Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 26.10.2006, 22:22   #1
tempestrider
 
Dabei seit: 10/2006
Beiträge: 39


Standard Offene Frage

Tempests Geschichte des Tages:

Ein leises Rauschen im linken Ohr, zunächst unlokalisiert, dann immer klarer aus dem Inneren des Kopfes. Immer lauter das Pochen des eigenen Herzens. Dann der Schwindel. Diese Eindrücke verändern in einem Augenblick Martins Leben, und doch wird er sich schon in ein paar Stunden nicht mehr daran erinnern. Im Moment denkt er, dass es Hallus sind, irgendwas mit dem Koks, und da liegt er fast richtig. Es ist ein Schlaganfall, und in wenigen Minuten wird Martin zum letzten Mal in seinem Leben einen selbständigen Schritt machen. In wenigen Monaten, wenn er den ersten Teil der Reha hinter sich hat, wird er sich das Leben nehmen. Auf meine Fragen, ob er irgendwas anders machen würde, wenn er sein Leben noch mal zu leben hätte, habe ich bis zu diesem Zeitpunkt keine Antwort erhalten.
Jedenfalls macht er diesen letzten selbständigen Schritt, stellt sich vor seinen Chefsessel – der eigentlich in sein Arbeitszimmer gehört, aber da an diesem Abend alle Sitzgelegenheiten gebraucht werden zusammen mit den Stühlen aus dem Esszimmer um den schwarzen Couchtisch steht – und beginnt, mit Robbie Williams zu singen.

„… Me smoke heavy tar
Me be groovin' slowly where you are
Notify your next of kin
'Cause you're never coming back …”

Er tanzt auf der Stelle, hauptsächlich mit Hüften und Schultern. Seine Gäste, die gegen seine und Robbies Lautstärke kein Gespräch mehr führen können, drehen ihm einer nach dem anderen die Gesichter zu, aber er nimmt es gerade nicht wahr. In seinen Schläfen pocht es nicht mehr, es sticht, und er versucht mit aller Gewalt, seinen Rausch vor dem Abgleiten zu bewahren. Noch hat er Spaß.

„…Take a ride – yeah!
You'll be doin' it all right
Jump on board feel the high
'Cause the kids are alright“

Er verdreht Silben, aber es fällt ihm erst auf, als aus „are alright“ ein unabsichtliches „arelarala“ wird. Ich greife nach seinem linken Unterarm, um ihn auf den Sessel zu ziehen, aber der Impuls ist schon zu viel für ihn. Er kippt nach der Seite um, nicht wie ein Sandsack, eher wie ein gefoulter Stürmer, und er fängt den Sturz auch nicht mit dem Arm ab – er versucht nur, sich mit rechts an mir festzuhalten. Während er an mir vorbei fällt, sehe ich sein Gesicht, das gerade sämtliche Symmetrie verloren hat. Ein paar von seinen dämlichen Freunden kichern darüber, dass der Martin es wohl etwas übertrieben hat, und ich habe zum ersten Mal die Ahnung, dass dieser Abend das Ende von etwas sein wird.

Ich habe nie Koks genommen, und alles, was ich davon habe, ist, dass ich meine Freunde sterben sehen darf. Ich weiß auch nicht mehr, wie ich die Frage beantworten würde.
Bin mal wieder sehr auf Eure Meinungen gespannt.

Grace!

Tempestrider
tempestrider ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.10.2006, 10:17   #2
*mika*
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 21


Hallo Tempestrider,

ich bin sprachlos. Die Geschichte nimmt einen ziemlich mit. Na ja, also mich jedenfalls.
Ich persönlich hab keine Erfahrungen mit Drogen, der Freund meiner besten freundin wäre vor ein paar Monaten jedoch fast an ihnen zu Grunde gegangen.
Deine Geschichte hat mich deshalb wieder an den Vorfall erinnert.

Trotzdem, mir gefällt sie sehr gut!

