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Rollenspiele und Bühnenstücke Eigene Bühnenstücke, Rollenspiele und Dialoge.

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Alt 08.09.2011, 01:15   #1
weiblich Philo so Fisch
 
Dabei seit: 09/2011
Alter: 31
Beiträge: 9

Standard Innerer Monolog: Mr. Hyde

Ich stehe am Serpentine See im Hyde Park und blicke gedankenverloren über das sich kräuselnde Wasser.

Nach einer durchzechten Nacht bin ich auf dem Heimweg ins Grübeln gekommen und einfach an der Tür zum Laboratorium vorbeigegangen. Immer weiter und weiter, bis ich schließlich vom Anblick des sich im See spiegelnden Mondes zum Stehenbleiben gezwungen wurde.

Jekyll, mein zweites Ich, der Körper in dem ich so lange versteckt war und nun zum Vorschein gebracht wurde. Er hat mich erschaffen um das Böse vom Guten zu trennen. Es ist ihm auch ohne Zweifel gelungen. Immerhin sind wir zwei eigenständige Personen, haben jedoch nur einen Körper.
Aber laut ihm ist das Experiment trotzdem fehlgeschlagen. Er verabscheut mich als das böse Tier in ihm, welches er besiegen möchte, jedoch nicht besiegen kann. Er fürchtet sich vor mir, hat Angst, dass ich seine tiefsten dunkelsten Gedanken verwirkliche. Dabei vergisst er, dass ich ein Teil von ihm bin, ein Teil von ihm sein muss.

Wütend sinke ich zu Boden und vergrabe meine Fäuste im weichen Rasen. Hier bin ich allein, also lasse ich meinen Gefühlen, ja auch ich habe Gefühle, freien Lauf. Tränen finden ihren Weg an meinen Wangen herab, als ich an Lucy denke. Ich weiß, ich liebe sie, will sie, und doch erwidert sie für mich höchstens die körperlichen Begierden. Ihr Herz schlägt für Jekyll.

Sie mag ihn, bewundert ihn, doch warum gerade ihn? Natürlich er ist freundlich zu ihr, doch er liebt sie nicht, er hat nur Augen für seine Verlobte Lisa. Lucy hat was Besseres verdient.

Ich liebe sie und kann sie doch nicht haben. Jekyll wird Lisa heiraten und somit bleibt meine Begierde nach Lucy für immer ungestillt. Ständig redet er davon, wie sehr ich ihn quäle, aber hat er schon einen Gedanken daran verschwendet, wie sehr er mich quält? Sieht er nicht dass ich genauso leide wie er?

Warum sieht jeder nur das Böse in mir, den Mörder? Ja, ich habe gemordet, aber ich habe nur Jekylls böse Gedanken, die er in mich verbannt hat, verwirklicht. Ich verkörpere lediglich, was er verbietet. Ich bin nicht so böse, wie alle Welt glaubt. Ich bin nur frei und verabscheue die Grenzen dieser Gesellschaft, die über jeden die Nase rümpft, der sich nicht so verhält wie erwartet, die so moralisch tut und verruchter ist als alle Huren der Roten Ratte zusammen, die sich hinter Freundlichkeit versteckt bis ihr Böses ausbricht. Sie sind ja selber schuld an Jekylls, an meinem Leid.

Ich verstehe die Welt nicht und die Welt versteht mich nicht. Wie viele Hydes müssen ausbrechen, bis sie alle begreifen, dass „das Böse“ nur die gesammelten bösen Gedanken sind, die wir alle haben. Jeder Mensch hat einen Jekyll und einen Hyde in sich. Wir würden zu einer Person verschmelzen, wenn die Menschen nicht unter Regeln leben würden, die gegen ihre Natur sind, sondern endlich ihre Gefühle leben.

Solange Jekyll das nicht einsieht, werden wir nie nebeneinander existieren können. „Genauso wie Sonne und Mond nicht nebeneinander existieren können“, denke ich als langsam die Sonne über den Baumwipfeln aufgeht.
Philo so Fisch ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.10.2011, 18:50   #2
männlich Ex-Jack
abgemeldet
 
Dabei seit: 05/2011
Beiträge: 954

Hallo Philo so Fisch,

da hast Du ein interessantes Thema aufgeworfen und eine der größten Erzählungen Dir zum Thema erwählt.
Das finde ich gut.

Nur:
Denkst Du wirklich, dass Mr. Hyde ein eher zum Nachdenklichen neigendes Wesen ist?
Ich denke nicht.
Wenn er etwas will, geht er hin und nimmt es sich und zwar ohne jedes Gewissen! Er ist das Animalische, er ist ungezügelt, ungebremst und äußerst emotional! Er hält sich eben nicht an Regeln, denkt nicht über andere nach, geschweige denn über gesellschaftliche Prozesse: andere sind ihm grundsätzlich egal, solange sie nicht irgendeine Lust bei ihm hervorrufen...

Das, worauf Du aber (vielleicht) hinweisen willst, nämlich wie schwer es sein kann in gewissen Formen von gesellschaftlichen Gefängnissen zu überleben, mit der Arbeit und all denen, die etwas von einem wollen oder schlimmer: Die von einem verlangen, eine bestimmte Person zu sein, die man nicht ist und eigentlich auch gar nicht sein will, dass finde ich ein prima Ziel für so einen Text...vielleicht sind nur Jekyll und Hyde nicht die richtige Vorlage dafür?
Jekyll hatte nämlich die Wahl...

Liebe Grüße,
Jack
Ex-Jack ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.10.2011, 23:25   #3
weiblich Shadowcrow
 
Benutzerbild von Shadowcrow
 
Dabei seit: 10/2011
Ort: Esch-Alzette
Beiträge: 49

Hallo Philo so fisch

Zu dir nur ein Wort: MEHR!


Hallo Jack,

Das ist der Haken an den Jekyll-Menschen. Sie wünschen sich, dass Hyde bloss nicht anfängt, nachzudenken ;-)

Gruss

Shadowcrow
Shadowcrow ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.11.2011, 10:48   #4
männlich Ex-Jack
abgemeldet
 
Dabei seit: 05/2011
Beiträge: 954

Ich hab hier jetzt die ganze Zeit gewartet, dass hier noch etwas passiert.
Shadowcrow, ich habe die Absicht des Textes schon verstanden...
Ich glaube nur, dass für diese Botschaft (gegen die ich ja gar nichts einzuwenden habe) die Grundgeschichte nicht passend ist.
Mr. Hyde denkt nicht. (Auch wenn er in der britischen Kurzserie "Jekyll" mit taktischen Überlegungen versehen wird.)
Es geht doch genau darum!
Um das Triebhafte!
Triebe haben nichts mit Denken zu tun!

Liebe Grüße,
Jack
Ex-Jack ist offline   Mit Zitat antworten
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