Lebensmüder mit Pistole bei Poetry.de

Seebald · 27.04.2011, 23:00

Jetzt tu ich´ s doch, ein kleines Loch,
schmückt bald schon meinen Totenschädel.
Ich gehe gleich, doch sage noch,
der Mensch ist weder gut, noch edel.

Gott weis, ich hab versucht zu leben,
nach Liebe, Ruhm und Glück zu streben,
den Menschen etwas mitzugeben.
Doch hab versagt in jedem Fall,
und Niederlagen überall,
künden von einem inneren Kampf,
von einem Kessel voller Dampf,
doch ohn´ Ventil mit großem Ziel,
und ohne Chance in diesem Spiel,
das unsere Menschheit Leben nennt,
ein Leichnam nur als Vorspiel kennt.

Was soll ich noch in einer Welt,
die nichts für mich bereit mehr hält,
als Tränenflut und Selbstmitleid.
Kein Lachen, keine Heiterkeit,
kann wiederhol´ n was ich verlor.
Jetzt halt ich mir das Rohr ans Ohr.

Wie oft stand ich an dieser Schwelle,
mit diesem Rohr an dieser Stelle,
doch traute mich nicht abzudrücken,
zwang mich alsbald zurückzublicken,
in eine Zeit, in der ich glücklich war.
Doch scheint es mir wie tausend Jahr,
die seitdem nun vergangen sind
und meine Augen, heute blind,
vor Tränenflut und Selbstmitleid,
sehn Lachen nicht, noch Heiterkeit.

Denn nur im Tode kann ich ruhn!
So sei es drum, ich tu es nun!
Vielleicht holt mich ein bisschen Glück,
ja aus dem Totenreich zurück.
Auch wenn es feige ist zu gehen,
so hoff ich werdet ihr verstehen,
Das niemand hier ein Leben lebt,
das nicht dem Tod entgegen strebt.

Und meine Freunde, trauert nicht!
Ich bleibe euch, durch dies Gedicht.
Wenn euch dereinst das Schicksal plagt,
so denkt an mich in meinem Sarg.
Vergesst mich nicht, das wäre dumm,
ich nehme Abschied nun und ... BUMM

Ex-Sabi de Sombre · 28.04.2011, 08:01

hab mich richtig gut amüsiert, seebald, über das kabinettstückchen.
viel zu langatmig einerseits, andererseits ist strophe 4 als einstieg perfekt, bei strophe 6 musste ich

, so absolut pathetisch kommt die rüber.

zum schluss noch der letzte akt: ...ich nehme Abschied nun, bumm, bumm.
reimt sich und ist imo viel effektvoller.

düster *prust* und abgrundtief erheiternd.

lg sabi

Thing · 28.04.2011, 08:09

Halli Hallo, Seebald -

"Komm, mein Mädel,
küss mir den Schädel!
Die Augen zwar,
die fraß der Aar,
doch du bist gut und edel.."
(Ch. Morgenstern)

daran fühlte ich mich erinnert.
Eine Straffung würde dem düster-amüsanten Gedicht nicht schaden.

Thing

Ilka-Maria · 28.04.2011, 08:21

Zitat:

Eine Straffung würde dem düster-amüsanten Gedicht nicht schaden.

Das war auch mein erstes Empfinden: Ein Lebensmüder, der mit allem abgeschlossen hat, schwafelt nicht herum und läßt auch keine Gedanken mehr zu, sondern er handelt. Mir kommt das Gedicht eher wie das Pfeifen im Walde vor.

Ex-Schamanski · 28.04.2011, 09:38

Ich kann mir durchaus vorstellen, daß ein Lebensmüder sich noch einmal einen inneren Monolog vorspricht, zur Rationalisierung einer in sich irrationalen Entscheidung bzw. um letzte noch bestehende Zweifel auszuräumen, bevor der letzte Schritt gemacht wird. So ein Monolog kann, je nach individuellem Selbstüberredungsbedarf, länger oder kürzer ausfallen. In diesem Fall eben länger.

