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18.02.2012, 16:15 | #1 |
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Als ich einmal Verstopfung hatte
Als ich einmal Verstopfung hatte
Die folgende Geschichte ist mir furchtbar peinlich, und ich erzähle sie auch nur, um vor unbeabsichtigter Nachahmung zu warnen. Der eine wird sich in Schadenfreude wälzen, der andere sich ekelnd abwenden, aber das liegt nicht an mir, sondern an seiner bildhaften Vorstellung. Alles begann eigentlich beim Imbisswirt Alex und mit meinem undiszipliniertem Magen. Ein fürchterlicher Werwolfshunger drängte mich dazu, die Frikadellen-Flatrate von Alex für nur zehn Euro zu konsumieren, eine mathematische Entgleisung, denn die dicken, harten Dinger, eine Co-Produktion vom Backwerk und vom Fleischergesellen, kosten einzeln eh nur neunzig Cent. In der neuen medizinischen Geschichte ist kein Fall bekannt, in dem es jemand je gelungen ist, mehr als drei von den Bremsklötzen zu verzehren, aber irgendeine innere Verfügung, auf die der Verstand keinen Einfluss hat, ließ mich den Rekord auf vier hinunter schlingen. Die Folgen dieser Ausschweifung waren verheerend. Über Wochen litt ich an traumatischer Verstopfung, und mein Darm schien eine Betonmauer errichtet zu haben. Die üblichen, ungebetenen Ratschläge und Hilfsmittel wie Tees, Rhizinusöl, Zwiebelkuren, Geburtszangen, Po-Massagen und Abführmittel blieben wirkungslos, auch das Aufsuchen eines Voodoo-Priesters und einer Hebamme blieben ohne Erfolg. Mit langen Spaziergängen half ich mir über die beginnende innere Verwesung hinweg, und eine dieser Wanderungen endete in der Konditorei Gruber, deren Namen ich verändert habe, um kommende Schadenersatzansprüche auszuschließen. Nach zwei starken Mokka schien mein inneres Betriebssystem wieder hochzufahren, mit einer gänzlich neu aktualisierten Version, die sich mit fürchterlichen Bauchschmerzen vorstellte. So diskret und gelangweilt es ging, suchte ich die dafür im Untergeschoss errichteten Örtlichkeiten auf, und in einer Blitzaktion entledigte ich mir die Beinkleider. Mit übermenschlicher Anstrengung wehrte ich den nächsten Bauchkrampf ab, während ich instinktiv den seit frühester Kindheit trainierten Schließmuskel anspannte, um die Kontrolle über mein weiteres Tun zu behalten. Das Schicksal jedoch ist nicht immer gerecht und greift immer dann ein, wenn man gerade seine eigenen Pläne hat. So entlud sich trotz meiner Weigerung eine Kanonade von unangenehmen und auch nicht besonders gestimmten Tönen, die immer dann entstehen, wenn Luft gewaltsam melodisiert wird. Die Geräusche waren sicher bis ins entfernte Gewerbegebiet zu hören, und oben im Verkaufsraum ging man von einem Bombenalarm aus. Mein Entsetzen aber breitete sich über die Feinmotorik meiner Nase aus. Eine Art Giftgas schien sich unsichtbar über den Boden zu schlängeln, stieg die Wände hinauf, verteilte sich Besitz ergreifend im ganzen Raum, um sich dann aus dem fensterlosen Raum durch die Ritzen und Fugen auch in den anderen Örtlichkeiten vorzustellen. Krampfartig und wie gebannt hielt ich mit dem Anspannen des Schließmuskels die zu erwartende Katastrophe auf. Die Augen flitzen im verzerrten Minenspiel von links nach rechts und wieder nach links, meine Ohren erreichten Radarqualität, so dass sie den dumpfen Fall eines Körpers registrierten, dessen Immunsystem offensichtlich zart besaitet war. In meinen Eingeweiden formte sich ein unberechenbarer Tsunami, und meine verzweifelte Gegenwehr nahm metamorphosische Zustände an, als ginge es darum, die Geburt eines Propheten zu verhindern. Als sich meine Verzweiflung nicht mehr verheimlichen ließ, die ich gerne mit etwas Erhabenheit unterstützt hätte, verließ eine sintflutartige Erleichterung meinen Körper, so als hätten sich alle Klospülungen dieser Stadt synchronisiert und einen Testdurchlauf gestartet, begleitet von einem Sinfonieorchester, das eine Wagner-Oper