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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

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Alt 05.04.2012, 01:06   #1
männlich nimmilonely
 
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Standard Ach, Herr Grass, glaubt man das?

Ach, Herr Grass, glaubt man das?

Legendärer Ehrenträger,
Tintenkünstler, weiser Greis,
schreibt nun Verse, Hypothesen,
ohne Feingefühl und Maß.

Atomare Judenbengel
drohen friedlichen Iranern,
die doch nur ein bisschen forschen,
bisschen hassen,
kleines bisschen,
lasst sie doch,
sie haben nichts.

Er hat Recht!
Die Deutschen schweigen,
weil nichts mehr zu sagen bleibt.
Mahnen, ja, das muss man machen,
aber was nützt Schuld, die lähmt?

Kriege werden nicht verhindert,
wenn ein Dichter Richter spielt.
Und Appeacement, wie wir wissen,
hat nur selten was bewirkt.
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Alt 05.04.2012, 02:29   #2
männlich Sympoesie
 
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Wo wird denn gesagt, dass die Iraner friedlich sind?
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Alt 05.04.2012, 06:58   #3
weiblich Ilka-Maria
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Daß Herr Grass politisch links steht, ist bekannt, auch, daß er gerne anklagend den Finger hebt, obwohl er selbst während des Nationalsozialismus eine unrühmliche Rolle gespielt hat.

Ebenso bekannt ist, daß der Nahostkonflikt zu einem großen Teil auf die kurzsichtige (oder vielleicht auch gleichgültige) Politik der Briten während ihres Mandats über Palästina zurückzuführen ist.

Tatsache ist weiterhin, daß Israel mit Unterstützung Frankreichs eigene Atomwaffen entwickeln konnte. Also weshalb sollte sich der Iran nicht bedroht fühlen? Zumal auch der Anrainer Pakistan eine Atommacht ist.

Der nahe Osten war durch seine gesamte Geschichte hindurch ein Krisengebiet, auch schon vor der Existenz des Staates Israel. Abgesehen davon wird sich die Welt damit abfinden müssen, daß man Staaten die Entwicklung von Atomwaffen nicht verbieten kann, dazu giebt es schon zuviele Atommächte.

Ob Grass sich zur Politik äußert oder schweigt, ist irrelevant. Wollte er wirklich etwas ändern, hätte er ja in die Politik gehen können. Aber das wäre nicht sonderlich bequem gewesen.

LG
Ilka
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Alt 05.04.2012, 13:15   #4
männlich nimmilonely
 
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@Sympoesie: Die zweite Strophe ist ironisch gemeint.
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Alt 05.04.2012, 14:59   #5
weiblich Ilka-Maria
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Das ist mir nicht entgangen.
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Alt 05.04.2012, 18:30   #6
männlich AndereDimension
 
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das Grass "Gedicht" ist kein Gedicht - das ist für mich das eigentlich ärgerliche daran. Sein Text entbehrt so ziemlich alles was ein Gedicht auszeichnet, unabhängig davon wie immer man zum Inhalt stehen mag. Es ist der Wille der Natur, dass der Mensch nicht älter als 40 Jahre wird. Mittels guter Ernährung, Medizin usw...schafft es der Mensch die Natur auszutricksen - das Ergebnis sind dann mitunter solch verwirrte Tattergreise wie G.G.
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Alt 05.04.2012, 18:33   #7
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von AndereDimension Beitrag anzeigen
das Grass "Gedicht" ist kein Gedicht - das ist für mich das eigentlich ärgerliche daran. Sein Text entbehrt so ziemlich alles was ein Gedicht auszeichnet, unabhängig davon wie immer man zum Inhalt stehen mag.
Im Feuilleton der FAZ von heute ist ziemlich klar dargestellt, daß Grass seine Worte sehr wohl überlegt hat. Man muß nur die Verbindungen richtig erkennen. Ich habe den Link zu diesem Artikel in Ralfchens Thread zum selben Thema eingestellt.
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Alt 06.04.2012, 09:26   #8
weiblich Ex-Nitribitto
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Standard Ach, Herr Grass, glaubt man das?

