autorin Barbara Wood "Nachtzug".

Ende der Vorlesung.
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Alt 13.12.2016, 16:56   #171
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Wer noch letzte Zweifel hatte...was den Geisteszustand unserer Abiturienten und Studenten betrifft...der darf hier lesen:



Zitat FAZ, v. 12.12.2016

Zitat:
Lehrerverband: Manche Zeugnisse nicht mehr anerkennen

Die Noten deutscher Schüler werden immer besser, ihre Leistungen nicht unbedingt. Der Lehrerverband spricht von einer „Inflation“ guter Noten und präsentiert einen harschen Vorschlag
Hier der Link

http://www.faz.net/aktuell/beruf-cha...-14570418.html

Deckt sich mit meiner Wahrnehmung und meinen Erfahrungen. Meine aktuelle Volontärin (1er Abi) schicke ich gerne Mittagessen holen...denn bis zum heutigen Tag hat sie es noch nicht einmal hinbekommen das Wechselgeld richtig zu verteilen - sie verrechnet sich meist zu ihren Ungunsten. Sie kann ohne Taschenrechner selbst die einfachsten Mathematik-Aufgaben nicht lösen. Ich war ja schon eine Null in Mathe...aber im Vergleich mit ihr darf ich mich Adam Riese nennen. Politik, Geschichte, Geographie...sie hat von nichts auch nur die geringste Ahnung. Briefe kann sie schreiben... Rechtschreibung und Grammatik betreffend...ihr Satzbau hingegen ist eine einzige Katastrophe. Dieses Dummchen mag nicht repräsentativ für die heutigen Abiturienten sein...aber hier wundert sich jeder wie die durchs Abi kam...und dann auch noch mit einer Eins.
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Alt 13.12.2016, 19:27   #172
Richard L.
 
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Und warum setzen Sie merkwürdigerweise immer drei Punkte mitten in die Sätze?
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Alt 13.12.2016, 20:17   #173
männlich AndereDimension
 
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...weil ich vermutlich auch nicht besser bin.
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Alt 13.12.2016, 20:49   #174
männlich Heinz
 
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Hallo A.D.,
ja, ja - die Jugend von heute! Ich habe keine Lust, meinen Kommentar a.a.O. zu wiederholen, in dem ich, bei Aristoteles beginnend das Wehklagen über die Verstockt- und Faulheit, den Bildungsstandard und das Benehmen und was dergleichen Klagen sind, Zitate berühmter Männer aneinandergereiht habe (und die Einzige, die das erkannt hat, war Ilka-Maria).
Meine "Wahlenkelin", eine junge Armenierin, in Deutschland geboren und ihre Bildung in deutschen Schulen genossen, hat ihren Führerschein auf Anhieb geschafft, beherrscht (in Wort und Schrift) fünf Sprachen, ist eine hervorragende Pianistin und auf dem besten Weg, sich in die Spitzenklasse "hoch zu spielen" (und ist gerade mal 18 geworden).
Meine Enkelin in Düsseldorf (1/2 Jahr Unterschied zur Wahlenkelin) hat ihr Abi gebaut, den Boots- und Autoführerschein gemacht, mir vorgestern binnen 5 Minuten mein neues Telefon installiert und erklärt, sprich (neben Deutsch) fließend französisch, leidlich englisch und recht ordentlich spanisch, gehört bei den Auszubildenden zu den Besten.
Stimmt - im Kopfrechnen, Entfernungen schätzen und ein paar anderen Sachen habe ich (noch) einen Vorsprung; schau ich mir meine jüngste Enkelin an, sie wird Ende Dezember sechs, bleibt mir die Luft weg. Ich war (ein bisschen Angabe muss sein) ein Musterschüler mit ungeschönten, dennoch glänzenden Noten. Aber was die Kleine mit ihren fast sechs Jahren drauf hat, versetzt mich immer wieder in helle Begeisterung.
Bei den PISA-Studien, falls Dir das entgangen ist, liegt Deutschland im oberen Drittel - es gibt also Hoffnung. Wir Älteren haben (bei allen Optimierungsmög-lichkeiten und -notwendigkeiten) nicht den geringsten Grund, die Jahrtausende alten Unkenrufe über unsere Nachkommen einzustimmen. (Die, das sei am Rande bemerkt, noch nie einen Krieg vom Zaun gebrochen, noch nie Millionen z.T. hochgebildeter Menschen umgebracht oder zum Auswandern gezwungen und beklaut haben).
Deiner Schwarzmalerei mangelt es an Farben!
Gruß,
Heinz
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Alt 13.12.2016, 21:04   #175
männlich AndereDimension
 
