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Die Philosophen-Lounge Forum für philosophische Themen, Weisheiten und Weltanschauungen.

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Alt 20.06.2010, 22:02   #1
männlich Glasbleistift
 
Dabei seit: 03/2010
Ort: Berlin
Alter: 38
Beiträge: 132

Standard Die Macht der Selbstsuggestion

Was ist es, was auf uns wirkt, wenn sich in uns eine Vorstellung über das Wesen eines anderen Menschen bildet? Etwa unser Gegenüber und das, was er über sich sagt oder preis gibt? Natürlich macht das einen Teil unseres Eindruckes aus, allerdings ist es doch viel mehr als das. Einen großen Einfluss hat auch das, was wir glauben mögen, was wir uns suggerieren, um selbst zufrieden zu sein, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen, um nicht Gefahr zu laufen, mit einer Situation überfordert zu sein oder sich etwas nicht erklären zu können. Und auch, was wir glauben müssen, um das Gefühl zu vermeiden, die anderen Menschen in unserem Leben zu enttäuschen. Die Menschen müssen eben, ob positiv oder negativ, ins Gefüge passen.
Wenn wir dann vor einem Problem mit einem anderen Menschen stehen, für das es anscheinend keine Lösung gibt, dann biegen und lügen wir es eben zu Recht. Wir erreichen die Lösung durch die Hintertür, indem wir die problematischen Eigenschaften oder Züge verändern, untertreiben oder überspitzen und somit der Verwirrung die Grundlage entziehen. Das Resultat kann entweder Zuneigung oder Ablehnung bedeuten, je nachdem, was für uns selbst unproblematischer ist. Wir erhalten dadurch Klarheit und eine Lösung.
Das Erschreckende daran ist, dass dieser Prozess vollkommen unbemerkt und unbewusst in uns abläuft. Wenn wir jedoch wissen, dass es passiert, kann dann für uns nicht jeder Mensch oder jede Lösung eines Problems mit einem Menschen alles sein, was wir uns suggerieren? Was würde es erfordern, dieses Geschehen bewusst und gezielt zu beeinflussen?
Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob wir das überhaupt möchten, denn das, was wir uns suggerieren, wird zwangsläufig mehr oder weniger an den wahren Wesenszügen unseres Gegenübers vorbeischießen. Ein weiteres Problem tut sich auf, wenn wir dann daran denken, dass wir die unbewussten Abläufe lediglich selbst in die Hand genommen haben und zu einem genauso falschen Urteil gelangt sind, zu dem es ohnehin gekommen wäre. Kann uns das Befriedigung bringen? Spielt das eine Rolle, wenn die Vorstellungen über den Anderen, bewusst oder unbewusst, sowieso nicht der Wahrheit entsprechen können? Irgendeine Vorstellung bildet sich ja zwangsläufig und wenn man die Wahl hat, zöge man doch wohl die nicht perfekte, aber immerhin durchdachte Variante vor. Wir hätten zumindest das erhabene Gefühl, über die niederen Abläufe in uns selbst triumphiert zu haben.
Man wird letztendlich unweigerlich darauf stoßen, dass es sich mit dem Bild, das wir über uns selbst haben, nicht anders verhält. Was veranlasst uns zu glauben, eine ganz bestimmte Art von Mensch zu sein? Und was lässt es uns als unumstößliche Wahrheit erscheinen? Sind wir einfach das, was wir sind oder das, was wir zu sein glauben?
Man stelle sich vor, welch wunderbare Möglichkeiten darin lägen, den unbewussten Mechanismus des Gehirns auszuschalten und durch unsere eigenen, bewussten Vorstellungen zu ersetzten. Ein Hauch von Grenzenlosigkeit…
Glasbleistift ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.06.2010, 02:26   #2
weiblich Ilka-Maria
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Beiträge: 31.080

Zitat:
Man stelle sich vor, welch wunderbare Möglichkeiten darin lägen, den unbewussten Mechanismus des Gehirns auszuschalten und durch unsere eigenen, bewussten Vorstellungen zu ersetzten. Ein Hauch von Grenzenlosigkeit…
Dem kann ich nicht folgen, Glasbleistift.