Hallo Ilka-Maria,

ich bin fest davon überzeugt, dass es sich bei dem Grass-Gedicht nicht um Appeasement handelt, sondern er nimmt ja sehr direkt Stellung zum Zeitgeschehen und versucht überhaupt nicht, irgend etwas zu glätten oder zu harmonisieren, er sagt eben seine Meinung. Und die ist, wie sie ist. Dass sie aus dem Mainstream herausfällt, das haben eigene Meinungen öfter mal an sich. Und ich bin der Ansicht, es wurde Zeit, dass sich mal ein Dichter äußert, ein Dichter, der ja nicht nur das Schöne beschreiben soll, sondern die Gesellschaft auf Fehlentwicklungen hinweisen muss, weil das gar kein anderer tut. Grass nimmt mit diesem Gedicht die Funktion des Dichters als Hüter der Wahrheit wahr.

Nun kann man darüber streiten, ob er das in einem Prosagedicht habe tun müssen, ob nicht ein Essay in der FAZ eine bessere Gelegenheit geboten hätte, Gedanken zum Thema zu entwickeln. Grass ist ein Fuchs, er wollte vermutlich gerade kein Essay (sonst hätte er ihn ja geschrieben, so autonom wird er schon sein, denke ich), sondern in einer kompakten, verständlichen, ungekünstelten Sprache das Problem aufgrund seiner Relevanz unter die Leute bringen. Dazu eignet sich ein Prosagedicht ganz gut, man kann in relativer, dennoch verdichteter Ausführlichkeit das Wesentliche darlegen. Die Kritik an der Qualität, die ich hier bei dir lese und auch woanders gelesen habe, ist ein Ablenkungsmanöver, um vom Eigentlichen, nämlich der Kriegsvorbereitung Israels, abzulenken. Der Vorwurf, er sei Antisemit (den du zu deiner Ehre nicht erhebst) dient demselben Zweck. Wie ja das ganze Drumherum nur dazu dient, sich nicht zum Thema äußern zu müssen und nur allgemeine Empörung abzulassen: Wie kann der Grass nur!

Du bist der Ansicht, Grass würde sich zum Richter aufspielen. Das sehe ich ganz anders. Ich bin der Ansicht, dass der Dichter, und noch dazu ein so renommierter, eine Verpflichtung hat. Nämlich die, auf Fehlentwicklungen und Gefahren der gesellschaftlichen Entwicklung hinzuweisen. Das Gute und Schöne, wofür du ja indirekt plädierst, gehört auch zu seinen Aufgaben, ja doch. Aber kann das für einen Menschen, der ja nicht nur Dichter ist, sondern auch Zeitgenosse, nun wirklich alles sein? Darf sich ein Dichter, weil er für das Gute und Schöne "auf natürliche Weise" zuständig ist, aus seiner Gegenwart heraushalten? Ist das nicht verantwortungslos? Ein Mann des Wortes sollte sein Wort gebrauchen, um seiner Verantwortung nachzukommen. Und genau das hat Grass getan. Er schreibt ja, er habe viel zu lange geschwiegen, er sah das Unheil im Nahen Osten, das sich dort entwickelt, sah nur zu, und jetzt musste er etwas sagen. Das hat überhaupt nichts mit einer Richter-Funktion zu tun, da hast du vielleicht etwas nicht richtig verstanden. Oder versuchst sogar, in deinem Gedicht eine Eindeutigkeit Für oder Wider gegen Grass zu verschleiern, um dich selbst zu schützen. Ich bin auch nicht der Ansicht, dass "nichts mehr zu sagen bleibt".
Gerade jetzt ist die Zeit, etwas zu sagen. Die Deutschen schweigen, weil sie in ihrer Mehrheit Konformisten sind, weil sie sich keinen Unbequemlichkeiten aussetzen wollen, zumal dem Vorwurf, antisemitisch zu sein. Aber die Deutschen schweigen auch zu ganz anderen Problemen, zum Beispiel dazu, wie die Merkel-Regierung halb Europa zur Verelendung zwingt, nur um die Vormachtstellung Deutschlands in Europa nicht zu gefährden. Das Schweigen nun direkt auf das israelisch-iranische Problem einzuschränken, halte ich zumindest in Deutschland für inkorrekt.

Was mir gar nicht an deinem Gedicht gefällt, ist der Begriff "Judenbengel". Grass hat ihn nicht gebraucht, es ist dein Begriff, den du Grass auf diese Weise unterstellst. Das halte ich für infam. Du kannst jetzt auch nicht behaupten, er hätte sich indirekt so ausgedrückt, oder das gar als Ironie bezeichnen. Aus welcher Warte würdest du dir die Berechtigung herausnehmen, an das sehr mahnende und ernste Gedicht von Grass ironisch heranzugehen? Ein solcher Begriff geht inhaltlich und in der Diktion aus dem Gedicht nicht hervor, du greifst ihn aus der Luft genauso wie dieses "Appeasement", das du aus unerfindlichen Gründen mit c schreibst.

