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Alt 12.12.2016, 23:13   #1
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Standard 20. Kapitel Urlaub in Jena

Die Sonne stand tief, blendete mich, aber die Autobahn Richtung Hermsdorfer Kreuz und Jena war so gut wie leer und nach knapp anderthalb Stunden hatte ich die Holperstrecke bis zum Hermsdorfer Kreuz hinter mich gebracht.
Aus östlicher Richtung blies ein heftiger Wind, den Himmel verdunkelten regenschwangere, düstere Gewitterwolken und ein erstes Wetterleuchten verkündete, dass es angeraten schien, das Schiebedach zu schließen, das Licht einzuschalten und, nach den ersten Tropfen, den Scheibenwischer in Gang zu setzen. Der Regen trommelte, steigerte sich zum Rauschen, die Scheibenwischer schafften es selbst in der höchsten Stufe nicht mehr, die Scheibe sauber zu halten. Vor mir ein Lkw, der ganze Schlammlawinen auf mein Auto schleuderte, also - rechts ran, Warnblinkanlage an, Motor aus. Die Blitze wurden mehr und größer, das Donnergrollen veränderte die Tonart und es krachte, als solle die Welt untergehen. Ich liebe Gewitter! Nein, das ist keine dem Schicksal schuldige Ironie - ich liebe Gewitter wirklich! Um das Naturschauspiel richtig zu genießen - Kassettenbox auf, die Fünfte von Beethoven ins Kassettenfach, Radio auf volle Lautstärke - wow! - das kam gut!
Blitz - eins, zwei, drei, vier - kawumm, der Donner. Vier Sekunden multipliziert mit der Schallgeschwindigkeit (der Einfachheit halber; Vier mal 300 m/sec - das Gewitter war noch über einen Kilometer entfernt). Es „drööschte“ (regnete für Nicht-Thüringer) aus allen Richtungen. Die Abstände zwischen Blitz und Donner wurden kleiner, der Donner folgte dem Blitz fast gleichzeitig; mir war, als würde der Regen beim Blitz immer kurz Atem holen, um nach dem Donner umso stärker nieder zu prasseln. Die Fünfte näherte sich dem Ende, das Gewitter zog westwärts und ich konnte meine Fahrt fortsetzen. Nach einer guten halben Stunde war ich vor der Wohnung meiner Verwandten angekommen, fast gleichzeitig mit der Gewitterfront. Eine kleine Regenpause abgewartet und hurtig mit einem Satz die vier abwärts führenden Stufen genommen und ich stand unter dem kleinen Vordach. Klingeling - Gerhard öffnet die Tür - in dem Moment ein mächtiger Blitz und Sekundenbruchteile später ein schmetternder Donnerschlag, dass man glauben konnte: Jetzt ist alles aus! Gerhard brüllt ins Haus hinein: „Heinzi ist gerade angekommen!“ Zurück schallt es aus Ursels Mund: „Ja, das habe ich gerade gehört.“ Meiner Selbstdarstellung war das förderlich und ich bestärkte Ursels Ahnung: „Ja! Das Leben eines Grenadiers ist kurz - aber gewaltig!“ (Ich nehme an, dass meine Verwandten das seit diesem martialischen Donnerschlag wissen).
Bei einem Kaffee und (ich hatte vorgesorgt) einem „Achtamar“, einem 20 Jahre in kaukasischer Eiche gereiften, armenischen Cognac (heute darf er aus urheberrechtlichen Gründen „nur“ noch Brandy genannt werden), warteten wir das Ende des Gewitters ab - es wurde bald heller und, pardautz! auf einmal war die Sonne wieder am Himmel zu sehen.
Ich ging raus, um mein Auto abzuschließen und sehe links vom Hausberg (auf dem der Fuchsturm steht) einen farbenprächtigen Regenbogen. „Kommt mal raus - ein Regenbogen!“
Es war nicht das erste Mal, dass ich einen Regenbogen gesehen hätte - aber so einen noch nie!
