Reformationstag oder Halloween?

[Ex-DrKarg]

Reformationstag oder Halloween?

©Hans Hartmut Karg
2016

Wir brauchen keine wild gewordenen Geister,
Die nur bedrohend durch die Lande ziehen,
Gar noch beschmutzen Türklinken mit Kleister
Und sich bettelnd um Almosen bemühen.

Wir brauchen keine Schreckgespenster,
Die mit Motorsägen durch Straßen jagen,
Hineinschauen in Häuser, helle Fenster
Und nach den Ängsten anderer nie fragen.

Der 31. Oktober ist ein Gottestag,
Mit dem Glaubensverbesserung beginnt,
Befreit den Christen ohne Frag',
Dass autonom er sei, bibelgestimmt.

Reformationstag, welch ein Wort!
Eines der Leitworte, der längsten
Zu unserer Freiheit Sehnsuchtshort –
Befreit uns aus den mittelalterlichen Ängsten!

Gespenster, Geister brauchen wir nicht mehr,
Auch keine Masken und nicht mehr Chimären.
Wir lieben unsere Glaubensfreiheit sehr
Und werden uns gegen den Hokuspokus wehren.

Wenn wir nur an den Hokuspokus glauben,
Werden wir innerlich nie wirklich frei.
Zur Freiheit kann gar Vieles selten taugen
Und endet leider oft in Sklaverei.

*

[Versard]

Inwiefern unterscheidet sich die Freiheit des Glaubens von der Freiheit sich zu kostümieren? Auch Halloween geht auf alte Religionen zurück, sicher nicht das amerikanische Massakerfest, aber das Original.
Außerdem ist es nicht möglich autonom und gleichzeitig bibelgestimmt zu sein da die Bibel einen zu befolgenden Leitfaden darstellt den man beachten muss wenn man ins Paradies möchte. Freiheit ade.

[Unar die Weise]

Ich liebe Glaubensfreiheit auch. Und ich toleriere alle anderen Religionen.
Jeder darf glauben, an was er will. Hauptsache, er führt deshalb keine Kriege.



Ehre sei Odin, in allen neun Welten!
Streng gläubige Grüße, von Unar der Weisen.


P.S. Ein Werk, welches sicher zu Diskussionen anregt. Kann sich ein Lyriker etwas besseres wünschen?

[fennigpfux]

Glück für Naturalisten: Der 5. November ist kein Gottestag!
Sturmfrei. Sau raus!

Hokuspokus und Glaube(nsfreiheit) wachsen nicht auf gleichen Feldern?

Ansonsten: Unar, weise Unar, Texter MÜSSEN etwas Besseres wünschen.

fx

[talking head]

der mensch sucht nach begründung,
findet sie in manch verkündung

noch nicht wenn bei seines lebens eröffnung
er austritt aus der ersten öffnung

schon eher an seinem ende,
wenn bei der letzten wende

es nicht mehr gibt das suchen
nach der richtigen verkündung,

wenn keine versuchung
mehr lockt,
er sich fragt: ist's verbockt?
hätt' besser mehr gerockt
statt geld und titel aufgestockt?

Versand, es geht beides, autonom und bibelgestimmt (schöner ausdruck); tun wir doch jeden tag; wer kennt schon die unendliche weite dieses buches?
aber für ein gestimmt sein reicht's bei mir.

ich habe aber immer noch nicht heraus gefunden, ob der glaube ganz und gar aus mir selber wächst oder quasi als kraft neben mir steht, mit mir redet, aber selber nicht beeinflusst werden kann.
vielleicht nach dem frühstück.

wer ist odin? was sind die neun welten?

Am Ende noch: es lebe die Reformation! Dank der katholischen Kirche für ihr damaliges Treiben ohne menschliches Maß, ohne dem kein Erheben, kein Vernunftbeben, keine Reformation. Befreiung geht immer nur in etappen und wandelt sich ständig; die reformation war eine ganz große, Gott sei Dank.
Was wären wir ohne!
In der Türkei springen die unfreien Geister an der Aufklärung vorbei gerade wieder aus ihren Ketten. Gott bewahre! oder lieber steinmeier und merkel?

[AndereDimension]

Ohne jemandem zu nahe treten zu wollen, aber ihr habt das Gedicht falsch verstanden. Es ist eine Laudatio zu Ehren Martin Luthers...und der war eines der größten Scheusale...die die Menschheit jemals hervorbrachte.

