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Alt 11.01.2007, 23:13   #1
Mugen
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 28


Standard Das Ende des Regens

Regenschwangere Gewitterwolken schoben sich wie schwarze Türme über der Basler Innenstadt zusammen als Said das Büro der Einwanderungsbehörde verliess.
Tunesier sei er, der Beamte vom Tribunal der Tunesischen Botschaft war sich ganz sicher.
„Sie sehen genau so aus und sie sprechen die Sprache” hatte er gesagt - dreimal sogar.
Die Wolkenberge begannen ihre nasse Ladung auszukippen, Said schaffte es gerade noch unter das schützende Dach der Bushaltestelle.

Nächste Woche werde er ausgeschafft, hatten sie ihm gesagt. Nach Tunesien, in seine neue Heimat.
Er solle Nothilfe beantragen, die gebe es in Riehen auf der anderen Seite der Stadt.
Der Regen trommelte in dicken Tropfen auf das Plexiglasdach der Bushaltestelle. Said fischte seinen Walkman aus der Jackentasche und drückte auf „Play“, dann zog den Kopfhörer an. Der Bass pumpte und Tupac rappte „I see no changes wake up in the morning and I ask myself. Is life worth living should I blast myself?“
Der Bus rollte heran und kam quietschend zum Stehen.
„I see no changes all I see is racist faces misplaced hate makes disgrace to races“ Tupac rappte weiter während er einstieg.

Kleine Rinnsale liefen die Scheibe entlang als der Bus an Fahrt gewann. Hinter ihm unterhielten sich zwei ältere Damen, scheinbar unbeschwert. Der ganze Bus war voll von unbeschwerten Menschen die über Mittag nach Hause fuhren. Unbeschwerte Menschen die in den Ferien vermutlich nach Tunesien fuhren in ein Luxushotel am Mittelmeer.

„Hauptbahnhof, Endstation“. Die Durchsage holte Said aus seinen Gedanken. Am Hauptbahnhof solle er umsteigen hatten sie gesagt. Der 6er wartete bereits als er ausstieg.
Was ihn wohl in Tunesien erwartete, in einem Land in dem er niemanden kannte und in dem ihn niemand kannte. Er wusste es nicht.
„Da könne man nichts machen, ohne Papiere“ hatten sie gesagt.
Die Türen des 6ers schlossen sich mit einem Hydraulischen Zischen und der Fahrer stieg aufs Gas. Die Regenwolken gaben noch ein letztes Mal alles doch die Wassermassen verloren den Kampf gegen die Kanalisation.
Hunger, Krieg Perspektivlosigkeit. Das lag hinter ihm. Oder doch schon wieder vor ihm?

„And as long as I stay black I gotta stay strapped and I never get to lay back“ Tupac beendete seinen Part, das Piano setzte ein und der beat verklang langsam. „Thats just the way it is“ der Refrain wiederholte sich.
Said hatte seinen Traum aufgegeben. Den Traum vom reichen Europa.

„Bitte alle Billette vorweisen“ die Aufforderung kam von einem untersetzten, uniformierten Mann im hinteren Abteil.
An der nächsten Station stieg Said aus, der Regen liess nach und er blickte sich um.
Eine Baustelle. Auf einem Plakat stand in riesigen Lettern „UBS“ und darunter war ein in cartoonfarben gedrucktes Modell der entstehenden Bürolandschaft zu sehen.

Mehrere Kräne ragten wie überdimensionierte gelbe Kreuze zwischen den mit Stahlstangen gespickten Betonklötzen hervor, sie standen still, es war Mittagspause.
Die Kassette war zu Ende, schnell wechselte er die Seite. Es knisterte kurz und Promoe setzte ein. „inside the fortress of fine ass we appreciate the less fortunate smile as long as she looked high class“ Die aggressive Hip Hop Musik hob seine Stimmung. Er beschloss auf einen der Kräne zu steigen, von da aus würde man ihn schon sehen. Er ging vorbei am „Bei - Unfällen - wird - jede Haftung – ausgeschlossen“ Schild und betrat die Baustelle. Auf dem dritten Tritt der Metallleiter des Krans hielt er kurz inne,
„fort Europa my so called eutopia where i cant find no culture feel the walls getting closer and closer and closer“
Promoe schrie den Chorus ins Mikrofon. Den Rest des Aufstiegs nahm Said nicht mehr richtig war.

