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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 18.10.2021, 23:09   #1
männlich Hartwg
 
Dabei seit: 10/2021
Beiträge: 6

Standard Klamme Worte

die Erde in lockeren Brocken
darüber
drückt schwer das Schweigen
eine Amsel kümmert sich nicht
um die Stille
und singt ihr Lied


wir gingen ins Zimmer und Mutter
plötzlich alt
krümelte uns kraftlos Worte entgegen
und wir
fassten uns bei den Händen


wir hätten es wissen können
schon damals
als ihre Hand fahl auf unserer lag
doch wir
brachten Kuchen, um nicht
reden zu müssen

und jetzt warten sie dort mit ihren Schaufeln
und schauen
während wir dastehen und schweigen
jeder mit seinen klammen Worten
die in die nackte Erde fallen
Hartwg ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.10.2021, 13:45   #2
Ex-Fourwaystreet
Gast
 
Beiträge: n/a

Hallo Hartwg,

wir werden Zeuge von der Beklemmung und der Sprachlosigkeit,
die in einer Familie wirkt,
wenn geliebte Menschen gehen.

Du hast das mit klarem Blick
und poetischen Worten gut "rübergebracht".

Gerne gelesen
und
die eigenen entsprechenden Anlässe Revue passieren lassen.

4WS
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Alt 19.10.2021, 20:34   #3
männlich Andri
Gast
 
Dabei seit: 12/2019
Ort: Die Erde
Beiträge: 425

Hallo Hartwg,
ja ein bedrückend realistisches Bild, mit sparsamen Effekten die Atmosphäre sehr gut und dicht eingefangen.
Die Zeile
Zitat:
krümelte uns kraftlos Worte entgegen
Geht einem mit dem so passgenauem krümeln richtig unter die Haut.

Kleine Kritik an der nächsten Zeile
Zitat:
und wir
fassten uns bei den Händen
Das erscheint mir irgendwie unrealistisch sich vor der Mutter an den Händen zu fassen. Es ist ja auch ein seltsames Signal an sie.

Insgesamt ein sehr nachdenklich stimmendes Gedicht

Viele Grüße
Andri
Andri ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.10.2021, 21:53   #4
männlich Hartwg
 
Dabei seit: 10/2021
Beiträge: 6

Hallo 4WS,

Danke für dein Feedback! Die Zeilen sind ohne konkreten Anlass entstanden. Ich denke, solche Abschiede sind häufig nicht nur mit Trauer, sondern eben auch mit Schuldgefühlen und Vorwürfen verbunden. Ich habe versucht, dieses Gefühlschaos nachzuzeichnen.
Hartwg ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.10.2021, 22:00   #5
männlich Hartwg
 
Dabei seit: 10/2021
Beiträge: 6

Zitat:
Zitat von Andri Beitrag anzeigen
Hallo Hartwg,


Kleine Kritik an der nächsten Zeile

Das erscheint mir irgendwie unrealistisch sich vor der Mutter an den Händen zu fassen. Es ist ja auch ein seltsames Signal an sie.

Viele Grüße
Andri

Hallo Andri, danke für das Lob! Mit der Kritik hast du recht, wenn ich so drüber nachdenke, ist das Bild so nicht
ganz stimmig. Mir ging es in dieser Zeile darum, die Hilflosigkeit der Kinder darzustellen. Aber stimmt, sich vor der Mutter an die Hände zu fassen wirkt etwas merkwürdig, muss noch mal drüber nachdenken....
Hartwg ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.10.2021, 11:24   #6
weiblich C.Alvarez
 
Benutzerbild von C.Alvarez
 
Dabei seit: 07/2006
Ort: Mauritius, stella clavisque maris indici
Beiträge: 4.889

Zitat:
Zitat von Andri Beitrag anzeigen
Insgesamt ein sehr nachdenklich stimmendes Gedicht
Mag sein Andri, was mich allerdings nachdenklich macht ist z.B. wie eine Hand fahl daliegen kann, wenn fahl sich doch ausschliesslich auf eine Lichtquelle bezieht.

Warum das Anbieten von Kuchen Schweigen unterstützt erschließt sich mir auch nicht.

Und das Menschen dastehen und mit klammern Worten schweigen erinnert mich nur an das "Dunkel war's der Mond schien helle" Gedicht.

Das sind so Sachen die nicht sein müssten, daher bin ich da nicht so begeistert von dem Text, aber vielleicht liegt das auch an mir. Ich mag's halt gerne präzise und nicht so "wie gewollt und nicht gekonnt".

Dir viele Grüsse, bin gespannt auf Deine nächsten Texte.

Corazon
C.Alvarez ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.10.2021, 22:39   #7
männlich Hartwg
 
Dabei seit: 10/2021
Beiträge: 6

Hallo Corazon,

Ich gehe mal auf die einzelnen Punkte ein, vielleicht gelingt es mir ja, das ein oder andere Missverständnis aufzuschlüsseln...



