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Liebe, Romantik und Leidenschaft Gedichte über Liebe, Herzschmerz, Sehnsucht und Leidenschaft.

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Alt 18.12.2016, 01:43   #1
männlich Heinz
 
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Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Standard Verzeih mir

Entdeckt
und bestaunt
die Keilschrift
mit Jahrtausend alten Epen
auf tönernen Tafeln

Entziffert
und gedeutet
die Hieroglyphen
mit bilderreichen Rätseln
in Granit gemeißelt

Gefunden
und enträtselt
die Runenschrift
mit ihren Zaubersprüchen
auf altbemoosten Steinen

Gelesen
und verstanden
die handgeschriebnen
Märchen, Sagen und Legenden
auf eingerolltem Pergament

Erfühlt
und mitgefühlt
in Rinden eingeritzte Schwüre
mit Pfeil im Herzen
in hundert Jahre alten Buchen

Warum
so frag ich mich
zerstört ich gnadenlos
die eingebrannten Lettern
auf blutenden Herzens Haut
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Alt 18.12.2016, 13:00   #2
Stachel
 
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Beiträge: 954

Vielleicht, weil sie unbegreiflich sind, nicht mit den Händen tast- und spürbar.
Mit den Augen zu sehen, heißt nicht, auch mit dem Herzen sehen zu können. Mit den Fingern lesen, heißt nicht, auch mit dem Herzen lesen zu können.
Wer weiß, möglicherweise ist das andere auch noch viel schwerer und unverständlicher, wenn man das eine gewohnt ist.

Die Verknüpfung zwischen alten, oft rätselhaften Schriften, die das LyrIch zu entziffern vermag und der Seele eines anderen Menschen, dessen Gefühle hier als eingebrannte Schrift auf der Wand ("Haut") des Herzens gedeutet werden, finde ich gelungen. Es lohnt sich für mich, darüber zu sinnieren.
Der Titel löst sich erst am Ende des Gedichtes, und zwar nach der Reflexion des Lesers über das Gelesene, schließlich auf. Auch das finde ich sehr gut.
Er trifft und lässt wiederum mehrere Bedeutungsebenen zu. War es aufrichtige Reue? War es lapidar dahergesagt? Und was genau wäre zu verzeihen? Die Verletzung des Herzens? Das Nichtlesenkönnen? Die Beschäftigung mit dem Alten mehr denn mit der Gegenwart?

Danke für dieses schöne und anregende Werk!

Freundliche Grüße von
Stachel
Stachel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.12.2016, 13:16   #3
männlich Heinz
 
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Beiträge: 7.879

Hallo Stachel,
Du hast intuitiv erfasst, wo der Hase hinläuft, um das mal ganz salopp zu sagen.
Mit der Herzhaut - da schwirrte mir ein Gedicht Hilde Domins (soviel ich weiß, ist sie Jüdin und ganz weit im Hinterkopf gibt es irgendwo im Alten Testament eine Stelle, in der Gott etwas auf die Herzhaut des Menschen schreibt, etwas Unauslöschliches - aber da muss ich noch mal nachschauen) durch den Kopf: "Bitte" und die erste Strophe lautet:
Wir werden eingetaucht
und mit den Wassern der Sintflut gewaschen
Wir werden durchnässt
bis auf die Herzhaut
Das Sinnen und die Einsichten des LI hast Du völlig richtig interpretiert: Alles kann und weiß es, nur in Herzensdingen bleibt ihm am Ende nur die Bitte um Verzeihung, weil es (das LI) trotz aller Belesenheit und aller Kenntnisse einen eigentlich unverzeihlichen Fehler gemacht hat.
Danke fürs Hineinschauen und -denken!
Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.12.2016, 22:45   #4
weiblich Unar die Weise
 
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Beiträge: 5.271

Ein wunderbarer Text, über des Menschen Unfähigkeit, in den Herzen und Seelen anderer zu lesen und zu deuten.
Jeglicher Fortschritt wird nicht genügen, um dies zu enträtseln.
Deshalb werden wir in Ewigkeit nur auf eines vertrauen können ~ Intuition.


Ich habe diese Zeilen genossen, Unar.
Unar die Weise ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.12.2016, 23:02   #5
männlich Heinz
 
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Beiträge: 7.879

Liebe unar,
ich danke für Dein Lob und die weise Schlussfolgerung!
Vielleicht erlaubst Du eine Ergänzung?
Intuition - ein unterschätzter Sinn! Aber nicht so allumfassend wie meine angebotene Lösung:
Deshalb werden wir in Ewigkeit nur auf eines vertrauen können - Liebe!

Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.12.2016, 23:04   #6
weiblich Unar die Weise
 
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Heinz, du meinst es gut.
Aber, Liebe macht blind!

