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Alt 27.11.2010, 11:08   #1
weiblich Belli
 
Dabei seit: 11/2009
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Alter: 28
Beiträge: 5


Standard Allein gelassen

Ich saß da, ohne mich zu bewegen. Vor meinem inneren Auge ließ ich alles noch mal Revue passieren...

Alles fing an einem Samstagmorgen an. Ich saß mit meiner Familie am Frühstückstisch...
" Ann, machst du bitte noch einen Kaffee für mich und dad?" Ich stand auf und ging zur Kaffeemaschine, dicht gefolgt von den Blicken meiner Familie. Meine Familie, das waren meine Mutter, mein Vater, Fili und Charly, unser Zwergdackel.
Meine Mum ist Leiterin einer Supermarktkette. (ich weiß, sehr spektakulär) Sie geht morgens 6:00 aus dem Haus und kommt 18:00 wieder zurück. Mein Vater arbeitet als "Kontrollör", wie er immer zu sagen pflegt. Er kontrolliert so ziemlich alles, was man kontrollieren kann, von Autos angefangen bis hin zu Kaugummis. Deshalb ist er auch selten bei uns.
Meine kleine Schwester, Felicity, hat solche Probleme nicht. Sie ist in der 1. klasse, niedlich und nervig zu gleich und fängt bei jedem Bisschen an zu heulen.
Was mich angeht, ich bin ein durchschnittlicher Teeny mit allen Vorteilen und Nachteilen, die das mit sich bringt. Außerdem bin ich die " 24h- Putze- Hausmädchen" von uns...
„Ann, wo bleibt der Kaffee?" Tja, bis hier hin ist alles normal!

Nachdem ich meinen Eltern den Kaffe gebracht hatte, tranken sie ihn hastig bis zur Hälfte leer und standen auf. " Ann, du räumst ab!" " Ja, mum!" sagte ich widerspruchslos und machte mich an die Arbeit. Da viel mir etwas auf. Das Handy meines Vaters lag auf dem Tisch. Es war stumm gestellt, deshalb blinkte es nur und zog somit meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich schaute auf das Display, doch gleich darauf versperrte eine Hand meine Sicht. "Kümmre dich um deine Sachen!" meckerte mich mein Vater an und verschwand, mit Handy, in seinem Arbeitszimmer. Ich war neugierig und wollte wissen, was für ein "Geheimnis", wie es sich in meinen Kopf gebrannt hatte, mein Vater vor mir zu verbergen versuchte und folgte ihm. An der Tür zum Arbeitszimmer blieb ich stehen und lauschte... "Ja, das machen wir! Ich freu mich schon... Natürlich, ich hab alles fertig, morgen kann's losgehen... Ich muss Schluss machen! ... Ja ich dich auch!...“ Dann war das Gespräch zu Ende.
Nun stellten sich für mich neue Fragen, doch die wichtigste war, mit wem hat dad da eben telefoniert? Aber das musste erst mal warten, denn Mum rief, ich solle die Wäsche aufhängen...
Der ganze Tag verlief unspektakulär, Dad schloss sich, wie immer, in seinem Arbeitszimmer ein, Mum hing am Telefon und ich kümmerte mich um den Haushalt und meine Schwester.
Am Abendbrotstisch machte mein Dad bekannt, das er schon morgen wegmüsse. Er könne es nicht verschieben und es sei sehr wichtig! ... " Aber wieso Sonntag? Du hast doch Frei!" meinte Mum. "Ja schon, aber es ist halt wichtig, dafür komme ich schon Mittwoch wieder!"... Meine mum war immer noch nicht begeistert und in ihren Augen sah ich das, was sich bei mir schon seit heute morgen gegenüber meinem Dad entwickelt hatte... MISTRAUEN... ich weiß, irgendwie ist das nicht gerechtfertigt, denn das heute Morgen hätte auch ein Kollege sein können und dieser Auftrag ist wirklich wichtig, doch irgendwas ließ mich zweifeln... " Schwachsinn!" sagte ich zu mir selber, um mich davon zu überzeugen, das alles ok war, doch irgendwie wollte es nicht klappen...

Meine Bilder, der Erinnerung, flossen mit meinen Tränen auf den unebenen Boden, bis sie irgendwo stoppten und inne hielte... Ja, zu dieser Zeit war noch alles in Ordnung, unsere Welt war in Ordnung gewesen. Doch dieses alte Gefühl der Sicherheit, was sich bei dem Gedanken frei machte, war so alt, zu alt. Gab es das in so einem Leben noch? Sicherheit? War ich jemals sicher gewesen? Fragen, die mir niemals einer beantworten konnte. Weder mein Vater, noch meine Schwester oder meine Mutter... Bei dem Gedanken an meine Mutter machte sich ein flaues Gefühl in meiner Magengegend breit und ich bekam einen fetten Kloß im Hals... Wieso meine Mutter? Wieso nicht mein bescheuerter Vater? Wieso ich?
Als schlechte Antwort auf meine Verzweiflung spulte ich die Zeit in meinen Gedanken zurück. Zu jenem Mittwoch, als mein Vater nach Hause kommen wollte...