In der ersten Strophe redest du von "ohne Feingefühl und Maß". Hast du das Gedicht nicht gelesen? Grass weiß sehr wohl, in welchem Spagat sich ein Deutscher befindet, wenn er Israel kritisiert, und er geht sehr vorsichtig an das Thema heran. Und was soll dieses "Maß"? Wer legt hier ein Maß fest? Und damit bin ich beim Thema, was man eigentlich in Deutschland noch sagen darf, wenn die Meinung nicht die sogenannte, veröffentlichte Mehrheitsmeinung ist. Was sich gerade hier im Falle des Grass-Gedichtes outet, ist Totalitarismus des Mainstreams. Grass ist verwundert darüber, mit welcher Gehässigkeit er angegriffen wird, das hätte er von seinen Deutschen nicht erwartet. Da zeigt sich, dass Grass die Situation in diesem Punkt überhaupt nicht einschätzen konnte. Er hätte wissen müssen, wie rigoros und bösartig der Mainstream mit anderen politischen Themen umgeht (Stichwort DDR, Kommunismus usw.), sobald sich eine Stimme gegen ihn erhebt. Er hat sich also ausrechnen können, dass er ab jetzt als eine Art Nicht-Dichter vom Mainstream wahrgenommen werden könnte.

Meine Achtung für diesen mutigen Schritt, mit seiner Besorgnis um die Entwicklung der Weltlage in die Öffentlichkeit zu gehen, hat er.

Gruß, Keinreim
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Alt 06.04.2012, 09:37   #9
Thing
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Das tut kein andrer außer GG?
Dann lest Ihr alle sehr flüchtig.
Aber die Andern tragen halt keinen so großen Namen, geschweige denn einen Nobelpreis.
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Alt 06.04.2012, 09:40   #10
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Keinreim Beitrag anzeigen
Hallo Ilka-Maria,

ich bin fest davon überzeugt, dass ...
Ich möchte nur mal dezent darauf hineisen, daß ich der falsche Ansprechpartner bin, denn es ist nicht mein Gedicht.

Davon abgesehen:

Mir geht es nicht darum, ob GG mit seinem Gedicht im Recht ist oder nicht; das wird die Zukunft erweisen. Was ich ihm unterstelle, sind rein persönliche Interessen. Er will sich mal wieder in der Öffentlichkeit präsentieren nach dem Motto: Hallo Leute, es gibt mich noch! Zu den ständigen Mahnern und Kämpfern gehört er nicht, wenn man mal von seinen früheren regelmäßigen Einsätzen für den SPD-Wahlkampf absieht. In meinen Augen ist er ein eitler Fatzke, der ein Thema für persönliche Interessen instrumentalisiert. Der Nahost-Konflikt ist seit Jahrzehnten ein Thema und weltweit bekannt, es bedurfte keines GG, so zu tun, als müsse man die Welt erst jetzt darüber aufklären. Oder gibt es hier einen User, der darüber noch nicht Bescheid wußte?

Alle zwei bis drei Jahre kommt GG an die Oberfläche, um das Volk kurz aufzumischen und dann wieder in sein Erdloch zu verschwinden. Was er dabei zu sagen hat, ist nicht politisch, sondern persönlich. Armer alter Mann.
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Alt 06.04.2012, 10:18   #11
Thing
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Er hat ja selbst durchblicken lassen, daß er p e r s ö n l i c h wieder auf sich aufmerksam machen möchte.
"Merkt auf! Ich bin noch da!"

Da sind, nicht nur ihm, alle Mittelchen recht.
Trotzdem gehöre ich zu seinen Sympathisanten.
(Man hängt doch so am "Alten" .... )
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.04.2012, 10:33   #12
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Thing Beitrag anzeigen
Trotzdem gehöre ich zu seinen Sympathisanten.
(Man hängt doch so am "Alten" .... )
Das ist verständlich. Ich hänge auch an allem, was meinen Lebenslauf geprägt hat, selbst an Personen und Dingen, die ich heute distanziert sehe. GG und sein Roman "Die Blechtrommel" gehören dazu, wenn auch indirekt, sozusagen als Erinnerungsposten an eine Phase meines Lebens, die ich glücklicherweise hinter mir habe. Wie man ein Werk einordnet bzw. für sich verarbeitet, hat natürlich immer auch damit zu tun, auf welchem Fuß man sich gerade darauf einläßt. Wer weiß? Vielleicht lese ich das Buch nochmal.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
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