Unar
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Alt 18.12.2016, 23:34   #7
männlich Heinz
 
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Beiträge: 7.879

Ich widerspreche einer klugen Frau nicht gern, aber hier muss ich:

Verliebtheit macht blind - das stimmt.
Liebe - o Gott, das wird ein Aufsatz - Liebe lässt tiefe Blicke ins Innere des anderen zu, Liebe macht sehend (im Alten Testament liest man öfter "Sie erkannte ihn"), Liebe fügt die beiden Hälften eines Menschen zusammen, Liebe ist stärker als der Tod (um nochmal aufs A.T. zu kommen).

Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.12.2016, 23:59   #8
weiblich Unar die Weise
 
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Beiträge: 5.271

In diesem Kontext hast du vollkommen Recht, lieber Heinz.
Aber, ich weiß, das man aus Liebe zu dem Anderen oft sich selbst/sein Selbst vergisst. Dieser Zustand nützt keinem, und führt nicht zur Erkenntnis.

Es ist, wie es ist. Unar

P.S. Danke, das du mich für klug hälst.
Unar die Weise ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.12.2016, 02:11   #9
männlich Heinz
 
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Beiträge: 7.879

Liebe unar,
ich gehe immer davon aus (das ist meine Art Vorurteile zu machen), dass mein Gegenüber klug, ehrlich, anständig - gut ist. Diese Meinung behalte ich, bis mir das Gegenüber das Gegenteil beweist. In der Regel bin ich damit immer gut gefahren und habe nur wenige Ent-täuschungen erlebt (Wobei, deshalb die Worttrennung, meist gar keine Täuschung durch den anderen vorliegt, sondern weil man sichh selbst was in die Tasche gelogen hat oder - blind vor Verliebtheit war. Da fällt mir gerade ein, dass E.F. Verliebtheit mit dem englischen Begriff "falling in love" erläutert: Man fällt in die Liebe, ungeschickt, tolpatschig, blind, deshalb, so E.F. gehört es sich, die Kunst zu erlernen, mit Liebe richtig umzugehen).
Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.12.2016, 02:32   #10
männlich dr.Frankenstein
 
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Na. So ist das, Herzhaut gefällt.

Erich Fromm
Zitat:
Ist Lieben eine Kunst? Wenn es das ist, dann wird von dem, der diese Kunst beherrschen will, verlangt, dass er etwas weiss und dass er keine Mühe scheut. Oder ist die Liebe nur eine angenehme Empfindung, die man rein zufällig erfährt, etwas, was einem sozusagen „in den Schoss fällt“, wenn man Glück hat? Dieses kleine Buch geht davon aus, dass Lieben eine Kunst ist, obwohl die meisten Menschen heute zweifellos das Letztere annehmen.

Nicht als ob man meinte, die Liebe sei nicht wichtig. Die Menschen hungern geradezu danach; sie sehen sich unzählige Filme an, die von glücklichen oder unglücklichen Liebesgeschichten handeln, sie hören sich Hunderte von kitschigen Liebeslidern an – aber kaum einer nimmt an, dass man etwas tun muss, wenn man es lernen will zu lieben.

Diese merkwürdige Einstellung beruht auf verschiedenen Voraussetzungen, die einzeln oder auch gemeinsam dazu beitragen, dass sie sich am Leben halten kann. Die meisten Menschen sehen das Problem der Liebe in erster Linie als das Problem, selbst geliebt zu werden, statt zu lieben und lieben zu können. Daher geht es für sie nur darum, wie man es erreicht, geliebt zu werden, wie man liebenswert wird. Um zu diesem Ziel zu gelangen, schlagen sie verschiedene Wege ein. Der eine, besonders von Männern verfolgte Weg ist der, so erfolgreich, so mächtig und reich zu sein, wie es die eigene gesellschaftliche Stellung möglich macht. Ein anderer, besonders von Frauen bevorzugter Weg ist der, durch Kosmetik, schöne Kleider und dergleichen möglichst attraktiv zu sein. Andere Mittel, die sowohl von Männern als auch von Frauen angewandt werden, sind angenehme Manieren, interessante Unterhaltung, Hilfsbereitschaft, Bescheidenheit und Gutmütigkeit. Viele dieser Mittel, sich liebenswert zu machen, sind die gleichen wie die, deren man sich bedient, um Erfolg zu haben, um „Freunde zu gewinnen“. Tatsächlich verstehen ja die meisten Menschen unseres Kulturkreises unter Liebenswürdigkeit eine Mischung aus Beliebtheit und Sex-Appeal.
dr.Frankenstein ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.12.2016, 21:25   #11
männlich Heinz
 
