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Sprüche und Kurzgedanken Prosatexte, die einen Sachverhalt möglichst kurz und knapp schildern.

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Alt 04.10.2021, 23:45   #1
Kaguro
 
Dabei seit: 10/2021
Beiträge: 6

Standard Wenn ich ich wäre

Wär ich ich, dann würd ich zu dir sagen,
Lass mich nicht im Stich auch an dunkleren Tagen.
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Alt 05.10.2021, 08:21   #2
Ex-Fourwaystreet
Gast
 
Beiträge: n/a

Hi Kaguro

diese zwei Zeilen beinhalten soviel Wahrheit.

Wenn einer ganz bei sich wäre,
könnte er - beim Absinken in die Dunkelheit, die Aggression, die Vergangenheit, alles unerwünschten weiteren Gemütszustände - seinem Gegenüber oder dem Menschen, den er liebt, signalisieren:
Hej - es ist nur eine vorübergehende Erscheinung - Wolken am Gemütshimmel und nicht die ewigdauernde Sonnenfinsternis.

Dann würde das Gegenüber nicht seinerseits in einen Schwall aus Emotionen versinken, wie das ja so oft der Fall ist.

Das gilt nicht nur für Liebespaare, nicht nur für Paare, sondern für jegliche Kommunikation.

Ganze Dramen werden aus der Unfähigkeit zu sprechen des einen und aus der Unfähigkeit zu erkennen des anderen, geboren.

Ja. Weil ich aber nicht ich bin - nicht bei mir , kann ich es nicht kommunizieren, sondern kann nur hoffen, dass genügend Empathie in meiner Umwelt _ meinem Gegenüber vorhanden ist, um mich zu erkennen.

Sehr weise und einfache Worte

Viele Grüße

Fourwaystreet
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Alt 05.10.2021, 21:13   #3
Kaguro
 
Dabei seit: 10/2021
Beiträge: 6

Hey Fourwaystreet,

Danke für deine ausführlichen Gedanken und deine herzlichen Worte. Ich freue mich das du dem Gedicht etwas abgewinnen kannst. Du hast es sehr schön auf den Punkt gebracht wenn du sagst:

"Ganze Dramen werden aus der Unfähigkeit zu sprechen des einen und aus der Unfähigkeit zu erkennen des anderen, geboren."

Oft denken wir erst im Nachhinein daran, was wir alles hätten sagen können, wären wir im richtigen Moment bei uns - wir selbst gewesen.

Gruß, Kaguro
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Alt 05.10.2021, 21:46   #4
weiblich Ilka-Maria
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Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.080

Ich stehe lieber zu Martin Buber: "Der Mensch wird am Du zum Ich."

Menschen, die nur um sich selbst und in sich selbst kreisen, die nur mit ihrem Ich, Icher und am Ichesten befasst sind, haben wir schon im Überfluss. Menschen, dir "bei sich sind", sind nur für sich selbst da. Macht ja nix, solange sie niemanden sonst in Anspruch nehmen. Das muss man ihnen aber erst einmal beibringen, dass sie nichts zu verlangen haben.

Es soll nämlich oft der Fall sein, dass Hilfe in großer Not von Mitmenschen kommt, egal, ob es körperliche oder seelische Not ist.

Da weiß man doch zu schätzen, dass es nicht nur das Ich, sondern auch ein Du gibt.
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Alt 05.10.2021, 22:52   #5
Kaguro
 
Dabei seit: 10/2021
Beiträge: 6

Hey Ilka Maria,

Danke für deine interessanten Gedanken! Ich denke auch das Altruismus aus moralphilosophischer Perspektive erstrebenswerter ist als Egoismus. Leben wir nicht in einer Zeit in der genau das was du beschreibst immer mehr verloren geht? Ich denke Mitgefühl und Hilfsbereitschaft liegen im Wesen des Menschen, doch je mehr wir uns (nicht nur von uns selbst) entfremden, desto weniger sind wir in der Lage die Bedürfnisse von anderen wahrzunehmen und zu achten, und die eigenen zu vermitteln. Es war nicht meine Absicht das ich um sich selbst kreisen zu lassen, daher das lyrische du. Es hebt den Aspekt des Anderen erst hervor durch seine Abgrenzung zum nicht-Ich. "bei sich sein" kann durchaus mehrdeutig verstanden werden. Positiv verstanden könnte man auch sagen das es soviel bedeutet wie der wahren Natur seiner selbst gerecht zu werden, frei von gesellschaftlichen Normen und Zwängen, was einem unter Umständen erst ermöglich für andere da zu sein.

Gruß, Kaguro
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Alt 06.10.2021, 09:14   #6
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.080

Von Altruismus rede ich gar nicht, diese Haltung finde ich höchst verdächtig. Das Statement vieler Psychologen, dass wir in großen Teilen der Welt zu narzisstischen Gesellschaften geworden sind, kann man qber durchaus ernst nehmen. Das ist dem Kapitalismus und den damit verbundenen Mechanismen (unlimitiertes Wachstum, Schönheits- und Leistungsideologien, Propaganda wie Werbung und meinungsteuernde Medien) wahrscheinlich immanent.

Was Buber meint, gilt dennoch: Der Mensch kann sich nicht selbst erfahren, wenn er kein Du als Spiegel gegenüber hat. Erst durch die Resonanz lernt er, wer er selber ist. Gibt es kein Du, ist der Mensch also mutterseelenalein wie Robinson auf der Insel, geht er erst seelsich, dann körperlich kaputt. Das Ganz-bei-sich-sein hilft ihm also wenig, weil er auf alleinige Nabelschau nicht angelegt ist. Robinson war nicht einmal ein Papagei genug, um das Defizit des Mangels an menschlicher Gesellschaft auszugleichen. Er fing einen Kannibalen ein und machte ihn zu seinem Kameraden, obwohl dieser ein gefährlicher Feind hätte sein müssen, aber für ein Du ging Robinson das Risiko ein. Defoe, der Autor der Geschichte wusste genau, worüber er schrieb.
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Alt 10.11.2021, 19:02   #7
männlich Luigi B
 
Dabei seit: 08/2021
Ort: München
Beiträge: 124

Standard Hallo Kaguro

Den Begriff "bei sich sein" mag ich überhaupt nicht, soll "nicht bei sich sein" denn ein Alibi für alle Unterlassungen und begangenen Fehler sein?
Gruß
Luigi B
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