Der Brunnen (oder: Die dunkle Seite)

[Ilka-Maria]

Den Finger hob warnend die Alte:
"Geh nicht zu dem Brunnen hin,
halte fern dich von seinem Rande,
er vergiftet dir bloß den Sinn.
Was du darin kannst erblicken,
was er dir zu flüstern vermag,
wird dich keineswegs entzücken,
sondern erschrecken bis ins Mark."

Ich vergaß rasch die weisen Worte,
die ich damals nicht recht verstand,
es zog mich magisch zu dem Orte,
wo der steinerne Brunnen stand.
Ich beugte mich über die Tiefe
und sah in den dunklen Schlund,
mir war, als ob man mich riefe
von des Brunnenwassers Grund.

Plötzlich starrte aus der Schwärze
ein dämonisches Antlitz empor,
ein Schaudern drang mir ins Herze,
so vertraut kam die Fratze mir vor.
"Deiner Seele diabolische Seite,"
vernahm ich aus eisigem Hauch,
"die der Dämon dir eben zeigte,
diese Fratze, das bist du auch."

[Perry]

gut gereimt hast du hier die besondere Magie von alten Brunnen eingefangen.
Zwar überwiegt das Dunkle, aber es gibt auch positive Eigenschaften, die man ihnen zuspricht. So sind sie in einigen Geschichten auch Tore zu anderen Welten bzw. Zeiten. Gern gelesen!
LG
Perry

[Ilka-Maria]

Danke für das Feedback.

[Ex-Gamma]

Ja es wirklich so wie Du es sagst. Nur möchte ich es oft nicht wahrhaben. Dein Gedicht gefällt mir sehr.

lgGamma

[Thing]

Grausig!

Hoffentlich darf ich es unter der Kategorie "Grimms Märchen" einordnen.
Welche Abgründe!



Aber gibt es auch nicht-steinerne Brunnen?


Thing
(schaudernd)

[Ilka-Maria]

Zitat von Thing

Aber gibt es auch nicht-steinerne Brunnen?


Thing
(schaudernd)

Ja, nicht befestigte, sondern direkt in die Erde eingelassene Brunnen - man nennt sie auch '"Wasserlöcher".