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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 28.06.2023, 16:48   #1
männlich Cornelius
 
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Beiträge: 394

Standard Ein Tag wie jeder andere (23.Mai 1618)

Zur Prager Burg, dem Hradschin, strömen
an einem Maientag in Böhmen
Vertreter von des Landes Ständen.
Sie kommen nicht mit leeren Händen.

Dem Kaiser geht's an Herz und Nieren,
was sie ihm grimmig präsentieren.
Er liest, die Stirn in Falten schon,
die dargereichte Petition:

"Wenn unser Sinn nicht ganz vernebelt,
dann wird von Euch hier ausgehebelt,
was man in Augsburg einst beschlossen.
Wir sind darob recht sehr verdrossen.

Seid zu gewähren Ihr nicht willig
des Glaubens Freiheit, recht und billig,
so werden mit geschlossnen Reihen
der Bitte Nachdruck wir verleihen."


Matthias muss in finstre Brauen
und auf geballte Fäuste schauen.
Die Sache wird recht unbehaglich,
der Ausgang scheint schon mehr als fraglich.

Wie wird er jetzt noch Herr der Lage?
Beim Essen klärt sich manche Frage...
Gerade wird eins angerichtet.
Mit Glück wird so der Streit geschlichtet.

"Wir wollen gleich, euch zu versöhnen,
mit einem Festmahl euch verwöhnen
und uns dann später noch beraten.
Jetzt gibt es erstmal Schweinebraten."

Sie werden in den Saal geführt,
wo, vom Tumulte ungerührt,
des Kaisers Räte Platz genommen.
Die Atmosphäre wird beklommen.

Berüchtigt ist des Hauses Küche
für scharfe Würze und Gerüche.
Schon steigt zum Schneiden dicker Wrasen
den Gästen in die feinen Nasen.

Sie blicken stumm und unzufrieden
umher im Saal der Premysliden.
"Wir werden billig abgespeist.
Sind deshalb wir so weit gereist?

So sei es denn! Doch vor dem Essen
wird füglich zu Gericht gesessen.
Ihr Herren, machen wir es kurz.
Das Urteil lautet: Fenstersturz!"

Slavata und von Martinitz
erheben sich von ihrem Sitz.
Fabricius ist schon aufgesprungen
und bis ans Fenster vorgedrungen.

Dasselbe liegt im zweiten Stock.
Gemildert wird des Anblicks Schock
durch einen Haufen Pferdemist,
der hier frisch abgeladen ist.

Sie retten mit beherztem Sprung
ihr Leben in dem weichen Dung.
Der Fall ist glimpflich abgedämpft.
Im Schloss wird ums Buffet gekämpft.

Es braucht ein kaiserlicher Rat
zum Adel einen guten Draht.
Zum Glück lädt Gräfin Lobkowitz
die Drei auf ihren Alterssitz.

Sie bleiben sämtlich ungetadelt.
Fabricius wird sogar geadelt.
Er nennt sich nun auf jedem Ball:
"Gestatten, Herr von Hohenfall."

Europa hat wie Donnerschlag
erschüttert jener Maientag.
Das Resultat war Waffenklang
und Blutbad dreißig Jahre lang.
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