In der letzten Strophe zeigt sich auch, daß so gut wie jeder Suizidant der Welt noch einmal eine letzte Message mitgeben will. Im Grunde geht es darum, die böse gemeine Welt durch den Suizid zu bestrafen. Das geht notwendig in die Binsen, denn fiese gehässige Welt dreht sich einfach ungerührt weiter. Aber damit bin ich jetzt genug abgeschweift.

Ex-Sabi de Sombre · 28.04.2011, 10:26

"In der letzten Strophe zeigt sich auch, daß so gut wie jeder Suizidant der Welt noch einmal eine letzte Message mitgeben will. Im Grunde geht es darum, die böse gemeine Welt durch den Suizid zu bestrafen. Das geht notwendig in die Binsen, denn fiese gehässige Welt dreht sich einfach ungerührt weiter."

richtig, schamane, und ... es wird (auja) wieder eine wohnung frei

hier ist vielmehr anzunehmen, der redundante freitödler spielt hier nur mit seiner water-gun und rasselt ängstlich mit der fusskette

lg sabi

Seebald · 28.04.2011, 12:51

Hallo ihr - danke für die Anmerkungen!!!

Ist alles richtig - ist lang, ist Geschwafel, ist pathetisch - eher ein Karnevalsgedicht und kein Meisterwerk...

Ist auch nicht wirklich neu - habe das schon vor langer Zeit geschrieben...

Da aber ICH hier neu bin, dachte ich - warum nicht den alten Schinken hervorkramen...

Danke - schön, dass es "mehr oder weniger" gefallen hat!

Gruß,
Seebald

LadyObsession · 03.05.2011, 23:10

Toll, daß man weiß wie ein Selbstmörder denkt, und daß man sich Gedanken macht ob sein "Abschiedsgeschwafel" zu lang ist, bzw. ein Pfeiffen im Wald.

Find´s fasziniered wie Du mit dem Reim arbeitest. Er trägt zur Geschichte bei und stört nicht wie ini so vielen anderen Texten.

Seebald · 11.05.2011, 17:04

Vielen Dank!!! Freut mich, dass die Reime nicht stören!

27.04.2011, 23:00	#1
Seebald Dabei seit: 04/2011 Ort: Arsch der Welt (wirklich) Alter: 51 Beiträge: 63 Meine Gedichte	Lebensmüder mit Pistole Jetzt tu ich´ s doch, ein kleines Loch, schmückt bald schon meinen Totenschädel. Ich gehe gleich, doch sage noch, der Mensch ist weder gut, noch edel. Gott weis, ich hab versucht zu leben, nach Liebe, Ruhm und Glück zu streben, den Menschen etwas mitzugeben. Doch hab versagt in jedem Fall, und Niederlagen überall, künden von einem inneren Kampf, von einem Kessel voller Dampf, doch ohn´ Ventil mit großem Ziel, und ohne Chance in diesem Spiel, das unsere Menschheit Leben nennt, ein Leichnam nur als Vorspiel kennt. Was soll ich noch in einer Welt, die nichts für mich bereit mehr hält, als Tränenflut und Selbstmitleid. Kein Lachen, keine Heiterkeit, kann wiederhol´ n was ich verlor. Jetzt halt ich mir das Rohr ans Ohr. Wie oft stand ich an dieser Schwelle, mit diesem Rohr an dieser Stelle, doch traute mich nicht abzudrücken, zwang mich alsbald zurückzublicken, in eine Zeit, in der ich glücklich war. Doch scheint es mir wie tausend Jahr, die seitdem nun vergangen sind und meine Augen, heute blind, vor Tränenflut und Selbstmitleid, sehn Lachen nicht, noch Heiterkeit. Denn nur im Tode kann ich ruhn! So sei es drum, ich tu es nun! Vielleicht holt mich ein bisschen Glück, ja aus dem Totenreich zurück. Auch wenn es feige ist zu gehen, so hoff ich werdet ihr verstehen, Das niemand hier ein Leben lebt, das nicht dem Tod entgegen strebt. Und meine Freunde, trauert nicht! Ich bleibe euch, durch dies Gedicht. Wenn euch dereinst das Schicksal plagt, so denkt an mich in meinem Sarg. Vergesst mich nicht, das wäre dumm, ich nehme Abschied nun und ... BUMM

