Das Leben bei Poetry.de

FeelLetter · 24.08.2010, 19:56

Das Leben

Wenn dein Kind bei McDonald’s bettelnd auf die Walt Disney-Figur aus Plastik zeigt, die auf Knopfdruck ein Lied von sich in einer unverständlich schlechten Tonqualität gibt, das dir trotzdem nicht für Kinder gemacht erscheint, und du dich mit einem Seufzer zu dem Studenten mit dem gelben M auf seinem Hemd beugst, um ein Happymeal zu bestellen, mit einem Hamburger, der nach zwei Bissen auf dem Müll landen wird.

Wenn du die Aluverpackung des zerquetschten und schon fast flüssigen Überraschungseis von der gerade noch als solche erkennbare Schokolade zu schälen, um diese massenproduzierte Köstlichkeit, die du nie nur als solche gekauft hättest, geschweige denn zu dir genommen, von der gelben Plastikdose zu lecken, und du wenige Sekunden später eine Hand voll kleiner undefinierbarer Stückchen vor dir liegen hast und das auch beim siebten Ei.

Wenn du einen alten Wintermantel mit Pelz, noch von deiner Großmutter, aber trotzdem eigentlich noch modern oder auch wieder, zögernd der Modehändlerin in die Hände drückst, um nach dem Ausfüllen eines dir überflüssig erscheinenden und noch mehr verunsichernden Formulars einen dreißig Euro Gutschein zu erhalten, der in einem Jahr abgelaufen sein wird, und du zwei Tage später an der Kasse erinnert wirst, dass du für mindestens 150 Euro einkaufen musst, um die dreißig Euro erlassen zu bekommen, und du zu der stundenlang gesuchten und dann sofort geliebten Jeans für dreißig Euro einen Schal, ein Paar Socken und eine aus Verzweiflung nicht einmal probierte Jacke mit entsprechendem Preisschild legst.

Wenn du den künstlichen, gar nicht an Himbeere erinnernden Geschmack auf deiner Zunge wahrnimmst, der dann wortwörtlich an dieser wegen der eisgekühlten Kälte kleben bleibt, und du nach einigen schmerzvollen Sekunden und unsicheren Minuten den langsam in der äußeren Hitze schmelzenden Nicht-Himbeergeschmack schnell und mit verzerrtem Gesicht in dich aufsaugst, um nach Vollenden der Arbeit den Kaugummistiel von der Hülle zu befreien und den Kaugummientzug der letzten halben Stunde auszugleichen.

Wenn du erst in den Krapfen beißen musst, um zu wissen, ob er mit Marmelade oder Senf gefüllt ist.
Wenn dann doch Senf aus deiner Nase quillt.

Thing · 24.08.2010, 20:10

....dann

Halli Hallo,

würde ich mein Leben umkrempeln und zum wirklichen Leben zurückkehren.
Das gelingt natürlich nur, wenn man die von Dir geschilderten Dinge und Begebenheiten als das erkennt, was sie sind. Ein aufgeblasenes NICHTS.
Wie Du es gut geschildert hast.

Weiter so!

Thing

Ilka-Maria · 24.08.2010, 23:16

Das sind die Scheinprobleme der Schnäppchenjäger und Sparfüchse.

McDonals habe ich nie gebraucht, mein Sohn auch nicht; für alte Sachen will ich nichts mehr haben, und Lockangebote nach dem Motto "soviel zahlst Du und soviel geben wir für Altes" überhöre ich. Punktesammeln und Payback interessieren mich nicht, Kundenbindungssysteme sind mir suspekt, denn sie dienen in erster Linie dazu, Daten über den Kunden zu sammeln. Mit dieser Einstellung behalte ich mehr Geld im Säckel als die Punktejäger und Optimierer und halte mir unerwünschte Werbung vom Hals. Und ich schone meine Nerven und spare das wichtigste: Zeit und Energie.

Ich beoabachte diese Entwicklung seit über 15 Jahren, Kunden durch die Vergabe von Kreditkarten, mit denen Punkte gesammelt werden können oder mit denen sonstige Vorteilte (angeblich) verbunden sind, einzufangen. Die AGBs und die Kartenanträge mußten immer vom Anwalt auf rechtliche Korrektheit geprüft und meistens in mehreren Überarbeitungen die Texte gesetzlich angepaßt werden. Im Falle eines bestimmten Unternehmens war das für den Anwalt eine dauerhafte, lukrative Sache, denn die warfen Kreditkarten en masse auf den Markt, für alle möglichen Einsatzmöglichkeiten eben, wobei die AGBs immer wieder angepaßt werden mußten - nicht zuletzt, weil die Rechtsprechung sich dauernd änderte. Jeder Mitarbeiter, der mit solch einer Neukarteneinführung zu tun hatte, wurde übrigens gleich zum "Director ...." ernannt, natürlich ausgestattet mit der dazugehörigen Visitenkarte und einem entsprechenden Gehalt. Damit sich das ganze rechnet, wurden nach dem Einsatz der Karten horrende Gebühren bei denen erhoben, die diese Karten als Zahlungsart akzeptiert hatten.

