Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Forum durchsuchen Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Poetry Workshop > Schreibwerkstatt / Hilfe

Schreibwerkstatt / Hilfe Gedichte und diverse Texte, an denen noch gefeilt werden muss.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 26.04.2010, 20:19   #1
männlich Harlekin
 
Benutzerbild von Harlekin
 
Dabei seit: 04/2010
Ort: Kassel
Alter: 33
Beiträge: 57

Standard Hausaufgabe zu Kafkas "Die Verwandlung"

Hi ihr Lieben,
könntet ihr mir einmal sagen, was ihr davon haltet? Gibt es Verbesserungwürdiges an der Interpretation oder Dinge, die man generell nicht so gestalten sollte, wie es in dem Text der Fall ist? Leider hat die Formatierung ein wenig gelitten. -.-



Hausaufgabe 26.04.2010


Interpretiere, im Hinblick auf die Familiengesellschaft, die Reaktion der einzelnen Familienmitglieder auf die Verwandlung.

Der folgende Aufsatz soll die Reaktionen der Familie, in Bezug auf Gregor Samsas Verwandlung im Allgemeinen und auf die Familiengesellschaft im Besonderen, darstellen und interpretieren.
In der Familie Samson herrscht ein, von der Norm abgekehrtes Familienbild. Dort, wo normalerweise der Vater seiner Funktion als Ernährer nachkommt und somit an der Spitze dessen, was man Familienhierarchie nennen könnte, steht, ist der Sohn positioniert. Als Folge dessen geraten die Beziehungsstrukturen innerhalb der Familie in Schieflage:
Der Vater kann sich aufgrund körperlicher Versehrtheit und finanzieller Abhängigkeit zu seinem Sohn nur schwerlich in das Familiengefüge einbringen, da ihm keine direkte Funktion zugewiesen ist.
Ein anderes Bild zeichnet die Schwester, deren Wünsche jedweder Art natürlich von ihrem Bruder abhängen – es findet also eine Verschiebung der Beziehung zwischen den beiden Geschwistern statt. Das hat rein psychologisch Auswirkungen auf die Interaktion der Figuren untereinander.
Die Mutter hingegen weist ein gespaltenes Verhältnis zu ihrem Sohn auf. Sie ist gewissermaßen in einem Balanceakt zwischen Ehefrau und Mutter gefangen. Auf der einen Seite muss sie ihren Pflichten als „gute“, fürsorgliche Ehefrau nachgehen, auf der anderen Seite muss sie sich mehr um ihren Sohn kümmern, ihm weniger Druck entgegensetzen, als es einer Mutter vielleicht möglich wäre, da das Überleben der Familie existentiell von ihrem Sohn abhängt.
Das ist die familiäre Ausgangssituation, in der sich der Leser befindet, sobald Gregors Verwandlung einsetzt. Interessant ist es, zu beobachten, inwiefern sich dieses Familienbild ändert, sobald die Familie von der Verwandlung mitbekommt, da die Familienmitglieder nun gezwungen werden aktiv und in ihrer „normalen“ Rolle, zu agieren.
Die erste Auffälligkeit, die dem Leser begegnet, ist das Auftauchen der Mutter innerhalb dieser Szenerie, obwohl die „von der Nacht her noch aufgelösten, hoch sich sträubenden Haaren“ (S. 15, Z. 19f.), darauf hinweisen, dass sie hier eigentlich nicht sein sollte und dies „trotz der Anwesenheit des Prokuristen“ (S. 15, Z. 18), den man als Verkörperung der Gesellschaft interpretieren kann, zumal er als „eine Kreatur des Chefs, ohne Rückgrat und Verstand.“ (S. 6, Z.40f.), beschrieben wird.
Das Vorhandensein der Mutter lässt sich jedoch durch die außerordentlichen Familienverhältnisse erklären, die nahelegen, dass die besondere Stellung des Sohnes die Mutter dazu veranlasst, hier zu erscheinen, um sich zu erkunden, dass es dem Familienoberhaupt an Nichts mangelt.
Die erste Reaktion der Mutter ist das Falten der Hände, begleitet von einem Blick zum Vater der Familie. (vgl. S. 15, Z. 20) Hierin spiegelt sich der erste zaghafte Versuch zur Umverteilung der Rollen wieder. Dadurch wird dem Vater die Entscheidungsmöglichkeit - die Initiative – symbolisch übergeben. Wenn er wollte, dann könnte er sie nun zurück weisen.
Da dies nicht geschieht, „ging [sie] dann zwei Schritte zu Gregor hin und fiel inmitten ihrer rings um sie herum sich ausbreitenden Röcke nieder, das Gesicht ganz unauffindbar zu ihrer Brust gesenkt.“ (S. 15, Z. 21 ff.) Hieran lassen sich zwei Dinge ableiten:
Zum einen weisen die ausgebreiteten Röcke auf ein typisch feminines Bild. Für eine weibliche Person innerhalb der Gesellschaft und damit implizit auch in der Familiengesellschaft, ziemt es sich nicht, sich mit derlei Arbeit bzw. Kreaturen zu beschäftigen. Der zweite Aspekt, den es zu beachten gilt, ist die Distanz, die zwischen der Mutter und ihrem Sohn herrscht. Diese Distanziertheit ist entstanden, indem sie ihrer Rolle als Mutter und Ehefrau gleichzeitig nachgehen zu können und im selben Moment noch die besondere Stellung ihres Sohnes berücksichtigen zu können.
Als Folge des Zusammenbruchs seiner Frau, wird der Vater psychologisch unter Zugzwang gesetzt. Der erste Ansatz des Vaters entspricht dem eigentlichen Rollenverständnis und so „ballte er mit feindseligem Ausdruck die Faust, als wolle er Gregor in sein immer zurückstoßen“. Auch hier gelingt der Ausbruch in die eigentliche Rolle nicht. Ein Hinweis für Grund des Scheiterns bietet die Textzeile „sah sich dann unsicher im Wohnzimmer um, ...“ (S. 15, Z. 25), denn im Wohnzimmer steht noch die Frühstückstafel, die als Sinnbild für Rolle des Vaters vor der Verwandlung steht – schließlich hat es sich „bei der Lektüre verschiedener Zeitungen stundenlang“, (S. 15, Z. 41) hingezogen und steht somit für ein Leben, eine Vergangenheit, ohne Beschäftigung.
Nun beweist sich ein faszinierendes Geschick im Aufbau der Erzählung. Man könnte hinter den Geschehnissen eine Trennlinie ziehen und beobachten, was weiterhin passiert.
Der Sohn beginnt nun aktiv in Richtung der Mutter zu streben, woraufhin diese zu entfliehen versucht. (vgl. S. 17, Z. 41 – S. 18, Z. 2) Im Gegensatz zum ersten Aufeinandertreffen der beiden Figuren, nimmt die Mutter nun ihre gesellschaftliche, familiäre Rolle an und distanziert sich von dem „Ungeziefer“ (S. 5, Z. 2f.). Dieser gravierende Umbruch wird vom Umstoßen der Kaffeekanne unterstrichen, wodurch sie ihre Pflichten als Hausfrau verletzt, da sie es nicht reinigt und auch später nicht reinigen wird – gewissermaßen ein Akt der Befreiung.
Im Weiteren wird darauf eingegangen, dass sie durch diese Akzeptanz ihrer Rolle für ihren Sohn nicht länger zu erreichen ist, wie es die Zeilen „dagegen konnte er sich nicht versagen, im Anblick des fließendes Kaffees mehrmals mit den Kiefern ins Leere zu schnappen.“, (S. 18, Z. 9ff.) zeigen. Bezeichnend ist die sofortige Übernahme aller Aspekte, die man von einer Hausfrau zu dieser Zeit erwartet, wie das Fliehen in die Arme des Ehegatten.
Um die Verhaltensweise des Vaters begreifen zu können, muss man wissen, dass die kleinbürgerliche Familie in großem Ausmaß vom gesellschaftlichen Geschehen exkludiert ist. In dem Augenblick, als die Gesellschaft, verkörpert durch den Prokuristen, einen Aufschrei von sich gibt und die Familie damit ins Licht der Öffentlichkeit rückt, sieht der Vater seine Familie in höchstem Maße bedroht und es erwachen in ihm geradezu animalische Urinstinkte. „Unerbittlich drängte der Vater und stieß Zischlaute aus, wie ein Wilder.“ (S. 18, Z. 35f.) Der Vater wird also von Außen in seine Rolle als Familienoberhaupt gedrängt. Sein Gebaren wirkt, maskuliner, offensiver und sodann „holte [der Vater] mit der Linken ein große Zeitung vom Tisch und machte sich unter Füßestampfen daran, Gregor durch Schwenken des Stockes und der Zeitung in sein Zimmer zurück“. (S. 18, Z. 25ff.) Durch die Zeitung wird auch die Stellung des ehemaligen Familienoberhauptes deutlich gemacht. Mittels einer Zeitung vertrieben zu werden, ist wirklich nur eines Ungeziefers würdig. Der letzte Umstand, der in diesem Zusammenhang Bedeutung hat, ist das Aufblühen der Mutter innerhalb ihrer Rolle, sobald der Vater seine eigentliche Stellung wieder gewonnen hat. Sie verhält sich von nun an passiv und bleibt dem Geschehen fern. „Drüben hatte die Mutter trotz des kühlen Wetters ein Fenster aufgerissen, und hinausgelehnt drückte sie ihr Gesicht weit außerhalb des Fensters in ihre Hände.“ (S. 18, Z. 30ff.)