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Beiträge: 7.879

Hallo, dr. Frankenfeld,
Du hast recht: Wer könnte in verständlicher Sprache ein komplexes Thema so gut in verkürzter Form darstellen als Erich Fromm selbst?
Danke für das (Vorwort/Klappentext) des Büchleins "Die Kunst des Liebens"!
Gruß,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.12.2016, 01:54   #12
männlich Ex-Ralfchen
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Dabei seit: 10/2009
Alter: 77
Beiträge: 17.302

ich verzeihe...dir...aber diesen beschissenen freaks auf dieser welt nie und nimma

http://up.picr.de/27214747jq.jpg
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.12.2016, 02:22   #13
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
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Ort: Arrival City, auf der richtigen Seite des Mains
Beiträge: 31.044

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Warum
so frag ich mich
zerstört ich gnadenlos
die eingebrannten Lettern
auf blutenden Herzens Haut
Ich liebe die kurzen, knappen Verse, und da kommt mir dieses Gedicht - durchdacht und auf eine Schlussfolgerung zielend - sehr recht.

Tontafeln, Granit, Pergament, Buchenrinde ... hier kommen weichere, aber auch sehr harte (Granit) "Datenträger" ins Spiel, die alle in der Lage sind, lange Zeiten zu überstehen und die uns von unsterblicher Liebe Zeugnis gegeben haben.

Aber da ist dieser Muskel, bei dem jeder liebende Mensch sehr vorsichtig sein muss, was er in ihn hineinbrennt, denn was stabil jahrzehntelang einen Organismus am Leben erhalten kann, wird schnell in einem leichtsinnig entfachten Feuer vernichtet.

Diese Idee ist in "festen, dauerhaften" Bildern schnörkellos zu einer Erkenntnis geführt worden, die es sicherlich auch in Zeiten der Stelen und des Pergaments gab. Damals schrieb man es auf für die Ewigkeit. Heute lässt man sich scheiden und geht eine neue Beziehung mit einem Lebensabschnittsgefährten ein. Oder schreibt in Poetry ein Gedicht. Gerne gelesen!

Noch kurz zu Erich Fromm: Manches schätze ich an seinen Werken, vieles nicht. Ganz gewiss schätze ich nicht sein Buch "Die Kunst des Liebens". Es war ein Renner in den 80er Jahren - und alle Paare, die ich damals kannte, gaben zu: Wir haben es versucht, aber wir können nach diesem Ideal nicht leben.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.12.2016, 05:43   #14
männlich Heinz
 
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Guten Abend!
wenn ich mir Mühe gegeben habe, ein "durchdachtes" Gedicht zu schreiben, hast Du mühelos den Kern heraus geschält. Setzt man den ersten Versen
der ersten fünf Strophen (entdeckt/entziffert/gefunden/gelesen/erfühlt) jeweils ein "Ich habe.." davor, was die "Belesenheit" des LI, seine theoretischen (intellektuellen) unterstreicht, wird - so hoffe ich - klar, dass der Schlauberger ein deutliches Defizit da hat, wo es um Herzensangelegenheiten geht. Aber, ich will nicht mein eigenes Gedicht interpretieren, höchstens einen weiteren Aspekt hinzufügen und Dir für Deinen Kommentar danken.

Zu Erich Fromm: Die Kenntnis seiner Schriften begann durch einen Zufall Mitte der siebziger Jahre. Ich hatte ein Interwiew mit Manes Sperber im TV gesehen, ich glaube ein Thema war u.a. sein Buch "Der brennende Dornbusch". Ich war hin und weg und war am nächsten Tag bei "meiner" Bibliothekarin - das Büchlein musste bestellt werden (so etwas dauerte damals zwei bis drei Tage) und die unglaublich belesene Dame meinte, wenn mir die klaren Antworten Sperbers so gefallen hätten, könne sie mir für die Wartezeit Erich Fromm mit besagtem Büchlein empfehlen. Das wiederum passte wie die Faust aufs Auge in die Vorbereitung eines Referats "Soziologie der Paarbeziehungen". E. Fromm - das war um 1975 noch ein weitestgehend ungehobener Schatz; der Rest des Seminars war dann von der Diskussion seiner Betrachtungen geprägt.
Du hast Recht: Der Versuch, seinem Idealbild entsprechend zu handeln, ist kaum jemand eins zu eins gelungen. So ist das halt im Leben - der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach (fast könnte ich diese Allerweltsweisheit zur Überschrift meines Gedichts machen). Aber das ändert nichts, wie ich finde, an den die Zeiten überdauernden (beinahe seherischen) Blick E. Fromms auf die Liebe. So oder ähnlich würde ich meine Einstellung zu seinen Werken legen (und sehr überzeugend und handlungsanleitend wirkte auf mich sein Buch "Haben oder Sein).
Nochmals: Merci für Deinen Kommentar!
Heinz
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