Ein riesiges Oval war am Himmel zu sehen, ein Naturwunder, wie ich es später noch zweimal gesehen (also auch genug Augenzeugen aufbieten kann) habe. Gerhard zischte die Straße rauf - 100 Meter weiter wohnte sein Bruder, mein Onkel Horst mit seiner Frau, die Nachbarn wurden heraus geklingelt und mir fiel wieder einmal der Nina-Hagen-Song ein: „Du hast den Farbfilm vergessen...!“ Vergessen hatte ich ihn nicht, aber voll war er. Schade!
In der Parallelstraße bergabwärts - Blaulicht. Zwei Fahrzeuge, eins der Feuerwehr, das zweite Volkspolizei. „Mensch! Ob da der Blitz eingeschlagen ist?“ Die rhythmisch blinkenden Lichter ließen Gerhard vermuten: „Da hats bestimmt bei der Renate eingeschlagen.“ Es stellte sich bald heraus, die besagte Renate war heil geblieben, aber vor ihrem Haus sind zwei Pkw ineinander gerasselt. Mir kam diese Renate bekannt vor und ich fragte: „Was ist das für eine Renate?“ Nun - ich lernte einen Weltstar kennen: Renate Stecher, die vor etwa einem Jahr als erste Frau der welt die 100 Meter unter 11 Sekunden geschafft hatte.
(Ich greife vor: 2 Jahre später war sie Olympiasiegerin (ich darf doch wohl stolz auf eine Thüringerin sein?), ich fuhr zu dem Empfang des Olympia-Teams, den der Oberbürgermeister Jenas zur Ehre der Olympioniken (zu der auch Marlies Göhr, „leider“ eine gebürtige Sächsin, die als zweite Frau die 11 Sekunden unterboten hat). Ich hatte recht hübsche Fotos von den beiden gemacht (im Vertrauen: Die Marlies - die war die Schnuckligere von beiden) und mein Onkel: „Die bringste der Renate mal runter.“ Ich war bass erstaunt, wie einfach es war, zuerst mit Renate Stecher ins Gespräch zu kommen, selbstgebackenen Mohnkuchen bei ihr mit einer Tasse Kaffee serviert zu kriegen. Bei ihr und später bei Marlies Göhr habe ich auch meine Autogramme bekommen und ich stelle mir vor, wie problematisch das bei den bundesrepublikanischen Stars gleicher Größenordnung gewesen wäre).
Aber zurück zu dem Regenbogen, der sich nach 20 Minuten allmählich auflöste, weg von der Unfallstelle - bis auf den Blech- und Pappeschaden war nichts passiert - und ab ins Gartenhaus. „Morgen treffen wir uns im Fuchsturm - abends um sechse!“
Die warme Dusche gab mir an diesem Abend den Rest. Ich fiel ins Bett wir ein Sandsack, hörte noch ein bisschen Musik und bin dabei weg gedämmert.
Bis:

Leise Schritte weckten mich;
Elfenstimmchen, kaum zu hören,
flüstern heimlich Zauberworte: :
Komm mit uns, wir führen dich,
komm, lass dich von uns betören,
folge uns zu jenem Orte,
wo die Regenwürmer lustig springen,
Frösche froh und heiter Lieder singen,
Kontrabässe wie Tenöre klingen,
süß des Mannes Spermien immer schmecken,
flotten Schrittes alle Weinbergschnecken
Walzer tanzen, wilde Hummeln necken,
Papillons an süßen Fötzchen lecken,
Mädchen ihren Busen nie bedecken.
Ganz versteckt stehn da drei hübsche Bäumchen,
eins mit Äpfeln, eins mit reifen Pfläumchen,
Feigen trägt der dritte grün belaubte Baum.
Plötzlich aufgeschreckt aus diesem schönen Traum,
Stell ich fest - es war ja nur ein feuchtes Träumchen.
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