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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

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Alt 01.11.2020, 17:31   #1
männlich n.o.body
 
Dabei seit: 04/2020
Ort: München
Beiträge: 5

Standard Sammlung Deutsche Kriegsgräberfürsorge

Sammlung Deutsche Kriegsgräberfürsorge

1

Am Westfriedhof, wo meine Eltern liegen,
da steht in Feldgrau ein Soldat.
Mit Sammelbüchse. Rotgesichtig.
Geschwätzig. Keinen Heller sollst Du kriegen.

2

Ich muß an meinen Onkel Willi denken.
Ein Auge weg. Die Hand verstümmelt.
Granatensplitter aus dem Stahlgewitter
im Kopf. Und Dir, Soldat, soll ich was schenken!

3

Mein Onkel Ruppert ist im Krieg verschollen.
Das letzte, was man von ihm sah:
Er ging vom Unterstand ins Freie.
Er hat wohl sein Geschäft verrichten wollen.

4

Ich zünd ein Licht an, zupf die welken Blätter.
Es tut mir gut, wenn ich das tu.
Ich les in meinen Bilderbüchern
mit meinen Toten im Novemberwetter.

5

Ich geh zurück. Ich hör ihn Reden schwingen,
den Grenadier vom Westfriedhof.
Was Wehes fährt mir ins Gemüt.
Die Welt in Freundlichkeit wird nie gelingen.

6

Ich warte auf die richtige Sekunde
und werf zwei Euro in die Büchse.
Er sieht mich an, gibt mir den Sticker,
sagt Dankeschön, und ich verlaß die Runde.



Ich fragte mich, warum ichs tat.

Ich wollt den Film mit Happy End.
Das Paradies für den Moment.

Ich wollt Dein Lächeln sehn, Soldat.
n.o.body ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.11.2020, 22:30   #2
männlich Epilog
 
Dabei seit: 10/2019
Ort: in den Wolken
Alter: 56
Beiträge: 515

Standard Guten Abend n.o.body

la cambe

den onkel willi gab es auch für mich
ich lernte ihn natürlich niemals kennen
erst vierzig jahre später habe ich
verzagt an seinem grab nachsinnen können

la cambe nennt sich der ort bei isigny
ich fragte mich umsonst, was ihn verbrachte
in die damals viel fernre normandie
und ihm mit zwanzig jahrn ein ende machte

als meine mutter ich kürzlich verlorn
hab ich die feldpostbriefe mitgenommen
und hab sie aufzuarbeiten geschworn
doch bin dazu bis jetzt noch nicht gekommen

ich glaube nur, dass es ihr wichtig war
an einem punkt die trauer zu verorten
nun biete ich ihnen gedenken dar:
es bleibt bei diesen unvollkommnen worten ...

Allerseelen-Grüße sendet

Epilog
Epilog ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.11.2020, 23:07   #3
weiblich Unar die Weise
 
Benutzerbild von Unar die Weise
 
Dabei seit: 10/2016
Ort: in einem sagenhaften Haus
Alter: 42
Beiträge: 5.271

Standard Hallo Nobody.

Dein Gedicht ist so gar nicht niemandlich.
Drin macht sich Einzelschicksal breit.
Ich habs mir zugeführt und drauf herumgekaut, doch schlucken wöllt ichs nicht.
's quält mich, piekt und mahnt mich so.
Dennoch wollte es mehrfach gelesen werden.
Auch Epilogs Gedicht berührte.

Ich stopf das mal in meine Favoritensammlung.
Muss ja noch oft nachdenken dürfen drüber.

Gruss zum Anfang des Melancholiemonats.
Unar
Unar die Weise ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.11.2020, 22:58   #4
männlich n.o.body
 
Dabei seit: 04/2020
Ort: München
Beiträge: 5

Schöne Grüße zurück von
N.O.Body!
n.o.body ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.11.2020, 07:54   #5
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
Dabei seit: 07/2015
Alter: 60
Beiträge: 6.687

Hallo n. o. body,

ich finde es gut, dass du das Thema aufgreifst. Dein Gedicht wirkt aufrüttelnd.
Früher habe ich so ähnlich gedacht wie das LI in der ersten Strophe. Heute sehe ich es anders. Die meisten Soldaten waren wohl eher nicht freiwillig im Krieg.
Und dass ein solcher Krieg niemals in Vergessenheit geraten soll, dass die Gräber uns zurufen, so etwas darf nie wieder passieren, das assoziiere ich mittlerweile mit der Sammlung.
Ich glaube, ich weiß, warum das, LI was in die Sammelbüchse warf...
Dein Gedicht kommt auch zu meinen Favoriten.

Viele Grüße
DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 03.11.2020, 21:30   #6
männlich n.o.body
 
Dabei seit: 04/2020
Ort: München
Beiträge: 5

Hallo Silbermöwe,
danke für Deine Worte und viele Grüße von N.O.Body
n.o.body ist offline   Mit Zitat antworten
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