Ergebnis: Seit Jahren treffe ich in Restaurants und an Tankstellen auf Schildern mit dem Hinweis, daß die Karten dieses Unternehmens nicht mehr akzeptiert werden. Auf meine Anfrage erhielt ich jedesmal die Bestätigung: "Die verlangen unverschämt hohe Gebühren." Irgendwo muß nämlich das Geld herkommen, um die Ware oder den Service zu bezahlen; und was man vermeintlich durch Punktesammeln und Payback und sonstige Kartenvorteile zu sparen glaubt, zahlen die Anbieter - und die sind somit gezwungen, die Preise zu erhöhen, was auf den Verbraucher zurückschlägt. Oder aber die Anbieter verweigern die Teilnahme am System.

Das Schlimme ist, daß die Masche nicht durchschaut wird - und das fängt bei McDonalds, Karstadt und Kaufhof an. Selbst im Rewe-Supermarkt werde ich gefragt, ob ich Punkte sammele. Es nervt! Soll ich mich denn den ganzen Tag mit solch einem Scheiß befassen?

FeelLetter · 25.08.2010, 18:07

Ja, ich wurde heute auch schon gefragt, ob ich Punkte sammle. Na klar und bei 100 Punkten genehmige ich mir dann ein Glas Wein oder da könnte man dann auch glatt schon Alkoholiker werden, wenn man wollte.
Vor dieser netten Frage an der Kasse hatte meine Mutter im Regal lecker Schokolade im Sonderangebot erspäht. Als ich sie dann fragte, ob es für diese Schokolade überhaupt noch einen Normalpreis gebe (die ist immer im Sonderangebot) und ob sie sie überhaupt mag, die Schokolade, na ja, ihre klare Antwort war "nein". Wir kauften dann drei Tafeln. Hmmm lecker!

Doch manchmal, ja manchmal kommt mir das Leben so vor. Solch einfache Beispiele könnte man schon leicht umgehen, aber...
manchmal komm ich erst über tausende Umwege zu meinem Kaugummi (Glück?).
Vielleicht ist das Leben so.

24.08.2010, 19:56	#1
FeelLetter Dabei seit: 08/2010 Ort: zwischen Grashalm und Teer Beiträge: 278 Meine Gedichte Meine Favoriten	Das Leben Das Leben Wenn dein Kind bei McDonald’s bettelnd auf die Walt Disney-Figur aus Plastik zeigt, die auf Knopfdruck ein Lied von sich in einer unverständlich schlechten Tonqualität gibt, das dir trotzdem nicht für Kinder gemacht erscheint, und du dich mit einem Seufzer zu dem Studenten mit dem gelben M auf seinem Hemd beugst, um ein Happymeal zu bestellen, mit einem Hamburger, der nach zwei Bissen auf dem Müll landen wird. Wenn du die Aluverpackung des zerquetschten und schon fast flüssigen Überraschungseis von der gerade noch als solche erkennbare Schokolade zu schälen, um diese massenproduzierte Köstlichkeit, die du nie nur als solche gekauft hättest, geschweige denn zu dir genommen, von der gelben Plastikdose zu lecken, und du wenige Sekunden später eine Hand voll kleiner undefinierbarer Stückchen vor dir liegen hast und das auch beim siebten Ei. Wenn du einen alten Wintermantel mit Pelz, noch von deiner Großmutter, aber trotzdem eigentlich noch modern oder auch wieder, zögernd der Modehändlerin in die Hände drückst, um nach dem Ausfüllen eines dir überflüssig erscheinenden und noch mehr verunsichernden Formulars einen dreißig Euro Gutschein zu erhalten, der in einem Jahr abgelaufen sein wird, und du zwei Tage später an der Kasse erinnert wirst, dass du für mindestens 150 Euro einkaufen musst, um die dreißig Euro erlassen zu bekommen, und du zu der stundenlang gesuchten und dann sofort geliebten Jeans für dreißig Euro einen Schal, ein Paar Socken und eine aus Verzweiflung nicht einmal probierte Jacke mit entsprechendem Preisschild legst. Wenn du den künstlichen, gar nicht an Himbeere erinnernden Geschmack auf deiner Zunge wahrnimmst, der dann wortwörtlich an dieser wegen der eisgekühlten Kälte kleben bleibt, und du nach einigen schmerzvollen Sekunden und unsicheren Minuten den langsam in der äußeren Hitze schmelzenden Nicht-Himbeergeschmack schnell und mit verzerrtem Gesicht in dich aufsaugst, um nach Vollenden der Arbeit den Kaugummistiel von der Hülle zu befreien und den Kaugummientzug der letzten halben Stunde auszugleichen. Wenn du erst in den Krapfen beißen musst, um zu wissen, ob er mit Marmelade oder Senf gefüllt ist. Wenn dann doch Senf aus deiner Nase quillt.

