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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 19.06.2012, 08:53   #1
gummibaum
 
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Standard Dopplung

Es ist nicht klar, woher es kam,
dass er sich stets bewachte,
gedanklich einen Spiegel nahm,
sein Tun mit Lob bedachte.

Die Tragik ist in diesem Fall,
der Spiegel, der zerstörte
Unmittelbarkeit Mal um Mal,
was all sein Tun entleerte.

Im höchsten Glück, im tiefsten Schmerz
sah er sich stets von außen,
fern auf der Leinwand und sein Herz
drang nie zum Kern, blieb draußen.
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Alt 19.06.2012, 10:13   #2
Thing
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Halli Hallo, gummibaum -

ich weiß nicht mehr, in welchem expressionistischen Stummfilm das Doppelgängermotiv besonders hervorgehoben wurde, aber ich erinne mich dunkel daran, daß der Protagonist zu Tode erschrak, als er sich im Spiegel nicht erkennen konnte.
Ist das die Grundidee Deines Gedichtes?

Auch an Dorian Grey dachte ich, als ich die Strophen las.

Merkwürdiges, aber gutes Gedicht!

LG
Thing
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Alt 19.06.2012, 13:57   #3
gummibaum
 
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Beiträge: 10.909

Hallo Thing,

es geht um eine Selbstbeobachtung. Ein Teil des Ichs ist dazu abgespalten. Das dient hier dazu, das Ich zu bestätigen, während dieses sich bemüht, ihm zu gefallen. Doch zieht die "Außeninstanz" immer mehr Anrteile auf ihre Seite. Es gibt bald kein unmittelbares Erleben mehr. Was das Ich auch erleben könnte, es sieht sich nur noch zu - wie einer fremden Person.

LG gummibaum
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Alt 19.06.2012, 14:16   #4
männlich champus
 
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Beiträge: 53

ist es mit uns allem nicht genau so, dass wir unser tun mit aderen vergleichen. dass es nichts wert, ohne in relation mit anderen zu setzen ist. ich finde ich brauch so ein spiegel und ohne würde ich eingehen. oder bin ich nur so seltsam ?
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Alt 19.06.2012, 14:40   #5
gummibaum
 
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Hallo, champus,

nein, nicht seltsam, ganz normal. Jeder vergleicht sich und besonders in wichtigen und verunsichernden Situationen, einem Vorstellungsgespräch z.B., ist das ausgeprägt. Aber es kann sich verselbstständigen. Wenn man sich z.B ständig zuschaut, wie man küsst oder beleidigt wird, ist man zwar davor gefeit, von seinen Gefühlen aus der Bahn geworfen zu werden, aber auch um deren Intensität betrogen.

LG gummibaum
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Alt 19.06.2012, 17:57   #6
Thing
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Zitat:
Zitat von gummibaum Beitrag anzeigen
Hallo Thing,

es geht um eine Selbstbeobachtung. Ein Teil des Ichs ist dazu abgespalten. Das dient hier dazu, das Ich zu bestätigen, während dieses sich bemüht, ihm zu gefallen. Doch zieht die "Außeninstanz" immer mehr Anrteile auf ihre Seite. Es gibt bald kein unmittelbares Erleben mehr. Was das Ich auch erleben könnte, es sieht sich nur noch zu - wie einer fremden Person.

LG gummibaum
Habe ich nicht in diesem Sinn kommentiert?
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Alt 19.06.2012, 20:44   #7
gummibaum
 
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Beiträge: 10.909

Hallo, Thing,

ich weiß nicht. Dein Kommentar scheint es zu treffen und vielleicht doch nicht. Dorian Gray - ich habe den Roman nicht gelesen - hat sich ja offenbar von der Moral abgekoppelt und ein amoralisches Leben geführt. Das habe ich nicht gemeint. Daher meine Erklärung des Gedichts. Auch wenn Gray von seinem Portrait beobachtet wird, scheint das Bildnis lange Zeit mehr von ihm beeinflusst zu werden als er von ihm. Und ich weiß zu wenig Genaueres über die Figur, als dass ich sagen könnte, ob sie sich durch diese Observation derart verlustig geht, die Unmittelbarkeit ihrer Gefühle einbüßt...

LG gummibaum
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Alt 19.06.2012, 22:01   #8
Thing
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Vielleicht, gummibaum, war Oscar Wildes Roman nicht das, was ich als Beispiel hätte heranziehen sollen.
Dann - ganz an der anderen Seite von Beispielen -

nenne ich E.T.A. Hoffmann als den, an den mich Dein Gedicht von fern erinnert hat.

LG
Thing


Übrigens:
J.W. v. Goethe ist seinem Selbst (als leibhaftig erlebt) auf einer Brücke begegnet.
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Alt 25.06.2012, 15:10   #9
weiblich Ex-Nitribitto
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Beiträge: 407

Standard Dopplung

Ich könnte mir vorstellen, dass du meinst, dass wir nichts mehr direkt erleben, sondern immer über einen Überträger, wodurch unsere Erlebnisfähigkeit verzerrt oder sogar verunmöglicht wird. Auffällig ist das ja bei Bildern aus Kriegen, aus Bürgerkriegen. Wir sehen die schrecklichsten Dinge immer durch die Brille des Fernsehens, wir lassen sie nicht an uns heran, als seien sie nicht wirklich, als seien sie nur Abbilder von etwas, was im Fernsehen geschieht. Hinzu kommt, dass, wenn man schreibt, irgendwann immer die Frage auftaucht, wie man das Erlebte zu einem Text formen könnte, sodass zwischen dem Erlebten und dem zum Text umgeformten Erlebten das Erlebnis selbst in den Hintergrund tritt, man also letzten Endes abstumpft, ohne dass man dessen gewahr wird.

Gruß, Keinreim
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