Loslassen

[FeelLetter]

Loslassen

Loslassen. So ein einfaches Wort. Nimm den Stein in deine Hand und lass ihn los. Warte auf den lauten Knall, wenn er auf dem Boden aufschlägt. Dann gehe weiter.
Lass die Glaskugel los. Schließe nicht mehr deine schützenden Finger um sie. Lass los. Lass den lauten Knall zu, die fliegenden Scherben. Die letzten Stücke werden beseitigt werden. Du wirst ihr noch ein wenig nachweinen, aber außer der Erinnerung bleibt später nichts mehr erhalten.
Loslassen. So einfach. So schwer.
Jedes Jahr, beim Frühlingsputz wieder, finde ich so viele Sachen, die ich nicht mehr brauche. Theoretisch. Jedes Jahr wieder. Und wieder bewahre ich sie auf. Zu viele Erinnerungen. Zu viele wenn und aber. Aber wenn wir zu Fasching diesen alten Rock noch brauchen. Aber wenn der Bruder in ein paar Jahren ein Kind bekommt. Aber wenn wir es doch noch verwenden wollen. Aber wenn...
Aber was, wenn wir loslassen?
Wenn wir manches auf den Müll werfen. Wenn wir manches verschenken. Wenn wir manches spenden.
Wenn wir alles aufbewahren. Jedes Jahr wieder.
Loslassen. Eine Veränderung.
Es ist zu bequem, um etwas zu verändern. Was, wenn uns die Veränderung nicht gefällt? Wenn wir unser Leben lang daran zurückdenken, wie es vorher war? Wenn es vorher besser war?
Es war doch schon immer so. Ich kenne es nicht anders. Alles an seinem Platz. Warum umräumen? Warum plötzlich auf etwas verzichten, von etwas Abschied nehmen?
Vielleicht könntest du mehr Bücher in deinem Regal unterbringen, wenn du die Kinderbücher weggibst. Du wirst die Kindheit schon nicht vergessen. Erinnerung.
Vielleicht würdest du dir ein neues Kleid kaufen, wenn du dich von dem zu kleinen trennst. Du wirst dich immer an dieses Fest erinnern. Neue Erinnerungen.
Vielleicht wird alles besser, wenn du den Schritt in die Zukunft wagst. Du wirst weitergehen mit der Vergangenheit als Rückenwind. Fortschritt.
Loslassen. Es gibt Momente, da lässt du los, ohne groß zu überlegen. Intuitiv, unbewusst. Oder weil deine Entscheidung schon lange gefallen ist.
Es gibt Momente, da weißt du, dass du loslassen musst. Aber du willst nicht. Du kannst nicht. Und deine Finger krallen sich noch fester um die Glaskugel.
Doch siehst du nicht die Kratzer und Sprünge? Hörst du nicht, wie das Glas knirscht?
Auch deine sanften Finger können nicht jedes Material heilen, können nicht ewig wärmen. Nicht alles hält ewig. Viel weniger.
Loslassen.
Hoffnung heißt nicht, zu wissen, dass es gut ausgehen wird.
Hoffnung heißt, zu wissen, dass es gut sein wird, egal wie es ausgeht.
Lass los. Übergib die Glaskugel dem aufkommenden Wind. Schau, ob sie weiterschwebt oder zu Boden sinkt. Warte auf den letzten Augenblick, wenn er kommen muss. Sammle die letzten Splitter ein.
Lass los. Spürst du auch das Glas nicht mehr unter deinen Fingern. Spürst du auch die Tränen im Gesicht. Spürst du auch die scharfen Kanten der Scherben in deinem Fleisch.
Lass los.
Er kann nicht mehr. Nicht mehr kämpfen. Du kannst nicht mehr. Nicht mehr kämpfen um ihn.
Lass los.
Ich werde ihn nicht vergessen. Du wirst ihn nie vergessen. Lass ihn los und er wird immer da sein.
Erinnerung.

[Veitch]

Mit Wiederholungen gekonnt zu arbeiten, ist immer besonders schwierig. Man hat immer die Gefahr Langeweile zu erzeugen. Leider passiert das auch hier. Zum einen ist das Thema Selbstmitleid und Loslassen von Beziehungen so häufig bearbeitet, dass eigentlich nur neue Blickwinkel wirklich Interesse hervorrufen können, zum anderen machen die Wiederholungen es noch schlimmer. Sie sind zu viel des Guten. Du hast sowohl inhaltlich als auch sprachlich den Text damit gedehnt, ohne ihm tatsächlich mehr Inhalt zu geben.

Nach dem Einstieg war das einzig Interessante, dass es vielleicht doch nicht um das Loslassen von einer Beziehung, sondern um Banaleres geht, wie es mit den Umzugsgegenständen angedeutet war. Das Ende hat mich dann enttäuscht und wurde auch so überaus deutlich, dass es an jeglichem Interpretationsspielraum mangelt.

Weglassen würde hier sehr viel verbessern, aber gut machen würde es die Geschichte noch nicht.