Tolerante Gesellschaft?! bei Poetry.de

Angelsdaughter · 09.06.2015, 13:47

Vater, Vater, Kind
Jeder dreht sich
Jeder spricht
Alle tuscheln

Mutter, Mutter, Kind
Jeder dreht sich
Jeder spricht
Alle tuscheln

Vater, Mutter, Kind
Niemand dreht sich
Niemand spricht
Niemand tuschelt

Welchen Unterschied sehen sie
den ich nicht sehe??

Stachel · 09.06.2015, 14:06

Hallo Angelsdaughter,

was für eine Überraschung. Die stark monotone Struktur hat mich zuerst abgestoßen. Ich fand sie unsinnig, stupide, eintönig.
Erst in den letzten beiden Versen kam ein Wechsel. Danach dauerte es noch ein wenig Grübelzeit, bis ich begriff, dass die Eintönigkeit das elementare Stilmittel in deinem Gedicht ist.

Es thematisiert Toleranz gegenüber Homosexualität.
Jeder erste Vers einer Strophe gibt die betrachtete Konstellation vor, bei S1 und S2 je ein "Homo"-Paar mit Kind. S3 stellt ein "Hetero"-Paar mit Kind dar. Der einzige Unterschied zwischen den Strophen ist der Tausch der Versanfänge (je 2-4) "Jeder/Alle" gegen "Niemand". Bei den "Homo"-Paaren wenden sich alle anderen ab und tuscheln über jene, bei den "Heteros" hingegen nicht. Alles ist normal.

Und genau diese erste Empfindung von mir, "unsinnig, stupide, eintönig", ist es, die du der Gesellschaft als Spiegel für ihr Verhalten vorhalten möchtest.

Das ist dir verblüffend gut gelungen und zeigt die mögliche Kraft in einem Formsatz-Gedicht (so würde ich es zumindest nennen wollen, denn der Form des Textsatzes kommt eine entscheidende Bedeutung zu).

Du hast einen Favorit erschaffen und ein interessantes Lehrstück.

Freundliche Grüße vom
Stachel

Dshui · 10.06.2015, 15:57

Hallo Angelsdaughter,

sehr stark!!! Stimme ich Stachel definitiv zu.
Mit einfacher Struktur und wenigen Wörtern wunderbar umgesetzt!
bin beeindruckt

LG
Dshui

Angelsdaughter · 12.09.2015, 14:09

Hallo ihr beiden

Vielen dank für eure netten Worte! Mich freut vor allem, dass
ihr genau erkannt habt, was hinter der Struktur meines Gedichts steckt.

Grüße Angelsdaughter

Richard L. · 13.09.2015, 18:37

Ich finde es beeindruckend, wie konzentriert das gearbeitet ist. Hier gibst Du uns den Feldstecher in die Leserhand! Und wir richten ihn auf unsere ach so tolerante Gesellschaft! Ganz schön cool finde ich das!
LG

P.S: Hierbei fände ich die Überlegung interessant, diesen Text mit durchgehender Interpunktion zu versehen und die Groß- und Kleinschreibung dementsprechend anzupassen. Die Wirkung ginge ja nicht verloren und schöner zu lesen wäre es auch. Was denkst Du darüber?
LG

Angelsdaughter · 13.09.2015, 18:41

Vielen Dank für deine netten Worte

Die Idee finde ich ziemlich gut, bin aber leider nicht drauf gekommen

Ganz liebe Grüße

Angelsdaughter

Richard L. · 13.09.2015, 18:47

Tolerante Gesellschaft?!

Vater, Vater, Kind.
Jeder dreht sich,
jeder spricht,
alle tuscheln.

Mutter, Mutter, Kind.
Jeder dreht sich,
jeder spricht,
alle tuscheln.

Vater, Mutter, Kind.
Niemand dreht sich,
niemand spricht,
niemand tuschelt.

Welchen Unterschied sehen sie,
den ich nicht sehe??

09.06.2015, 13:47	#1
Angelsdaughter Dabei seit: 06/2015 Ort: Die wunderschöne Pfalz :D Alter: 24 Beiträge: 49 Meine Gedichte Meine Favoriten	Tolerante Gesellschaft?! Vater, Vater, Kind Jeder dreht sich Jeder spricht Alle tuscheln Mutter, Mutter, Kind Jeder dreht sich Jeder spricht Alle tuscheln Vater, Mutter, Kind Niemand dreht sich Niemand spricht Niemand tuschelt Welchen Unterschied sehen sie den ich nicht sehe??