28.04.2011, 08:01	#2
Ex-Sabi de Sombre abgemeldet Dabei seit: 08/2010 Beiträge: 993 Meine Gedichte Meine Favoriten	hab mich richtig gut amüsiert, seebald, über das kabinettstückchen. viel zu langatmig einerseits, andererseits ist strophe 4 als einstieg perfekt, bei strophe 6 musste ich , so absolut pathetisch kommt die rüber. zum schluss noch der letzte akt: ...ich nehme Abschied nun, bumm, bumm. reimt sich und ist imo viel effektvoller. düster prust und abgrundtief erheiternd. lg sabi

28.04.2011, 08:09	#3
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Halli Hallo, Seebald - "Komm, mein Mädel, küss mir den Schädel! Die Augen zwar, die fraß der Aar, doch du bist gut und edel.." (Ch. Morgenstern) daran fühlte ich mich erinnert. Eine Straffung würde dem düster-amüsanten Gedicht nicht schaden. Thing

28.04.2011, 09:38	#5
Ex-Schamanski abgemeldet Dabei seit: 12/2010 Beiträge: 2.884 Meine Gedichte	Ich kann mir durchaus vorstellen, daß ein Lebensmüder sich noch einmal einen inneren Monolog vorspricht, zur Rationalisierung einer in sich irrationalen Entscheidung bzw. um letzte noch bestehende Zweifel auszuräumen, bevor der letzte Schritt gemacht wird. So ein Monolog kann, je nach individuellem Selbstüberredungsbedarf, länger oder kürzer ausfallen. In diesem Fall eben länger. In der letzten Strophe zeigt sich auch, daß so gut wie jeder Suizidant der Welt noch einmal eine letzte Message mitgeben will. Im Grunde geht es darum, die böse gemeine Welt durch den Suizid zu bestrafen. Das geht notwendig in die Binsen, denn fiese gehässige Welt dreht sich einfach ungerührt weiter. Aber damit bin ich jetzt genug abgeschweift.

28.04.2011, 10:26	#6
Ex-Sabi de Sombre abgemeldet Dabei seit: 08/2010 Beiträge: 993 Meine Gedichte Meine Favoriten	"In der letzten Strophe zeigt sich auch, daß so gut wie jeder Suizidant der Welt noch einmal eine letzte Message mitgeben will. Im Grunde geht es darum, die böse gemeine Welt durch den Suizid zu bestrafen. Das geht notwendig in die Binsen, denn fiese gehässige Welt dreht sich einfach ungerührt weiter." richtig, schamane, und ... es wird (auja) wieder eine wohnung frei hier ist vielmehr anzunehmen, der redundante freitödler spielt hier nur mit seiner water-gun und rasselt ängstlich mit der fusskette lg sabi

28.04.2011, 12:51	#7
Seebald Dabei seit: 04/2011 Ort: Arsch der Welt (wirklich) Alter: 51 Beiträge: 63 Meine Gedichte	Hallo ihr - danke für die Anmerkungen!!! Ist alles richtig - ist lang, ist Geschwafel, ist pathetisch - eher ein Karnevalsgedicht und kein Meisterwerk... Ist auch nicht wirklich neu - habe das schon vor langer Zeit geschrieben... Da aber ICH hier neu bin, dachte ich - warum nicht den alten Schinken hervorkramen... Danke - schön, dass es "mehr oder weniger" gefallen hat! Gruß, Seebald

03.05.2011, 23:10	#8
LadyObsession Dabei seit: 04/2011 Ort: Sunshine City Alter: 45 Beiträge: 41 Meine Gedichte	Toll, daß man weiß wie ein Selbstmörder denkt, und daß man sich Gedanken macht ob sein "Abschiedsgeschwafel" zu lang ist, bzw. ein Pfeiffen im Wald. Find´s fasziniered wie Du mit dem Reim arbeitest. Er trägt zur Geschichte bei und stört nicht wie ini so vielen anderen Texten.

11.05.2011, 17:04	#9
Seebald Dabei seit: 04/2011 Ort: Arsch der Welt (wirklich) Alter: 51 Beiträge: 63 Meine Gedichte	Vielen Dank!!! Freut mich, dass die Reime nicht stören!