Zusammenfassend lassen sich folgende Tatsachen zusammentragen: Innerhalb der bisherigen Familienstruktur gibt es einen Wandel. Dieser Prozess geschieht in zwei Phasen bei der Mutter und dem Vater. Eingangs scheinen beide Personen selbst zu schwach und zu stark in ihrer Rolle verhaftet, als dass es eine Veränderung geben könnte. Von Furcht motiviert, findet die Mutter in ihre gesellschaftlich akzeptierte Rolle. Der Vater wird über seinen Beschützerinstinkt von der Gesellschaft in seine Rolle gezwungen. Gregor hingegen, übernimmt die ehemalige Funktion des Vaters – schwächlich und nutzlos.
Harlekin ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Hausaufgabe zu Kafkas "Die Verwandlung"

Themen-Optionen Thema durchsuchen
Thema durchsuchen:

Erweiterte Suche


Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
"Nadelkissen" oder "die französische Heldin" Tanais Gefühlte Momente und Emotionen 7 20.03.2015 23:27
Neu hier! "Blut" NS-Thematik Sin Philosophisches und Nachdenkliches 0 08.12.2009 14:31
Novembersee alias "Die Grauzone" poeasy Gefühlte Momente und Emotionen 0 27.11.2009 10:50
"Himmel der Hoffnung" oder "Zufluchtsort" Sehnsucht Gefühlte Momente und Emotionen 0 03.05.2009 13:28


Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.