13.09.2015, 18:41	#6
Angelsdaughter Dabei seit: 06/2015 Ort: Die wunderschöne Pfalz :D Alter: 24 Beiträge: 49 Meine Gedichte Meine Favoriten	Hi Richard Vielen Dank für deine netten Worte Die Idee finde ich ziemlich gut, bin aber leider nicht drauf gekommen Ganz liebe Grüße Angelsdaughter

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09.06.2015, 14:06	#2
Stachel Dabei seit: 03/2015 Ort: Niederrhein Beiträge: 954 Meine Gedichte Meine Favoriten	Hallo Angelsdaughter, was für eine Überraschung. Die stark monotone Struktur hat mich zuerst abgestoßen. Ich fand sie unsinnig, stupide, eintönig. Erst in den letzten beiden Versen kam ein Wechsel. Danach dauerte es noch ein wenig Grübelzeit, bis ich begriff, dass die Eintönigkeit das elementare Stilmittel in deinem Gedicht ist. Es thematisiert Toleranz gegenüber Homosexualität. Jeder erste Vers einer Strophe gibt die betrachtete Konstellation vor, bei S1 und S2 je ein "Homo"-Paar mit Kind. S3 stellt ein "Hetero"-Paar mit Kind dar. Der einzige Unterschied zwischen den Strophen ist der Tausch der Versanfänge (je 2-4) "Jeder/Alle" gegen "Niemand". Bei den "Homo"-Paaren wenden sich alle anderen ab und tuscheln über jene, bei den "Heteros" hingegen nicht. Alles ist normal. Und genau diese erste Empfindung von mir, "unsinnig, stupide, eintönig", ist es, die du der Gesellschaft als Spiegel für ihr Verhalten vorhalten möchtest. Das ist dir verblüffend gut gelungen und zeigt die mögliche Kraft in einem Formsatz-Gedicht (so würde ich es zumindest nennen wollen, denn der Form des Textsatzes kommt eine entscheidende Bedeutung zu). Du hast einen Favorit erschaffen und ein interessantes Lehrstück. Freundliche Grüße vom Stachel

10.06.2015, 15:57	#3
Dshui Dabei seit: 06/2015 Ort: Ramsau bei BGD Alter: 30 Beiträge: 26 Meine Gedichte	Hallo Angelsdaughter, sehr stark!!! Stimme ich Stachel definitiv zu. Mit einfacher Struktur und wenigen Wörtern wunderbar umgesetzt! bin beeindruckt LG Dshui

12.09.2015, 14:09	#4
Angelsdaughter Dabei seit: 06/2015 Ort: Die wunderschöne Pfalz :D Alter: 24 Beiträge: 49 Meine Gedichte Meine Favoriten	Hallo ihr beiden Vielen dank für eure netten Worte! Mich freut vor allem, dass ihr genau erkannt habt, was hinter der Struktur meines Gedichts steckt. Grüße Angelsdaughter

13.09.2015, 18:37	#5
Richard L. Dabei seit: 11/2014 Alter: 53 Beiträge: 1.592 Meine Gedichte Meine Favoriten	Ich finde es beeindruckend, wie konzentriert das gearbeitet ist. Hier gibst Du uns den Feldstecher in die Leserhand! Und wir richten ihn auf unsere ach so tolerante Gesellschaft! Ganz schön cool finde ich das! LG P.S: Hierbei fände ich die Überlegung interessant, diesen Text mit durchgehender Interpunktion zu versehen und die Groß- und Kleinschreibung dementsprechend anzupassen. Die Wirkung ginge ja nicht verloren und schöner zu lesen wäre es auch. Was denkst Du darüber? LG

13.09.2015, 18:47	#7
Richard L. Dabei seit: 11/2014 Alter: 53 Beiträge: 1.592 Meine Gedichte Meine Favoriten	Tolerante Gesellschaft?! Vater, Vater, Kind. Jeder dreht sich, jeder spricht, alle tuscheln. Mutter, Mutter, Kind. Jeder dreht sich, jeder spricht, alle tuscheln. Vater, Mutter, Kind. Niemand dreht sich, niemand spricht, niemand tuschelt. Welchen Unterschied sehen sie, den ich nicht sehe??