Es ist Mittwochabend. Mein Vater ist jetzt schon eine Stunde überfällig. Eigentlich wollte er so gegen 6 kommen, doch ich schaue auf die Uhr und stelle fest, dass es schon 7:12 war.
Meine Mutter hatte sein Leibgericht gekocht, ein schönes Steak mit Kartoffeln und Gemüse. Das war jetzt auch schon seit einer halben Stunde fertig. Und mein Vater war trotzdem nicht da. Meine Mutter hat mindestens 5 Mal in den vergangenen 2 Stunden angerufen, doch mein Vater hatte sich nicht gemeldet. Meine Mum redete sich ein es sei alles ok, aber meine kleine Schwester und ich spürten, das etwas nicht stimmte. Seit Sonntag machte ich mir nun schon Vorwürfe, dass ich meinen Vater nicht aufgehalten hatte, geschweige denn mit meiner Mutter über den merkwürdigen Anruf gesprochen hab!
" Irgendwas ist passiert!" meinte meine kleine Schwester quengelig. Meine Mutter schüttelte den Kopf und antwortete nur mit einem Kuss und einem " Er hat sich sicher nur verspätet. Dein Vater würde dich nie sitzen lassen!" Ja, mein Vater würde das niemals tun. Da war ich mir ausnahmsweise sicher.
Die Zeit verstrich. Mittlerweile war es 20:48, Zeit meine Schwester, ohne Abendbrot, ins Bett zu bringen.
Nachdem ich sie ins Bett gebracht hatte ging ich zu meiner Mum. Die saß mit einer halb leeren Rotweinflasche auf dem Sofa und zappte Wahllos durch die Kanäle, ohne sich eine Sendung anzuschauen. "Soll ich dad noch mal anrufen?" fragte ich zaghaft. Meine Mutter nickte und ich nahm das Telefon und drückte die Wahlwiederholung. Es tutete 8 Mal. Danach nahm jemand ab... " Dad?" fragte ich zaghaft. " Dein Dad hat jetzt keine Zeit, lass ihn in Ruhe, er braucht euch nicht mehr... Er hat jetzt mich!" kam es barsch zurück. Im Hintergrund hörte ich, wie etwas raschelte gefolgt von einem "Marguerite, Schatz, kommst du ins Bett?"
Wie betäubt legte ich auf. Was war das? Wer war das? Was zum Teufel wird hier gespielt? In meinem Kopf fing sich alles an zu drehen und langsam sah ich die Zusammenhänge, die ich vorher nicht wahrhaben wollte... Dad wollte am Sonntag weg, weil er geplant hatte weg zu gehen. Er hatte keine Lust mehr auf uns gehabt. Seine letzten Worte waren: "Ich werde dich immer lieben!", diese waren aber nur an meine kleine Schwester gerichtet. Mich hat er gar nicht mehr angeguckt.
An diesem Sonntagabend hatte ich mir den Kopf zerbrochen, warum er mir nicht auf wieder sehen gesagt hatte. Jetzt weiß ich es, ich hätte seine Unbehaglichkeit, sein Schlechtes Gewissen in seinen Augen gesehen. Ich hätte gesehen, dass das ein Abschied für unbestimmte Zeit ist. Vielleicht hätte ich es auch schon früher erkannt, wenn ich mich darauf eingelassen hätte, doch ich wollte es nicht sehen, nicht mal jetzt... Dad hat uns nicht verlassen! Nicht mein dad, der coole, lustige und charmante Dad, mit dem man alles machen kann und der meine mum jetzt schon seit über 15 Jahren liebte! Nicht dieser Mann!
" SCHWACHSINN!" schrie ich durch das ganze Haus. Meine mum kam aufgeregt aus der Stube und starrte mich an. Es war mir egal, alles war mir jetzt egal. Ich wollte nur noch, dass dieser Albtraum ein Ende nahm.
Ich fühlte wie mein Gesicht immer nasser wurde. Mein Blick war verschwommen und ich schluchzte laut auf. "Was hast du?" fragte meine Mum erschrocken und doch ließ ich sie in der Tür stehen und lief in mein Zimmer. Immer noch erschrocken darüber, was sich mein Kopf da zusammen gereimt hatte! Egal was mit Dad war, es konnte nicht stimmen, es durfte nicht stimmen! Mein Dad ist kein schlechter Mensch! ...

