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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 18.08.2010, 13:42   #1
männlich Perry
 
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Beiträge: 3.762

Standard ruinengesang

du hast mich zurückgelassen als haus
ohne scheiben in den fenstern
vertreibt wind wärme, nässt regen böden,
doch es wächst nichts aus dielen,
auf denen wir einst stepptanz übten.

kein stamp, hop, heel oder shuffle
bringt die bretter mehr zum schwingen.
der mond wirft bizarres an die wände
selbst der igel sucht schutz vor der
alles erdrückenden umarmung der nacht.

Geändert von Perry (18.08.2010 um 18:09 Uhr)
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Alt 21.08.2010, 09:51   #2
männlich Ex-Abendstern
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Hallo Perry,

gefällt mir wieder mal ziemlich gut. Allerdings klingt "ohne scheiben in den fenstern" doppeltgemoppelt, auch wenn es das nicht ist. Ich würde aber eh "du hast mich zurückgelassen / als haus mit zerbrochenen scheiben" bevorzugen. Doch wahrscheinlich schliddere ich damit mal wieder haarscharf an deiner Intention vorbei.

Ich weiss nicht, hast du hinter "fenstern" den Punkt vergessen, oder ist das Absicht so? Meinereiner würd nen Punkt setzen. Einen Gewinn durch Verzicht auf denselben sehe ich jedenfalls momentan nicht.

Vor allem aber: Igel sind nachtaktiv. Schwer nachzuvollziehen, warum ausge- rechnet sie die Nacht als drückende Umarmung empfinden und Schutz vor ihr suchen sollten. Anders würde es auf mich wirken, hättest du geschrieben: "selbst der igel sucht schutz vor der / alles erdrückenden umarmung d i e s e r nacht".

Trotzdem gern gelesen.
Gruss
Abendstern
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Alt 21.08.2010, 11:24   #3
männlich Perry
 
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Standard Hallo Abendstern,

danke für dein interessiertes Lesen und die Nachfragen.
Die ersten drei Zeilen sind als Enjambement mit folgenden Lesarten gedacht:

du hast mich zurückgelassen als haus

als haus ohne scheiben in den fenstern

ohne scheiben in den fenstern vertreibt wind wärme, nässt regen böden,

Normalerweise verwendet man für solche Konstruktionen keine Satzzeichen. Hier bin ich mir noch unschlüssig.

Was den Igel anbelangt, ist es so gemeint, dass die Umarmung so erdrückend ist, dass selbst der nachtgewohnte Igel flüchtet.

LG
Perry
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Alt 22.08.2010, 11:10   #4
männlich Ex-Abendstern
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Hallo Perry,

das mit den Enjambements hatte ich schon verstanden, auch die Sache mit dem Igel.

Es ist nur so, dass mich beim Lesen zweierlei etwas irritiert, obwohl ich das Gedicht insgesamt für sehr gelungen halte.

Erstens die Fenster ohne Scheiben; um das Enjambement ging es mir dabei nicht. "Fenster ohne Scheiben", das klingt für das, was du ausdrücken möchtest, meinem Empfinden gemäss zu sauber, zu vollständig herausgenommen. Ich jedenfalls habe in den Fenstern einer Ruine (sofern sie eimal mit Glasscheiben versehen waren) stets noch wenigstens Reste von Glas gefunden. Scherben halt. Natürlich könntest du mit "Scheiben" unversehrte, ganze Scheiben meinen, sodass Glassplitter implizit wären, jedoch, nocheinmal, es klingt anders - und es wirft Fragen auf, von denen ich mir weder im Bild noch in der Übertragung vorstellen kann, dass du sie hast aufwerfen wollen.

Dann die Sache mit dem Igel. Ein solcher ist nicht einfach nur ein "nachtge- wohtes" Tier, dem es in Sachen Dunkelheit auch einmal zuviel werden könnte; er fürchtet sich vor keiner Nacht, auch nicht vor der Schwärzesten. Weder innerhalb einer Ruine, noch ausserhalb - und er kennt auch keine Angst vor den bizarren Schatten, die der Mond wirft. Mir fehlt hier vom Text, von den bisher gewählten Bildern her einfach die Begründung dafür, warum "sogar der Igel" vor der Um- armung der Nacht Schutz suchen oder flüchten sollte, weswegen für mich auch die Übertragung nur gebrochen funktioniert. Aber da bin ich wohl zu kleinlich, denn es ist ja deutlich erkennbar, was du meinst. Und prinzipiell passt der Igel schon hinein ins Bild der Ruine.

Gruss
Abendstern
Ex-Abendstern ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.08.2010, 11:25   #5
männlich Perry
 
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Beiträge: 3.762

Standard Hallo Abendstern,

danke fürs Feedback. Mit deinem Tiefenspüren dringst du natürlich in Bereiche ein, die über die "normale" Bildsprache hinausgehen.
Ich gebe dir mit den Scheiben als Ganzes vollkommen recht, zerbrochene wäre viel naheliegender. Der Igel als Tier wird sich vor einer noch so dunklen Nacht sicher nicht fürchten, er wird hier als Wesen personifiziert, dass die geistig dunkle Präsenz der Nacht spüren kann.
Ich denke gerne über Alternativen nach.
Danke und LG
Perry
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