Er war Judenhasser...rief dazu auf ihre Schulen und Synagogen niederzubrennen...er war also der Wegbereiter der Reichsprogromnacht und Hitlers größtes Vorbild. Darüber hinaus war Luther Inquisitor und für viele Hexenverbrennungen verantwortlich. Und als ob das nicht reichte...sprach er Behinderten das Recht auf Leben ab.

Einen solchen Mann zu feiern...ist einer der größten und schrecklichsten Irrtümer der Menschheitsgeschichte und ein tolles Beispiel dafür...was Religionen bis zum heutigen Tag anrichten.

[Ex-DrKarg]

talking head,
und ich möchte ergänzen, dass Emanzipation als großes Ziel der Menschheit immer auch Rückschläge verkraften muss, sonst geht es nicht voran.
Und: Die Ökumene hat gezeigt, dass es der Evangelischen Kirche heute sogar möglich ist, einen Kardinal i. R. mit der Luther-Medaille auszuzeichnen.
H. H. Karg

[AndereDimension]

Mir ist jedes verkleidete...friedlich durch die Gassen ziehende Kind lieber...als dieses fettwanstige Scheusal Martin Luther.

[Ex-DrKarg]

AndereDimension,
wie kann man nur so viel Hass aufbauen?
H. H. Karg

[Thing]

Ich bin für Reformationstag. Die Lutherbibel und die Buchdruckerkunst sind zeitlose Segnungen.

Und ich muß nicht alles, was aus den USA kommt (ursprünglich aus Irland), gutheißen.

[Ex-DrKarg]

Liebe Thing,
da kann ich Dir nur zustimmen! Wir müssen nicht alles adaptieren, was aus den USA oder aus Irland kommt. Nicht jedes Kind mit Leuchtkürbis, das alte Menschen erschreckt, handelt ja in guter Absicht - wenn es nicht Süßes oder Saures erhält.
Ich danke Dir übrigens für Dein feines Gedicht, das Du zum Thema verfasst hast!
Menschen machen ja immer Fehler - auch Reformatoren sind Menschen! Und die Angst Luthers vor den Bilderstürmern und vor den Andersgläubigen hat bei ihm vorrangig theologische Gründe, manchmal auch soziale und wirtschaftlich - auch wenn er sprachlich dabei mitunter übers Ziel weit hinausschießt.
Dennoch sollte man heute durchaus noch sehen, welche Segnungen mit der Reformation und dem Handeln Martin Luthers verbunden sind - bis auf den heutigen Tag. Sein Leibesumfang kann da doch kein Kriterium sein.
Herzliche Grüße DIR!
H. H. Karg

[talking head]

TH, schließ mich an

[Ilka-Maria]

Wie jeder Mensch, so war auch Martin Luther ambivalent in seinem Wesen und außerdem ein "Kind" seiner Zeit. Vielleicht hätte er mit dem Mut eines Thomas Müntzers Kirchenreformator, Sprachreformator, Dissident und Bauernführer sein können, dies jedoch ebenfalls mit einem grausigen Tod bezahlt. Judenbeschimpfung, Aberglaube, Hexenverbrennungen - das gehörte zum damaligen Leben dazu. Das 16. und 17. Jahrhundert waren die wahren dunklen Zeiten, nicht das Mittelalter.

Deshalb haben sowohl Dr.Karg als auch AndereDimension recht. Es kommt eben darauf an, ob man das Gute oder das Schlechte an Martin Luther stärker gewichtet. Aus unserer aufgeklärten Zeit heraus ist es einfach, einen Menschen zu verteufeln, der wahrhaftig an die Hölle und den Teufel glaubte und Angst um sein Seelenseil hatte.

[Ex-DrKarg]

Liebe Ilka-Maria,
danke für Deinen wertvollen Kommentar!
Tatsächlich muss man Luther aus und in seiner Zeit begreifen. Er stand mit einem Bein noch ganz im Mittelalter und mit seinem zweiten Bein bereits in der Neuzeit.
Mir ist es heute in Ökumenezeiten wichtig, dass wir nicht alte Wunden aufreißen, sondern mit dem Blick nach vorne erkennen, welche positiven Leistungen dieser Jahrtausendmensch eben auch für uns alle hervorgebracht hat. Die Emanzipation des Menschen in Europa wäre ohne Reformation und ohne Aufklärung nicht denkbar gewesen. Und: Es gibt bereits ernsthaft zu nehmende Muslime, die inzwischen auch eine Reformation für den Islam fordern.
Herzliche Grüße und lieben Dank!
H. H. Karg