„ Mein Dad ist kein schlechter Mensch!“ Ich wiederholte diesen Satz, in der Hoffnung, dass er stimmte, doch ich wusste genau, das es nicht so war. Schließlich war er derjenige, der alles kaputt gemacht hatte.
Ich hörte eine Polizeisirene, die aufgeregt an dem Rohbau, in dem ich saß, vorbei zog.
Vielleicht suchten sie mich? Kam es mir durch den Kopf. Doch was nützte mir das? Morgen um diese Zeit würde mich das nichts mehr angehen. Die Welt würde hinter mir liegen und ich würde friedlich meine Ruhe finden.
Ruhe. Meine Mum hatte sich das auch immer gewünscht, als sie herausgefunden hatte, was dad für ein Spielchen trieb. An dem Abend ist sie ganz aufgeregt nach Hause gekommen und hat Fili und mich sofort ins Bett geschickt. Als ich wenig später in die Stube ging, sah ich meine Mutter, nun schon zum zweiten Mal, mit einer Rotweinflasche in der Hand, wahllos durch die Kanäle zappen.
Mein Körper erbebte, als sich ein erneutes Schluchzen in meiner Kehle breitmachte. Den Anblick meiner Mutter hab ich nie ertragen. Wie sie da immer so saß. Und ihr war alles egal gewesen. ALLES. Alles was ihr mal wichtig gewesen ist, hat sie hinter sich gelassen, nur weil es ihr auf einmal egal gewesen ist. Einfach so, ohne ein einziges Abschiedswort.
An dem Tag, wo ich sie gefunden hab, bin ich vor ihr zusammen gebrochen und bin da liegen geblieben, bis meine Schwester mit der Nachbarin kam.
Ich kann mich an den Tag immer noch erinnern, als ob es gestern gewesen ist, obwohl es nun schon ein halbes Jahr her war…

Ich komme nun grade von der Schule. Meiner Mum geht es immer noch schlecht, doch ich werde es schon schaffen sie wieder aufzupeppeln. Irgendwann wird sie schon darüber hinweg kommen. Sie kann ja nicht ewig hinter meinem Dad hinterher trauern.
Doch als ich durch die offene Haustür ging, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Ich lief durch das Haus und schrie verzweifelt nach meiner Mum, aber es antwortete mir keiner. Natürlich antwortete keiner und den Grund fand ich auch bald. Als ich aus meinem Zimmerfenster schaute erschrak ich. Ich lief unten in den Garten, zu dem leblosen Körper meiner Mutter.
Er war so starr und kalt. Ihre Augen waren vor Schreck noch geöffnet und ihr Mund zu einer undefinierbaren Bewegung verzogen. Vielleicht war es ein Schrei gewesen, vielleicht auch ein Dankeswort, dafür, das ihr leiden nun ein Ende haben würde…

Wieder begann ich zu schluchzen und gleichzeitig aufzustehen.
Was danach passiert ist, spielte sich nur noch im Zeitraffer ab.
Meine Schwester und ich wurden in ein Kinderheim gesteckt, bis sie unseren Vater ausfindig gemacht hatten, der hat dann aber nur meine Schwester mitgenommen und mich nicht. Er ist einfach mit ihr weggegangen. Hat mich in dieser Welt zurück gelassen. Allein, ohne jeden Schutz.
Mittlerweile kann ich mir vorstellen, wie verzweifelt meine Mutter gewesen sein musste, um so einen Weg zu wählen. So einen, wie ich jetzt auch gehen werde…
Ich ging noch einen großen Schritt auf das Loch, das in der Wand des unfertigen Hauses klaffte, zu.
Es ist leicht, sagte ich mir und mit diesen Worten ließ ich mich fallen. Ins Ungewisse. Lies all meine Sorgen dahinfließen und verbarg die Tränen nicht. Später soll jeder sehen, wie unglücklich sie mich gemacht haben. Sie, die Welt und mein Vater. Sie sollen sehen, wie sie mich allein gelassen haben und ich nun keine Familie mehr hatte. Ganz allein. Doch nun hatte ich keine Angst mehr vor den Tagen, den schlechten Träumen und der Zukunft. Nein, die Zukunft würde ungewisser sein, als sie jetzt schon war, aber vor allem würde sie friedlich sein. Ohne meinen Vater und meiner Fili, aber vielleicht werde ich wenigstens meine Mutter wieder finden. Wenigstens meine Mutter…
Ich spürte wie mein Körper dumpf auf den Boden aufschlug, wie ich das letzte mal einatmete und spürte, wie mein Herz aufhörte zu schlagen und sich völlige Dunkelheit, wie ein Teppich, über mich legte, ohne das ich die Augen schließen musste…
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