Lg *mika*
*mika* ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.10.2006, 10:32   #3
tempestrider
 
Dabei seit: 10/2006
Beiträge: 39


Hallo *mika*,

tut mir leid, dass Dich die Geschichte so persönlich trifft. Sie ist aus meiner Sicht nicht wirklich autobiografisch - ich habe zwar Leute an solchen Dingen eingehen sehen, aber es waren keine Freunde.
Insofern habe ich (etwas naiv, zugegeben) mir auch nicht wirklich Gedanken gemacht, dass das jemand anderem eben anderss gehen könnte.

Sorry.

Ich habe leider noch nicht herausgefunden, wie man nachträglich einen Trigger - Marker setzt (falls das nachträglich überhaupt geht). Aber sobald ich das weiß, mache ich es.

War ganz bestimmt nicht meine Idee, jemanden damit zu verletzen.

Danke für Dein Feedback.

Gruß

Tempestrider
tempestrider ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.10.2006, 10:41   #4
*mika*
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 21


Hey,

muss dir nicht leid tun!
Passiert ist passiert und wirklich gekannt hab ich ihn nicht. Nimmt einen nur immer ziemlich mit wenn im eigenen Freundeskreis so was passiert. Man denkt immer, dass sowas jedem nur nicht einem selbst passieren kann und dann ist es halt doch so und man wird mit der harten Realität konfrontiert.

Ich find deine Geschichte nach wie vor gut!

Und ich kenne das. Etwas schreiben und nicht wirklich darüber nachdenken, dass es ja Leute geibt, die das erlebt haben! Ist bei zwei meiner Geschichten genauso. Na ja, aber ich denke, darauf kommt es auch nicht an. Hauptsache man steht zu dem was man scheibt!

LG *mika*
*mika* ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.10.2006, 14:14   #5
tempestrider
 
Dabei seit: 10/2006
Beiträge: 39


Hallo *mika*,

Dann nehme ich den Umstand, dass sie Dir gefällt einfach mal als ein positives Feedback.
Und der Trigger ist mittlerweile auch gesetzt (danke an cute_fighter).

Ich wäre Dir dankbar, wenn Du noch etwas mehr dazu schreiben würdest - kann aber natürlich nachvollziehen, wenn Dir nicht danach sein sollte...

So oder so jedenfalls vielen Dank!

Grüße

Tempestrider
tempestrider ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.10.2006, 20:02   #6
*mika*
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 21


Hey

zur Geschichte? Sory, steh gerade etwas aufm Schlauch...wozu soll ich noch mehr schreiben?

LG *mika*
*mika* ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.10.2006, 20:20   #7
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007


Also sprachlich gefällt mir das wirklich sehr. Die guten Beschreibungen machen den Text fast aus - er wäre ohne sie sehr platt, denn der eigentliche Inhalt ist vergleichsweise kurz.

Aber der Potagonist kommt mir etwas zu brav rüber. Man erfährt natürlich nicht viel über ihn, bis auf die Tatsache, dass er nicht kokst (also "brav" ist) und mehr von ihm zu wissen, ist hier gar nicht nötig.
Nur das Brave und dazu noch das Allwissende - das finde ich etwas unheimlich. Es ist tatsächlich eine etwas seltsame Mischung aus personalem und Ich-Erzähler, die erstaunlicherweise nicht befremdet. Man denkt sich, er kann es vielleicht genau nachvollziehen, weil er selbst in der Szene ist. Aber dann heißt es, er hätte selbst nie gekokst - mh. Wie kann er es dann wissen?

Aber die Sprache - ja super. Die begeistert mich.

Oh, und dann erwarte ich einen Schlusssatz und stattdessen steht da "Bin mal wieder sehr auf Eure Meinungen gespannt." Vielleicht lieber abtrennen mit
------------------------------------------------------------------------------------------------------
oder
__________________________________________________ ________

oder anderen Mätzchen, um weiterer Verwirrung vorzubeugen.
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.10.2006, 23:50   #8
tempestrider
 
Dabei seit: 10/2006
Beiträge: 39


... ich dachte, Verwirrung sei Dein Normalzustand

Ernsthaft: Danke mal wieder für die Analyse (auch wenn sie sich diesmal weniger von meiner unterscheidet als sonst).

Ciao

Tempestrider
tempestrider ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Offene Frage




Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.