Ganz oben zu stehen fühlte sich befreiend an,
bis er nach unten sah. Das Schwindelgefühl liess das Geschehen am Boden leicht verschwimmen, offenbar war die Mittagspause zu Ende. Said nahm den Kopfhörer ab und klammerte sich an die Metallstreben, des Lastkrans. Unter ihm wurde es laut, die Bauarbeiter hatten ihn bemerkt. Sie gestikulierten wild und einige eilten auf den Kran zu.
Sollte er springen? Said blickte nach unten, gegen das Leben zu kämpfen war schwer, er verlor den Kampf schon bevor er begonnen hatte. Die folgenden Minuten kamen ihm wie Stunden vor. Er hatte keine trockene Stelle mehr am Körper und ihm fror.

Die Polizei fuhr mit mehreren Streifenwagen vor und kurz darauf stiegen zwei Beamte im Eiltempo die Leiter hinauf. Er solle es nicht tun, riefen sie. Es gebe für alles eine Lösung, er solle erst einmal runterkommen. Said wollte nicht springen, doch er wollte auch nicht runter. Er klammerte sich an das letzte bisschen Freiheit das ihm noch blieb. Die Beamten kamen noch etwas näher und hielten ihn schliesslich fest.
Sie redeten weiter auf ihn ein bis ein Fahrzeug mit Leiterkorb das Trio vom Kran holte. Endlich hörte der Regen auf.

Am nächsten Tag gab es einen Artikel darüber in der Zeitung,
in „Kurz Notiert“.
Mugen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.02.2007, 22:02   #2
Elke K
 
Dabei seit: 03/2006
Beiträge: 31


Respekt!
Eine toll geschriebene Geschichte über ein wichtiges Thema.
Mich wundert, dass sie bisher keinen Kommentar wert war.

Mir gefällt ganz besonders dein Erzählstil. Du hast die Athmosphäre des Regentages dicht mit dem Schicksal des Protagonisten verwoben.
Das schafft eine authentische, bildhafte Stimmung.

Danke für dieses Leseerlebnis. Fast fühlte ich die kalten Schauer und sah die im Wind schwankenden Kräne.
Elke K ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.02.2007, 01:00   #3
Mugen
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 28


Danke für die netten Worte, habe sie erst jetzt gelesen da ich länger nicht mehr hier unterwegs war.

LG Mugen
Mugen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.02.2007, 09:12   #4
apnoe
 
Dabei seit: 01/2007
Beiträge: 785


Standard RE: Das Ende des Regens

hi,mir hat deine geschichte auch getaugt,obwohl ich den kurzgeschichtencharakter durch einen offeneren schluss betont hätte.außerdem sind mir,als altem rechtschreibpitzler ein paar fehler,tippfehler, aufgefallen..
werde mal anführen:1.absatz verließ,2.abs. zum Stehen,3.abs.nächsten Station und ließ nach,8.abs.würde man,9.abs ließ und folgenden Minuten und wenn du nie Beistriche machst,würde ich ihn dort auch weglassen.10.abs. das letzt bisschen Freiheit.
ich hab schnell gelesen und einarmig geschrieben,ersteres zur erklärung,warum ich vielleicht trotzdem was überlesen habe,zweiteres zur erkl.warum alles klein geschrieben ist von der rechtschreibpitzlerin.
guter stil,gutes thema.
nfu,lg,epona
apnoe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.02.2007, 13:50   #5
Mugen
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 28


Danke für Lob und Kritik Epona.
Die Geschichte basiert auf einem Zeitungsartikel Darin stand, dass ein 33 jähriger Tunesier auf einen Kran einer Grossbaustelle kletterte und erst mit Hilfe eines Korbes durch die Polizei heruntergeholt werden konnte.
Ich konnte das Ende nicht frei gestalten oder offenlassen, da es ein Schulaufsatz war.
Das "ß" hab ich nie gelernt (bin Schweizer).

LG Mugen
Mugen ist offline   Mit Zitat antworten
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