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Alt 18.10.2012, 12:56   #1
männlich Desperado
 
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Standard Unter Beobachtung

Ich weiß nicht, wer den Leuten den Unfug ins Hirn gestanzt hat, dass alles und jedes, was der Mensch so treibt, Absicht haben muss, Sinn und Ziel.

Wenn ich diesen Spinner mal zwischen die Finger bekommen könnte, würd ich ihm aber sowas von gehörig die Leviten lesen, dass er mit der Botschaft „Leute, alles ist vollkommen sinnlos, macht was immer ihr wollt“ durch die Cities predigen würde. Dann würden mir manche Leute wenigstens nicht mehr mit der dämlichen Frage auf die Pelle rücken, warum, aus welchem Grund und mit was für Hintergedanken ich was wann wo mache, weil sie zu unbeweglich sind, sich vorstellen zu können, weil sie es einfach nicht auf die Reihe bekommen, dass da einer ohne Hintergedanken, Absicht, Sinn und Ziel durch die Gegend reitet, einfach nur weil er reitet.

Ich hab mir nie die Frage gestellt, ob das Herumreiten an sich nun Sinn macht oder nicht, manchmal ergibt sich einer, dann wieder nicht, wie das mit dem Sinn eben so ist, meistens begegnet er dir sowieso nur in seiner Umkehrung als bodenloser Unsinn und aberwitziger Widersinn, über dem die Leute sich dann die Haare raufen, bis sie ihnen allesamt ausgefallen sind und sich sogar noch die Glatzköpfe zermartern, bis sie rauchen wie der Schlot der schwarzen Lok, was verflixt nochmal da jetzt für ein Sinn dahinter stecken könnte. Der dann natürlich tiefer sein muss, gewissermaßen verborgen, so dass es ihnen nicht möglich ist trotz all ihrer Bemühungen, ihn zu ergründen, ihm quasi auf die Schliche zu kommen.

Was mir unverständlich ist, das verstehe ich nicht und frag auch nicht lange nach, da ist ein alter Freund völlig blödsinnig und ohne erkennbaren Grund übern Colorado gegangen, nun, dann ist er das eben, ich kanns nicht mehr ändern und muss damit klarkommen, obs nun einen versteckten Sinn haben könnte oder nicht. Solange der sich unauffindbar versteckt, kann er mit gestohlen bleiben, was will ich mit einem rätselhaften Sinn, dessen Sinn sich mir nicht erschließt? Auf den kann ich getrost verzichten.

Ihm kanns ja egal sein, weil ers überstanden hat, nur ich bin immer noch da, und wenn ich schon den Sinn seines Abgangs nicht erkennen kann, wie bitte soll es mir dann möglich sein, den Sinn meines Dagebliebenseins zu erkennen? Sein endgültiges Verschwinden ist in jedem Falle folgenschwerer und gewichtiger als meine Anwesenheit, sein Tod könnte einem -dieser merkwürdigen Logik folgend- weitaus mehr Anlass und Grund dazu geben, entschlüsselt und ergründet zu werden, als mein völlig bedeutungsloses Auftauchen.

Andrerseits können sie ihn nicht mehr fragen und mich eben schon, das ist die einzig halbwegs schlüssige Erklärung für ihr absonderliches Ansinnen, immer wissen zu wollen, was ich denn hier wolle, wo ich denn herkomme und was ich fürderhin so im Einzelnen vorhabe. Als ob ich das wüsste, es kümmert mich weder noch halte ich es für sinnvoll, ja sogar für ausgesprochen unsinnig, aber in ihrem verqueren Denken müsse ein jeder Mensch das unbedingt immer wissen, sonst gäb’s keinen stimmigen Grund für ihn, überhaupt irgendwas zu tun, ja im Grunde habe er nicht einmal das Recht dazu, das zu tun, was er grade so tut.

Ich glaube nun nicht, dass man das verstehen muss, doch was nützt mir das, wenn sie’s für einzig verständlich halten und alles andere für unverständlich. Es geht doch nicht an, dass da einer etwas tut, ohne sich was dabei zu denken und ohne was vorzuhaben damit, das kann doch garnicht sein, das darf einfach nicht sein, sowas gibt es schlichtweg nicht. Der hat doch was vor, der führt doch irgendwas im Schilde, der will doch irgendwas erzwingen, so beharrlich wie der durch die Gegend reitet, mal hier mal dort auftaucht, der muss doch schier verzweifelt nach irgendwas suchen, das kann doch nur eine gescheiterte und tragische Figur sein, anders ist sowas beim besten Willen nicht zu erklären.