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Hallo Heinz,

das freut mich für deine Wahl-Enkelin....und natürlich auch für Dich. Ich bin aber hier nicht angetreten um eine Laudatio zu Ehren der Abiturienten zu halten...das machen die schon selbst. Du kannst mir von dem handzahmen Tiger erzählen, der deinem Onkel Gustav morgens die Hausschuhe ans Bett bringt...und dennoch bleibt die Aussage "Tiger sind wilde und für den Menschen gefährliche Tiere" richtig. Ob Arbeitgeber, Professoren, Lehrer...alle klagen sie über unsere Abiturienten und Studenten...ich bin nicht der einzige...der das beklagt...ich habs nur schon viele Jahre zuvor erkannt und thematisiert. Das ist grundsätzlich das Los derer...die...aus welchen Gründen auch immer...einen Wissensvorsprung haben. Für die Farbe hast Du gesorgt...und das ist auch ok - somit ist alles gut.

Gruß, A.D.
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Alt 13.12.2016, 22:19   #176
weiblich Ilka-Maria
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Lieber AnDi, lieber Heinz,

Eure Standpunkte sind alle richtig. Es gibt natürlich intelligente Kinder, und wenn man sie in der eigenen Familie hat, macht dies Eltern und Großeltern glücklich. Es gibt Kinder, die lernen wollen, und es gibt Kinder, die Schule doof finden und denen es egal ist, ob sich Historiker über die Schuld am Ausbruch eines Krieges streiten, wie ein Benzolring aussieht, weshalb man mit Buchstaben rechnet oder ob ein Elefant im Passgang läuft (der Umgang mit Smartphones ist sicherlich auch ein Indiz für Intelligenz, aber nicht unbedingt für das Streben nach Allgemeinbildung).

Genauso unstrittig ist, dass es gute und schlechte Lehrer gibt oder nur einseitig begabte Lehrer, also solche, die entweder in Pädagogik gut sind, aber nicht in Didaktik, und umgekehrt.

Auch stimmt es, dass die Leistungsanforderungen der Lehrpläne in den letzten vierzig Jahren immer weiter abgesenkt wurden und gute Noten leichter als früher zu erreichen sind. Dabei muss man aber nach Ländern unterscheiden, da Schulpolitik bekanntlich nicht Bundes-, sondern Ländersache ist. So habe ich es bereits Mitte der 80er Jahre erlebt, als ich ein Jahr lang in Aschaffenburg wohnte, dass jeden Tag ein Junge mit dem Zug nach Frankfurt zum Gmnasium fuhr, weil er wusste, dass er in Hessen das Abitur mit weniger Anstrengung schaffen konnte als in Bayern (auch ein Zeichen für Intelligenz!).

Dabei muss noch nicht einmal die Sorge Pate gestanden haben, die Kinder könnten mit dem Lehrstoff überfordert werden. Ein Großteil der Misere in der Bildungspolitik ist vielmehr auf die anhaltenden Experimente zurückzuführen, neue Lehrmethoden einzuführen, die sich als untauglich herausstellten (man denke nur an die Mengenlehre und an die umständliche Art, eine Einmaleins-Methodik zu entwickeln, die das Auswendiglernen des Kleinen und Großen Einmaleins überflüssig machen sollte).