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24.08.2010, 20:10	#2
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	....dann Halli Hallo, würde ich mein Leben umkrempeln und zum wirklichen Leben zurückkehren. Das gelingt natürlich nur, wenn man die von Dir geschilderten Dinge und Begebenheiten als das erkennt, was sie sind. Ein aufgeblasenes NICHTS. Wie Du es gut geschildert hast. Weiter so! Thing

24.08.2010, 23:16	#3
Ilka-Maria Forumsleitung Dabei seit: 07/2009 Ort: Arrival City Beiträge: 31.082 Meine Gedichte Meine Favoriten	Das sind die Scheinprobleme der Schnäppchenjäger und Sparfüchse. McDonals habe ich nie gebraucht, mein Sohn auch nicht; für alte Sachen will ich nichts mehr haben, und Lockangebote nach dem Motto "soviel zahlst Du und soviel geben wir für Altes" überhöre ich. Punktesammeln und Payback interessieren mich nicht, Kundenbindungssysteme sind mir suspekt, denn sie dienen in erster Linie dazu, Daten über den Kunden zu sammeln. Mit dieser Einstellung behalte ich mehr Geld im Säckel als die Punktejäger und Optimierer und halte mir unerwünschte Werbung vom Hals. Und ich schone meine Nerven und spare das wichtigste: Zeit und Energie. Ich beoabachte diese Entwicklung seit über 15 Jahren, Kunden durch die Vergabe von Kreditkarten, mit denen Punkte gesammelt werden können oder mit denen sonstige Vorteilte (angeblich) verbunden sind, einzufangen. Die AGBs und die Kartenanträge mußten immer vom Anwalt auf rechtliche Korrektheit geprüft und meistens in mehreren Überarbeitungen die Texte gesetzlich angepaßt werden. Im Falle eines bestimmten Unternehmens war das für den Anwalt eine dauerhafte, lukrative Sache, denn die warfen Kreditkarten en masse auf den Markt, für alle möglichen Einsatzmöglichkeiten eben, wobei die AGBs immer wieder angepaßt werden mußten - nicht zuletzt, weil die Rechtsprechung sich dauernd änderte. Jeder Mitarbeiter, der mit solch einer Neukarteneinführung zu tun hatte, wurde übrigens gleich zum "Director ...." ernannt, natürlich ausgestattet mit der dazugehörigen Visitenkarte und einem entsprechenden Gehalt. Damit sich das ganze rechnet, wurden nach dem Einsatz der Karten horrende Gebühren bei denen erhoben, die diese Karten als Zahlungsart akzeptiert hatten. Ergebnis: Seit Jahren treffe ich in Restaurants und an Tankstellen auf Schildern mit dem Hinweis, daß die Karten dieses Unternehmens nicht mehr akzeptiert werden. Auf meine Anfrage erhielt ich jedesmal die Bestätigung: "Die verlangen unverschämt hohe Gebühren." Irgendwo muß nämlich das Geld herkommen, um die Ware oder den Service zu bezahlen; und was man vermeintlich durch Punktesammeln und Payback und sonstige Kartenvorteile zu sparen glaubt, zahlen die Anbieter - und die sind somit gezwungen, die Preise zu erhöhen, was auf den Verbraucher zurückschlägt. Oder aber die Anbieter verweigern die Teilnahme am System. Das Schlimme ist, daß die Masche nicht durchschaut wird - und das fängt bei McDonalds, Karstadt und Kaufhof an. Selbst im Rewe-Supermarkt werde ich gefragt, ob ich Punkte sammele. Es nervt! Soll ich mich denn den ganzen Tag mit solch einem Scheiß befassen?

25.08.2010, 18:07	#4
FeelLetter Dabei seit: 08/2010 Ort: zwischen Grashalm und Teer Beiträge: 278 Meine Gedichte Meine Favoriten	Ja, ich wurde heute auch schon gefragt, ob ich Punkte sammle. Na klar und bei 100 Punkten genehmige ich mir dann ein Glas Wein oder da könnte man dann auch glatt schon Alkoholiker werden, wenn man wollte. Vor dieser netten Frage an der Kasse hatte meine Mutter im Regal lecker Schokolade im Sonderangebot erspäht. Als ich sie dann fragte, ob es für diese Schokolade überhaupt noch einen Normalpreis gebe (die ist immer im Sonderangebot) und ob sie sie überhaupt mag, die Schokolade, na ja, ihre klare Antwort war "nein". Wir kauften dann drei Tafeln. Hmmm lecker! Doch manchmal, ja manchmal kommt mir das Leben so vor. Solch einfache Beispiele könnte man schon leicht umgehen, aber... manchmal komm ich erst über tausende Umwege zu meinem Kaugummi (Glück?). Vielleicht ist das Leben so.