Einmal abgesehen davon, dass diese gewitzten Leutchen schließlich gleichzeitig mit mir vor Ort gewesen sein müssen, sonst wüssten sie ja garnichts davon, dass ich irgendwo durchgeritten bin, denn würden jedesmal die Telegraphenleitungen surren, wenn da ein schräger Vogel durch ein Village reitet, wären diese ständig belegt und die Sheriffs hätten überhaupt nichts mehr zu tun, würden die Beine auf ihren Sekretär lümmeln und brummen „ist nichts reingekommen“. Nun gut, das machen die auch so, ich für meinen Teil käme jedenfalls nie auf die Idee, die emsigen Beobachter meiner Umtriebe zu fragen, was denn nun sie in dem jeweiligen Nest zu suchen haben und was sie damit bezwecken und verfolgen, vor Ort zu verweilen.

Ich werde nie hinter das Geheimnis dieser mir vollständig unerklärlichen Erwägungen kommen, irgendwann hab ich aufgegeben, verstehen zu wollen, was schlicht und ergreifend nicht zu verstehen ist. Aber nicht einmal dazu sind derlei mitunter lästig aufdringliche Zeitgenossen imstande, willens und in der Lage, warum auch immer.

Well, dann sollen sie’s eben bleiben lassen, ist ja nun wirklich nicht mein Problem.
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.10.2012, 14:44   #2
weiblich Poetibus
 
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Hallo, Desperado,

wie immer habe ich den Ausflug in Desperados Gedankenwelt genossen.

Dieses Mal hast du aber einen kleinen - wie soll ich es nennen - "Logikfehler" in deiner Geschichte:

Zitat:
... über dem die Leute sich dann die Haare raufen, bis sie ihnen von der Glatze fallen und die Köpfe zermartern ...
Ich raufe mir die Haare, bis sie mir alle vom Kopf fallen und ich danach eine Glatze habe. Da eine Glatze eben "Kahlschlag" bedeutet, können keine Haare von ihr fallen.

Allerdings, das ist klar, "Kopf" und "Köpfe" hintereinander geht nicht und "Haupt" würde nicht zum Sprachduktus passen. Nur als Anregung:

... über dem die Leute sich dann die Haare raufen, bis sie ihnen allesamt ausfallen und anschließend die Glatzköpfe zermartern ...

Ist kein direkter Vorschlag, nur so ein Beispiel.

Freundlichen Gruß,

Poetibus (Nr. 4)
Poetibus ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.10.2012, 14:52   #3
männlich Desperado
 
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Danke Dir, Poetibus,

für Deinen Verbesserungsvorschlag, genau das mit den Doppelköppen war die Krux und ein Haupt klingt in diesem Kontext einfach zu würdig... hab's Deinem Tipp folgend geändert.

Schön zu sehen, dass Du so aufmerksam liest, alle Achtung!

Freundlichen Gruß
Desperado
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Alt 18.10.2012, 18:34   #4
männlich DEAD MAN
 
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Beiträge: 74


Hallo Desperado,

Zitat:
Zitat:
... über dem die Leute sich dann die Haare raufen, bis sie ihnen von der Glatze fallen und die Köpfe zermartern ...
hätte ich nun persönlich für mich folgendermaßen interpretiert: Haare bei Glatze kraulen zu wollen, ist genauso "unsinnig" wie sich Gedanken über etwas zu machen, wo es sich keine Gedanken zu machen gibt.

Oder: Ich kann mich noch daran erinnern, als bei mir damals die Matte beim Barbier (was anderes gibt´s hier draußen nicht) fiel, griff ich mir noch Wochen später an den Kopf um den Zopf zurechtzurücken. War eben nur nichts mehr da.

Bzgl. Deiner "Haare-Glatze-Metapher" in Deiner Geschichte könnte es soviel wie: die Gedanken, wozu ich mir Gedanken mache, sind längst schon über alle 7 Berge, doch das Echo des Lebens - hallt, hallt und hallt - nach.

Insofern, naja, ein weiterer "unsinniger" Blickwinkel.

Was ich für mich jedoch noch nicht ganz verstanden habe: mmmhhh, schon weg.

Staubige Grüße

Dead Man
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Alt 19.10.2012, 08:57   #5
männlich Desperado
 
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Zitat:
Zitat von DEAD MAN Beitrag anzeigen
Insofern, naja, ein weiterer "unsinniger" Blickwinkel.
Aber ein durchaus überlegenswerter, DEAD MAN, wie ich finde.

Ein „verschollenes“ Idiom sozusagen, würde gut zum Gesamtbild und in die Zeit passen-
beating on a daed horse- sich mit längst Erledigtem herumschlagen,
sich die Haare auf der Glatze raufen- sich mit Unabänderlichem herumquälen.

...über dem die Leute sich dann die Haare raufen auf ihren Glatzen, bis diese glühen wie der Kessel der Dampflok und die Köpfe rauchen wie ihr Schlot...

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Haarige Grüße
Desperado
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