Anders gesagt, kamen drei Dinge auf die Schwarze Liste (was wir nicht zuletzt den 68ern zu verdanken hatten): 1. Es durfte keine Eliten mehr geben. 2. Es durfte keine Hilfsschüler mehr geben. 3. Das Pauken galt als Folter, alle Lösungen mussten durch den Einsatz des Verstandes gefunden werden.

Deswegen haben wir heute Menschen, die, wenn sie beim Einkaufen einen Rabatt auf den Warenpreis angeboten bekommen, erst einmal umständlich darüber nachdenken müssen, was fünf oder zwanzig Prozent von der Gesamtsumme ergibt. Wir wussten das früher im Alter von neun Jahren auf Anhieb, weil wir im Kopfrechnen fit waren und das Kleine und Große Einmaleins im Schlaf beherrschten.

Das hier geht jetzt an Heinz: Intelligenz und Allgemeinbildung bzw. Tauglichkeit für den Lebensalltag sind unterschiedliche Disziplinen. Mein Sohn ist auch fit, wenn es um Technik jeder Art geht (er hat Betriebsmechaniker gelernt und danach Informatik studiert), und als Triathlet hat er auch eine Menge über Körperfunktionen und Ernährungsmethoden drauf. Klar hat er mich auch in vielen Dingen des modernen Alltags abgehängt, besonders wenn es um finanzielle Angelegenheiten geht. Aber die Allgemeinbildung, die zu meiner Zeit schon in der Realschule Standard war, hat er trotz Abitur bei weitem nicht. Nun kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass es auch nicht unbedingt notwendig ist, zu wissen, wann Karl der Große gekrönt wurde oder wann die Schlacht bei Hastings war. Und dennoch bin ich der Meinung, dass ein Mangel an Allgemeinbildung auch ein Mangel an Lebensqualität ist. Um mal ein plumpes Beispiel zu bringen: Auch Menschen, die nicht viel lesen, gehen gerne ins Kino, können aber möglicherweise einen anspruchsvollen Film - neben wir als Beispiel "Germinal" oder "Die Neue Welt" - nicht richtig verstehen, wenn sie nichts über die Rolle der Frühsozialisten oder über die Schwierigkeiten der ersten Siedler an der amerikanischen Ostküste gelernt haben.

Die Pflege der deutschen Sprache ist in unserem Land, das sich nicht als Einwanderungsland versteht, obwohl Einwanderung nach dem Krieg massiv stattgefunden hat, ein besonders kritisches Kapitel. Ich bin nicht sicher, ob man den Verfall, der klar beim Gebrauch (oder besser: Nichtgebrauch) der Rechtschreibung und Grammatik feststellbar ist, allein unwilligen oder unintelligenten Schülern anlasten kann, wahrscheinlich nicht einmal den Lehrern. Hier hat meiner Meinung nach die Bildungspolitik versagt.

Insgesamt gesehen ist es mir egal, wenn ein Metzger in einem Schlachthof nicht weiß, was eine binomische Formel ist und wie die Planeten unseres Sonnensystems heißen, solange er sein Handwerk beherrscht, den Tierschutz beachtet und ein redlicher Mensch ist. Wenn ich jedoch darüber nachdenke, dass für Abituranwärter in einem ganz unsportlichen Sinne die Messlatte möglichst tief gelegt wird, damit sie mit einem Minimum an Training drüber kommen, graut mir vor den Medizinern der Zukunft, denen wir unsere Gesundheit und unser Leben anvertrauen müssen.

So, das war jetzt ein langer Sermon. Das Thema ist aber so komplex, dass ich ein Buch darüber schreiben könnte - schon allein wegen der Erfahrungen, die ich während der Schulzeit meines Sohnes gemacht habe.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.12.2016, 22:29   #177
männlich bipolar
 
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Rein informationstechnisch ist Spracharmut doch klasse.

Ich bin aber kein Informationsautomat.
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Alt 17.12.2016, 22:43   #178
weiblich Ilka-Maria
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Rein informationstechnisch ist Spracharmut doch klasse.

Ich bin aber kein Informationsautomat.
Richtig erkannt: Du stehst nicht zur Debatte.
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