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Liebe, Romantik und Leidenschaft Gedichte über Liebe, Herzschmerz, Sehnsucht und Leidenschaft.

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Alt 26.03.2011, 02:23   #1
weiblich Rosenblüte
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Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 2.163

Standard Olympia

Olympia, du Kühle, du Kokette!
Mit rosenzartem Leib und festen Brüsten,
mit deinem frechen Mund, dem vielgeküssten,
so thronst du aphroditengleich im Bette.

Ach, wenn die Herrn Betrachter alles wüssten,
was deine Dienstmagd zu verraten hätte
und auch dein Kätzchen an der Lagerstätte -
wie sehnten sie sich nach verbotnen Lüsten.

Dein Bildnis, präsentiert von deinem Meister,
verstoße, hieß es, gegen gute Sitte
und sei unappetitliches Gekleister.

Doch schlich sich nachts Napoleon der Dritte,
wie mancher der moralbeflissnen Geister,
zu dir, schnell zu verjubeln die Rendite.

(Inspiriert vom Bild "Olympia" von Édouard Manet)
http://g1b2i3.files.wordpress.com/20...t-olympia3.jpg
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Alt 26.03.2011, 07:25   #2
weiblich Ilka-Maria
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Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.111

Liebe Rosenblüte,

das hast Du klasse hingekriegt! Da sieht man, wie unerschöpflich die deutsche Sprache ist.

LG
Ilka-M.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.03.2011, 13:43   #3
Ex-Odiumediae
abgemeldet
 
Dabei seit: 07/2010
Beiträge: 1.151

Ein poetisch-ästhetischer Orgasmus

Die Wortwahl ist köstlich, die Umkehrung des Reimschemas im zweiten Quartett macht das Sonett noch lebendiger (wieder etwas gelernt) und selbst die Darbietung hat etwas Freies, Ausgelassenes, das eine treffende Atmosphäre schafft.

Etwas habe ich aber dennoch zu meckern. Das Wort 'unappetitliches' passt zum Inhalt und zur Aussage, aber leider metrisch nicht, jedenfalls würde ich es daktylisch betonen.

Von der Kleinigkeit abgesehen, macht das Sonett dem Namen Klanggedicht alle Ehre!
Ex-Odiumediae ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.03.2011, 14:36   #4
männlich Ex-Schamanski
abgemeldet
 
Dabei seit: 12/2010
Beiträge: 2.884

Großartig bis zur letzten Zeile ...

... aber da stürzt es ab. "Rendite" mit langem i reimt nicht sauber genug mit "Sitte" und "Dritte". Auch lexisch paßt es, als Fremdwort und trockener Finanzbegriff, nicht richtig zum Stil des Gesamtgedichts, ebensowenig wie das slangige "verjubeln".

* zu dir, verhohlen, doch mit leichtem Schritte.
* zu deinem Bett, mit wenig frommer Bitte.
* zu dir, zu seines tiefsten Strebens Mitte.
Ex-Schamanski ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.03.2011, 15:21   #5
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Ich auch, ich auch!

Ich sehe sie vor mir, geschmückt nur mit Band und Bändchen, die Blume im Haar.
Ich finde sie aber nicht lasziv - vielleicht von daher die Verlockung?*

Ich schließe mich den Lobgesängen an, ebenso den winzigen Vorbehalten.
Große Dichtung!

Thing




*wäre eine Rolle für die junge Isabelle Huppert gewesen!
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.04.2011, 13:00   #6
männlich Heinz
 
Benutzerbild von Heinz
 
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Standard Olympia

Liebe Rosenblüte,
ich habe es jetzt erst entdeckt und die anderen haben alle schon bewundernd kommentiert. Das Gedciht ist wunderbar und ruft sofort das inspirierende Gemälde vor das geistige Auge. Toll gemacht (von der Sonettform habe ich zu wenig Ahnung, aber es sieht ganz danach aus, als habest Du diese schwierige Form in den Griff bekommen).
Kompliment!
Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.04.2011, 13:37   #7
männlich Nöck
 
Benutzerbild von Nöck
 
Dabei seit: 12/2009
Ort: In den Auen des Niederrheins
Beiträge: 2.662

Hohe Dichtkunst - gefällt mir ausgezeichnet!

Gruß vom Nöck
Nöck ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.04.2011, 23:24   #8
weiblich Rosenblüte
abgemeldet
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 2.163

Ihr Lieben,

vielen Dank für euer Lob und eure Kritik!

Lieber Heinz, ich finde, wenn man mal ein paar Sonette geschrieben hat, ist es nicht mehr schwierig. Jedenfalls nicht so wie eine Ode oder ein Hexameter.

"Unappetitliches Gekleister", "die Rendite verjubeln" - lieber Odiumediae, lieber Schamansky, es war unumgänglich, diese Begriffe zu wählen, weil ich mich von Zolas Rougon-Macquart-Zyklus inspirieren ließ.

In "Das Werk" wird geschildert, wie die Impressionisten damals in der Académie um Anerkennung ringen mussten. Manets "Olympia" verursachte einen der größten Skandale in der Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts. Das lag sowohl am Thema, der freizügigen Darstellung einer Prostituierten, als auch an der neuartigen Malweise. Hier nur ein paar Stimmen von Zeitgenossen: "... diese schrecklichen Leinwände, an den Pöbel gerichtete Herausforderungen, Possen oder Parodien, was weiß ich? ... Was soll diese gelbbäuchige Odaliske, dieses billige, ich weiß nicht wo aufgelesene Modell...."; "Wie im Leichenschauhaus drängt sich die Menge vor der verruchten Olympia des M. Manet."; "Ein erbärmliches Modell ... Die Fleischtöne sind schmutzig ... Die Schatten sind durch mehr oder weniger breite Streifen von Schuhcreme angedeutet."; "... eine nahezu infantile Unkenntnis der Grundelemente des Zeichnens, ... ein Hang zur unglaublicher Gemeinheit."; "Diese rötliche Brünette ist von einer vollendeten Hässlichkeit ... Das Weiß, das Schwarz, das Rot, das Grün erzeugen ein schreckliches Getöse auf dieser Leinwand."

Der Romanzyklus der Rougon-Macquart spielt in der Zeit Napoléons III. und schildert die machtgierige, korrupte Gesellschaft, die sich damals schamlos bereicherte, und im Gegensatz dazu die bittere Armut der großen Masse der Bevölkerung. Einige Frauen konnten mit Prostitution ihren Lebensunterhalt verdienen ("Nana"), andere sind schlicht verhungert.

Liebe Grüße
Rosenblüte
Rosenblüte ist offline   Mit Zitat antworten
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