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Alt 26.08.2006, 15:04   #1
cute_fighter
 
Dabei seit: 02/2006
Beiträge: 1.123


Standard Exorzismus

Exorzismus

Unscheinbar, glanzlos streichelte die Sonne die umliegenden Häuser, die sie aus dem Fenster beobachten konnte. Menschen hasteten über die Straße, wie an jedem Tag. Gingen arbeiten, spielten mit ihren Kindern oder schickten diese in der letzten Minute vor dem Läuten noch in das große Schulgebäude. Die Welt des kleinen Dorfes war nach und nach verändert worden, doch die Einwohner kümmerten sich nicht darum. Sie lebten jetzt zivilisiert und trugen ihre Beamtenanzüge mit vor Stolz geschwellter Brust. Verdienten Geld für ihre Familie. Meinten, sie waren unabhängig.
Doch niemand wollte ihre Stimme hören, wenn sie ihnen erzählte, dass sie das Geld, was sie von den Weißen bekamen, niemals würden essen können. Bauern verkauften ihren Besitz, um sich später auf dem Markt selbst überteuertes Essen zu kaufen.
So funktionierte ihre Welt nun. Niemand wollte die Augen öffnen und sehen, dass ihr altes Leben nach und nach zerstört worden war. Nur sie hatte es gewagt, ihre Stimme zu erheben.
Sie wollte nicht, dass ihre Kultur unterging. Sie hatten ein Recht, sich selbst zu entwickeln, anders als die Weißen. War es wirklich zu viel verlangt, von anderen Menschen zu fordern, dass sie dem Land nicht auch noch ihre Kultur aufzwängten?
Ja, es war zu viel verlangt.
Dämonen würden ihren Verstand beherrschen, Diener der Finsternis würden durch sie sprechen, um dem Volk der Afrikaner die großzügige Hand der Weißen zu verderben, Boten des Teufels wollten dieses Land selbst beherrschen. So hieß es.
Sie hatten nicht mit den Priestern gerechnet. Menschen, die meinten, ihrem Gott näher zu stehen, als alle anderen, denen sie den Glauben vermitteln mussten, weil sie selbst nicht gut genug waren, es selbst zu verstehen.
Knarrende Schritte auf den Dielen vor der Tür zeigten ihr an, dass sie kamen.
Sie waren bereits da.
Sie wusste, viel Zeit würde sie nun nicht mehr haben. Ein letztes Mal blickte sie hinaus. Nicht auf die Häuser und Menschen, sondern fixierte ihren Blick auf dem endlos scheinenden Horizont. Den selben Horizont, den auch ihre Vorfahren einst gesehen hatten und den auch die nächste Generation sehen würde. Vielleicht, wenn sie bis dahin nicht schon alles zerstört hatten, was man zerstören konnte. Ihre kleine Welt jedenfalls war in ein tiefes, schwarzes Loch ohne Boden gefallen. Sie dachte, vielleicht würde sie es schaffen, aus diesem Loch zu entfliehen. Wenn ihre Seele in das heilige Land ihrer Vorfahren fliegen würde, würde sie ihnen voll Trauer berichten, dass sie die letzte war, die kommen würde. Die anderen zogen es vor, in den christlichen Himmel zu gehen. So hatten sie obligatorischen Wohlstand erlangt.
Ein letztes Mal sah sie nachdenklich in die strahlende, untergehende Sonne, bevor sie ihren Blick abwandte. Die roten Strahlen beleuchteten ihre kleine Kammer in einem blutenden Farbton. Ihrer Seele gleich, als sie beobachtet hatte, was man aus ihrem Leben gemacht hatte.
Polternd wurde ihre kleine Tür geöffnet und ein Priester gefolgt von mehreren Soldaten betrat das Zimmer. Sie trugen einen Spiegel, Weihrauch, Kerzen und Holzkreuze in das Zimmer und die Afrikanerin atmete ein letztes Mal entspannt die kühle Luft ihrer Heimat ein.