Zitat:
Zitat von C.Alvarez Beitrag anzeigen
Mag sein Andri, was mich allerdings nachdenklich macht ist z.B. wie eine Hand fahl daliegen kann, wenn fahl sich doch ausschliesslich auf eine Lichtquelle bezieht.
Das ist nicht korrekt, schau mal in ein gutes Wörterbuch (im Duden kannst du auch online reinschauen, wenn du keins zur Hand hast).

Zitat:
Zitat von C.Alvarez Beitrag anzeigen
Warum das Anbieten von Kuchen Schweigen unterstützt erschließt sich mir auch nicht.
Eine Möglichkeit, sich der Aussage und Bedeutung eines Gedichts zu nähern ist, sich mit dem verwendeten Sprachbild auseinanderzusetzen. In der von dir zitierte Zeile bringen die Kinder der Mutter Kuchen mit. Das Sterben der Mutter steht bedrohlich im Raum, aber die Konder wollen dies nicht ansprechen, stattdessen essen sie mit der Mutter Kuchen. Es geht also um Verdrängung, möglicherweise auch Angst und Scham.

Zitat:
Zitat von C.Alvarez Beitrag anzeigen

Und das Menschen dastehen und mit klammern Worten schweigen erinnert mich nur an das "Dunkel war's der Mond schien helle" Gedicht.

Das sind so Sachen die nicht sein müssten, daher bin ich da nicht so begeistert von dem Text, aber vielleicht liegt das auch an mir. Ich mag's halt gerne präzise und nicht so "wie gewollt und nicht gekonnt".
Nun ja... Lyrik ist Präzisionsarbeit. Es geht in einem Gedicht häufig (wenn nicht sogar immer) darum, eine Stimmung/Gedanken/Emotion usw. so präzise wie möglich zu beschreiben. In der Zeile "Schweigen jeder mit seinen klammen Worten" geht es mir darum, das Schweigen der Kinder am Grab der Mutter präzise darzustellen. Offensichtlich wird hier nicht aus Sprachlosigkeit geschwiegen, denn die Worte sind da, werden aber nicht ausgesprochen. Was könnte ein Grund dafür sein? Es handelt sich um "klamme Worte", es geht
womöglich um Schuldgefühle, um Dinge, die man vor den Geschwistern nicht aussprechen will, vielleicht sogar sich selbst nicht eingestehen kann.

Wie du siehst, geht es durchaus um Präzision, aber womöglich auf einer anderen sprachlichen Ebene als von dir erwartet.

Viele Grüße,
Michael
Hartwg ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.10.2021, 03:09   #8
weiblich C.Alvarez
 
Benutzerbild von C.Alvarez
 
Dabei seit: 07/2006
Ort: Mauritius, stella clavisque maris indici
Beiträge: 4.889

Guten Morgen Michael,
vielen Dank für deine ausführlichen Erläuterungen zu deinem Gedicht und meiner Kritik an diesem.
Ich habe mir die von dir genannten Punkte nochmal sehr genau angeschaut und denke dass du Recht hast, dass ich Gedichte auf einer anderen sprachlichen Ebene erwarte und möglicherweise die Botschaften in deiner Art sie rüberzubringen gar nicht erkenne. Ich weiss nicht ob das etwas mit abstraktem Denken zu tun hat, aber ich weiss dass ich damit ein grosses Problem habe, vielleicht hängt es damit zusammen.
Jedenfalls habe ich die Texte von dir zu oberflächlich gesehen und bin in die Tiefe deiner Texte kaum oder gar nicht eingedrungen, ich habe sie schlicht und einfach nicht wahrgenommen. Anscheinend erkenne ich nur das, was klipp und klar dasteht und habe Probleme damit die enthaltenen Assoziationen zu erkennen.
Man kann es auch einfacher ausdrücken: Deine sprachliche Ebene ist für mich zu komplex und zu kompliziert. Da das aber nun kaum dein Fehler ist werde ich mich künftig bei deinen Texten mit Kommentaren zurückhalten, ich möchte keinem eine negative Kritik schreiben, nur weil sein Sprachstil mir zu hoch ist.
Dir nochmal vielen Dank für dein sachliches und ausführliches Eingehen auf meine Kritik(en), es hat mir sehr geholfen.

Corazon
C.Alvarez ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.10.2021, 03:43   #9
weiblich Silver
 
Benutzerbild von Silver
 
Dabei seit: 08/2014
Beiträge: 1.020

Standard Hallo Hartwg,

da wird mir ganz klamm ums Herz. Ich möchte Dein Gedicht gar nicht aufbröseln, denn es wirkt im Ganzen sehr berührend auf mich. Du hast
den mit dem Verlust einhergehenden Schmerz für mich als Leser nachfühlbar skizziert.

Lieben Gruß Silver
Silver ist offline   Mit Zitat antworten
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abschied, schuld, tod

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