Neubeginn

[Ilka-Maria]

Die Welt versank mit Blitz und Krachen
und Dröhnen, das mich beben ließ,
der Sturmwind pfiff, mir bang zu machen,
das Lied vom toten Paradies.

Wohin ich meine Blicke schickte,
zerfiel das Mauerwerk zu Splitt,
und wo ein Baum mir freundlich nickte,
riss der Orkan ihn fühllos mit.

Doch einen Tag nach dem Gewitter
entließ die Angst mich aus der Haft:
War die Verwüstung noch so bitter,
ich hatte dennoch Saft und Kraft.

Es kostete mich ein paar Wochen,
dann war ich wiederhergestellt,
mein Herz verfiel in sanftes Pochen
im Wissen: Du warst nicht die Welt.

25.06.2021

[Ex-petrucci]

Dieses Werk gefällt mir sehr.

In der letzten Zeile soll es sicher heißen: „denn (ich) wusste“ oder?
„ich wusste: Du warst nicht die Welt“ würde meinem Empfinden nach besser passen.

:-)

[Ilka-Maria]

Nein, nicht das Lyrische Ich, sondern das Herz wusste es. Deshalb konnte es wieder ruhig pochen. Das Unbewusste weiß immer mehr als das Ich. Es könnte also auch heißen: "... denn es wusste ...". Aber das "es" ist hier entbehrlich.

Bei deiner Version bräche der Rhythmus zusammen.

[Ex-petrucci]

Alles klar.

Bei meiner Version bräche das Metrum zusammen?

ich wusste du warst nicht die welt

xXxXxXxX
vier hebig, männliche Kadenz, jambisch

[Ilka-Maria]

Zitat von petrucci

ich wusste du warst nicht die welt

xXxXxXxX
vier hebig, männliche Kadenz, jambisch

Das ist ja nicht der ganze Vers, nur ein Teil davon. Du musst den ganzen Vers metrisch sehen, und du hattest zunächst das "denn" dringelassen.

Bei mir ist das Herz im den beiden letzten Versen das Subjekt, nicht das Lyrische Ich. Das ist ja gerade das Besondere.

Okay, gehen wir vom Lyrischen Ich aus: "Ich wusste: ..."

Dann taucht automaitsch die Frage auf: "Wieso erst jetzt? Warum hat das Lyrische Ich es nicht schon vorher gewusst?"

Es hätte also des besseren Verständnisses wegen dann heißen müssen: "Jetzt wusste ich: ...".

Passte aber alles nicht. Deshalb habe ich mich auf das Herz als Subjekt verlegt.

[Ex-petrucci]

Okay. Danke für die Antwort.

Also…

Mein Herz, es wusste, du warst nicht die Welt.

Alles klar.

[Ilka-Maria]

Trotzdem danke für die Diskussion. Das öffnet die Augen für die Feinheiten, vor allem für die Lesegewohnheiten der Rezipienten. Darüber kann man nicht genug erfahren.

[Ex-Ralfchen]

Zitat von Ilka-Maria

Trotzdem danke für die Diskussion. Das öffnet die Augen für die Feinheiten, vor allem für die Lesegewohnheiten der Rezipienten. Darüber kann man nicht genug erfahren.

Das lässt einen fast den Verdacht schöpfen, dass die leser die Gedichte so beurteilen Wie ihre Lese Gewohnheiten es zulassen. Damit wird unter Umständen ein gutes Gedicht verschlechtert – natürlich nur im Kopf des Lesers aber ich kann auch dazu führen dass die Textende Person etwas verunsichert wird. Könnte das bedeuten dass die vielen katastrophalen Texte die wir hier jetzt jeden Tag bekommen eigentlich die besten Texte sind und wir einfach nur schlechte Leser?

[Ilka-Maria]

Ralfchen, dein fast tägliches Mosern über katastrophale Texte ist nervig und hat nie etwas mit dem Faden zu tun, in dem du dein Gemaule ablässt. Warum nimmst du nicht einfach zu dem Text spezifisch Stellung und ersparst uns deine täglichen Murmeltiergrüße?