intonierte. Danach entschied sich der Klodeckel für eine spektakuläre Erkundung in den Raum, an den Wänden meiner Notunterkunft waren plötzlich abstrakte Muster als Vorlage für Andy Warhol zu sehen, und in der Decke taten sich leichte Risse auf. Mir persönlich ging es eigentlich ganz gut, ein schläfriges Gefühl der Behaglichkeit überkam mich, aber die aufkommende Lebensfreude wurde schlagartig durch einsetzende Panik vertrieben. Mit einer Hand hielt ich die Tür zu, aus der das Schloss gesprungen war, mit der anderen ergriff ich die desertierende Klorolle mit den lächerlichen dreihundert Blatt. Fluchend registrierte ich das Signalhorn der nahenden Feuerwehr, die ersten alarmierten Einsatzkräfte stürmten die Treppe herunter, Befehle wie „Giftalarm“ und „In Deckung“ nahm ich nur nebenbei war, ebenso die verzweifelten Äußerungen des Einsatzleiters, dass man das SEK nicht informieren könne, weil die Funkgeräte versagten. Leise setzte ich die Verrichtung einer notdürftigen Säuberung fort, wunderte mich aber, dass sich meiner Kabine niemand näherte. Durch einen Türspalt erfuhr ich auch den Grund: Ein nahe der Tür liegender Körper mit heruntergelassenen Hosen, dem das Inferno wohl beim Urinieren erwischt hatte, wurde reanimiert und alle Anwesenden von Roten Kreuz und vom technischen Hilfswerk kümmerten sich um ihn. Das dauerte so eine viertel Stunde, dann war Ruhe eingekehrt. Ich wagte mich vorsichtig aus der Deckung, ließ meinen Parka für die UFO-Experten zurück, stieg über die Absperrung und gelangte ungehindert in den Gastraum, wo an meinem Platz noch ein Mokka stand, allerdings nur noch lauwarm. Verblüfft bemerkte ich, dass außer mir niemand mehr im Laden war. Ordnungsliebend brachte ich die Tasse zum Geschirrwagen zurück, bemerkte dabei verwundert die riesigen Planen, mit denen man die Backwaren abgedeckt hatte und wandte mich dem Ausgang zu. Ich öffnete einer Kolonne von Handwerkern die Tür und gab erste Anweisungen für die anstehenden Renovierungen, bevor ich mich auf dem Heinweg machte. Jeronimo |
18.02.2012, 16:20 | #2 |
Forumsleitung
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Ich lach mich weg! Das ist ja wirklich superklasse geschrieben, gerade richtig für die Jahreszeit.
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18.02.2012, 21:09 | #3 |
R.I.P.
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Grööööööhl!
Und nur 1 Fehler! |
19.02.2012, 17:11 | #4 |
gesperrt
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Herzlichen Dank für Eure lieben Kommentare!
Jeronimo |
19.02.2012, 18:08 | #5 |
abgemeldet
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du hast einen unterhaltsamen erzählstil jeronimo und deine geschichten sind gespickt mit allerlei lustigkeiten.
auch hier wieder daumen hoch für diesen "stinker" lg sabi |
19.02.2012, 20:32 | #6 |
R.I.P.
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Jeronimo hatte wieder den richtigen Riecher!
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19.02.2012, 21:20 | #7 |
Warum erzählst so köstlich und willst nicht, dass wir die brisante Tat nachahmen?
Stark inspiriert. gummibaum |
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20.02.2012, 00:16 | #8 |
gesperrt
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Hallo Sabi und Gummibaum,
habt Dank für Euren Zuspruch! Und es freut mich, dass es manchem zu einem Wortspiel animiert. Das Nachahmen geschieht auf eigene Gefahr! Biogas ist nicht ungefährlich, aber es erleichtert ungemein. Jeronimo |
15.06.2012, 13:21 | #9 |
gesperrt
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I offer you my deepest condolences on this dark day.
Babsi |
15.06.2012, 13:29 | #10 |
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Vielen Dank für Dein Mitgefühl.
Du siehst, ich habe es wahrlich nicht leicht. |
Lesezeichen für Als ich einmal Verstopfung hatte |
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