Diese Grenzenlosigkeit würde nämlich nicht lange andauern, weil das Ausschalten des Unterbewußtseins höchst lebensgefährlich wäre. Der Mensch muß angesichts einer großen Gefahr schnell eine Entscheidung treffen, und die kann nur aus dem Unterbewußtsein kommen. Wenn Reich-Ranicki und seine Frau auf dem Weg zum Bahnhof nicht in einem Impuls aus der Gruppe ausgeschert und davongelaufen wären, hätte man sie nach Auschwitz transportiert. Ihr Bewußtsein war dermaßen lahmgelegt, daß sie sich nicht einmal an die Schüsse erinnern konnten, die auf sie abgefeuert wurden. Anders hätten sie wohl kaum überlebt. Das Unterbewußtsein ist ein gut funktionierender Schutzmechanismus in Situationen, die einem keine Zeit zum Nachdenken lassen.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.06.2010, 10:23   #3
Thing
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Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Halli Hallo,

nur einen Aspekt picke ich mir heraus:

Sind wir, was wir sind, oder sind wir, was wir zu sein glauben?
Da vermischen sich Selbstbild und Fremdbild. Wenn beides kongruent ist, können wir wahrscheinlich von glückhafter Deckung sprechen (so es denn ein "gutes" Bild ist!).

Im Grunde ist ja alles eine Sache des ZNS und der biochemischen Prozesse alldort.
Spätestens, seit Broca die ersten "Landkarten" anlegte, weiß man, daß buchstäblich alles, was mit kognitiven Fähigkeiten zu tun hat, Sache des ZNS ist, was weiter und weiter und feiner verifiziert wird.

Aber die Vorstellung, zumindest das Stammhirn außer Kraft zu setzen, ist höchst interessant. Da nicht die Gefahr besteht, daß wir das überhaupt vermögen, ist es auch nicht gefährlich. Der Illusion sind keine Grenzen gesetzt.
Dafür wurde uns die Phantasie gegeben.

Thing
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.07.2010, 19:34   #4
männlich Exedo
 
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Alter: 32
Beiträge: 31

Hier möchte ich einmal Prof. V. S. Ramachandran, ein Neurologe, aus einem Interview mit Stefan Klein zitieren: "Wenn wir so etwas empfinden [ein' Ich'], ist es vermutlich eine Illusion. Schon das Bild unseres eigenen Körpers ist hochgradig instabil. Und die allermeisten geistigen Vorgänge werden eben völlig unbewusst erledigt. Was uns antreibt, ist kein Ich - sondern ein ziemlich wildes Sammelsurium von Prozessen unter der Schädeldecke."

Ich hielte es für mehr als vermessen, dass Unterbewusstsein als etwas Schlechtes oder auch nicht notwendiges darzustellen. Denn das, was wir als Bewusstsein empfinden, macht einen winzig kleinen Teil unseres Denkvermögens aus. Viele Handlungen erledigen wir, ohne darüber nachzudenken. Wir atmen allein völlig unbewusst. Das eigene Ich ist im Prinzip eine unglaublich komplexe Anordnung von Neuronen im Gehirn, die auf komplizierteste Weise miteinander wechselwirken. Die "Macht der Selbstsugggestion" ist also viel weitgreifender, diese Macht des sich selbst etwas vormachen ist die Grundlage unseres Lebens.

Der Mensch würde nicht damit zurecht kommen, seinem Umwelt allein vollständig wahrzunehmen. Von 3.000.000 Reizen, die auf den Menschen einwirken, nimmt er zwischen 10.000 und 100.000 wahr. Es ist schwerlich vorstellbar, was wäre, wenn er alle Reize bewusst aufnehmen würde - wahrscheinlich wäre ein normales Leben ebenso wie ein blankes Überleben schlicht nicht möglich, da es im wahrsten Sinne des Wortes zu einer Reizüberflutung käme.

Deshalb stellt sich meiner Meinung nach auch nicht die Frage: wollen wir Kontrolle über das Unterbewusste erlangen, sondern: sind wir dazu auch nur im Entferntesten überhaupt im Stande? Das bezweifle ich stark, da eben das eigene Ich etwas ist, dass in letzter Konsequenz nicht existiert; es ist für das Überleben des Menschen notwendig und ebenso auch für die Bildung eines Sozialwesens, von Gesellschaften, allerdings dennoch eine Illusion. Nicht mehr.