„Keine Angst, wir vertreiben nur den Dämon. Bald bist du erlöst.“

Weihrauch füllte ihre Lungen, Kerzen flackerten auf ihrem Haupt, Holzkreuze zierten ihr Bett und ein unwirklicher, schneidender und fast unbändiger Schmerz durchstieß ihren Körper. Der Priester murmelte lateinische Formeln vor sich hin und bekreuzigte sich alle paar Minuten, während er ihren Körper peinigte, um den Dämon hervorzulocken. Die Soldaten hatten das Zimmer längst verlassen, nachdem sie sie fest an ihr kleines Bett gefesselt hatten.
Wallende Wellen voller Schmerz durchdrangen das Bewusstsein der Frau. Blut floss bereits über ihrer dunklen, fast schwarzen Haut. In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie sah nur noch schwarz und rot, hörte nur noch die fremden Worte des Priesters, roch nur noch Weihrauch und Blut, schmeckte nur noch ihre eigenen bitteren Tränen und fühlte nur noch diesen Schmerz, der alles durchdrang und zu zerstören drohte.
Mit letzter Kraft belegte, wilde Schreie drangen aus ihrer Kehle, doch niemand schien sie zu hören. Ihr selbst kamen diese Laute so fremd vor, dass sie sich selbst nicht erkannte.
Nach langen Stunden unglaublicher Qual und von der Kirche frei heraus erlaubten Folter, die in ihren Augen für den guten Zweck war, wurde der Frau schließlich der einzige Dämon ausgetrieben, den sie je besessen hatte.
Ihre Seele.
cute_fighter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.08.2006, 10:38   #2
Nachtschatten
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 270


Liebe Cute_figther,
Ein gutes Thema, auch die Umsetzung hat mir recht gut gefallen. Aber hier erstmal ein paar kleine Mängel und verbesserungsvorschläge:

"Unscheinbar und glanzlos" würde ich ohne "und" dafür aber mit Komma schreiben. Jedoch scheint die sonne im weiterem Verlauf des Textes wieder sehr hell, was nartürlich möglich ist, aber mich irgendwie aus dem vorigem tristen Bild in etwas sehr romantisches hineingezogen hat.

"oder liefen in der letzten Minute vor dem Läuten noch in das große Schulgebäude" hier sprichst du vorher von Menschen, das war für mich insofern verwirrend, als das die Frau schon aus dem Schulalter heraus zu sein schien und wenn sie von "menchen die zur schule laufen" redet, dann setzt sie sich auch wieder auf das Schulalter herab.

"Wallende Wellen warmen Schmerzes" ist ansich ein schöner Satz, aber da der Text ansonsten von der Wortwahl nicht so extrem bildlich wie diese Stelle ist, würd ich es vereinfachen, bzw. ein "w" rausnehmen, das passt für mich da einfach garnicht rein.

soo ansonsten hätte ich den Text für besser gehalten wenn nach "Ihre Seele." Ende wäre, der Absatz danach war für mich unnötig.

So, ich hoffe du kannst was hiermit anfangen,
Liebe Grüße,
Nachtschatten
Nachtschatten ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.08.2006, 11:46   #3
cute_fighter
 
Dabei seit: 02/2006
Beiträge: 1.123


hi

danke für das erste Lob zu dieser Geschichte . Hat mich gefreut, dass sie doch noch anzukommen scheint.
hmm...ich denke ich werde mir deine Verbesserungsvorschläge zu Herzen nehmen. Alls berechtigt und m.E. können sie den Text nur hochziehen, also werd ich gleich mal schnell drüber gehen. Also auch dafür vielen dank

vlg
cute_fighter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.08.2006, 15:16   #4
Nachtschatten
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 270


Ja genauso, gefällt mir schon sehr viel besser =)
Nachtschatten ist offline   Mit Zitat antworten
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