Zitat:
Zitat von Thing
Im Grunde ist ja alles eine Sache des ZNS und der biochemischen Prozesse alldort.
Spätestens, seit Broca die ersten "Landkarten" anlegte, weiß man, daß buchstäblich alles, was mit kognitiven Fähigkeiten zu tun hat, Sache des ZNS ist, was weiter und weiter und feiner verifiziert wird.

So ist es wahrscheinlich, auch wenn wir natürlich nicht komplett verstehen, wie das ZNS genau arbeitet.

Beste Grüße,
Exedo
Exedo ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.01.2014, 14:13   #5
männlich FranzJosefNeffe
 
Dabei seit: 01/2014
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Alter: 74
Beiträge: 27

Standard Lerne bessere Autosuggestion!

In weiser Voraussicht hat unser Schöpfer die Steuerung aller Levbensfunktionen dem direkten Zugriff durch unseren bewussten Verstand entzogen.
Alle wichtigen Lebensfunktionen werden IM UNBEWUSSTEN gesteuert.
Mit dem Unbewussten kann man reden.
Von der Pädagogik haben wir alle gelernt, wie man das perfekt verkehrt macht:
Gib dir Mühe! Streng dich an! Lass nicht locker! Überwinde dich!
So schlägt man Talente in die Flucht.
E.COUÉ zeigte vor hundert Jahren mit Welterfolg, wie mans richtig macht, durch bewusste AUTOSUGGESTION.
Er zeigte, dass wir immer AUTOSUGGESTION betreiben.
Mit sehr guten aber auch sehr schlechten Wirkungen.
Damit ist der wichtigste Auftrag für ein BESSERES Leben klar:
Lerne BESSER Autosuggestion, sonst musst du die Folgen schlechterer Autosuggestion tragen!
Wir kommen also nicht aus.
Es bleibt uns nichts übrig als zu lernen, es - so oder so - besser zu machen.
Guten Erfolg!
Franz Josef Neffe
FranzJosefNeffe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.05.2014, 19:08   #6
männlich Ex-Poesieger
abgemeldet
 
Dabei seit: 11/2009
Beiträge: 7.222

Es ist wohl bloß eine Übung. Man kann sich so lange reinsteigern bis etwas Wirklichkeit wird.

LG RS
Ex-Poesieger ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.05.2014, 19:40   #7
Thing
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Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Zitat:
Zitat von Poesieger Beitrag anzeigen
Es ist wohl bloß eine Übung. Man kann sich so lange reinsteigern bis etwas Wirklichkeit wird.

LG RS
Trugschluß! Denn...
- so lange, bis man es für Wirklichkeit hält.
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.06.2014, 01:05   #8
männlich FranzJosefNeffe
 
Dabei seit: 01/2014
Ort: Pfaffenhofen
Alter: 74
Beiträge: 27

Standard Selbst-bewusst-sein

Genau das ist der springende Punkt und das hat Coué vor hundert Jahren auch täglich demonstriert:
Suggestive Wirkungen beginnen nicht erst dann, wenn wir uns auf einen Stuhl setzen, die Augen schließen und nach-denken was man uns vor-geschrieben hat.
Wir alle treiben ununterbrochen Autosuggestion, vom ersten Atemzug bis zum letzten.
Solange wir uns nicht darum kümmern, macht die Autosuggestion mit uns was sie will. Wenn wir es beachten und verstanden haben, können wir mit ihr machen, was wir wollen.
Egal ob du glaubst, es wirke erst, wenn du dich reinsteigerst, oder ob du glaubst, es wirke, wenn du es für wirksam hältst:
Es wirkt immer wenn es wirkt.
Und du kannst immer noch ein wenig mehr davon entdecken und lernen und damit deine Möglichkeiten erweitern und vertiefen.
Guten Erfolg!
Franz Josef Neffe
FranzJosefNeffe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.06.2014, 02:46   #9
männlich Orakel
 
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Ort: Nah am Wurmlöch
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Beiträge: 1.623

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