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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 23.08.2008, 20:23   #1
männlich Caliban
 
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Standard Durch Glas

Durch Glas und nochmal Glas
blickst du, wo immer ich stehe,
herzseitig von mir weg.
Wo und wann immer wir uns nicht begegnen,
trag’ ich dein bitt’res Erbe in
die süßesten Stunden.

Nie endende, hochgereizte Spiele
werden ein ums and’re mal begonnen
und wieder und wieder und wieder
begonnen, begonnen, denn wir
sind und waren stets die Helden der ersten
– und nur der ersten –
Stunden.

Ein ungekannter Sohn der Söhne trägt dein Erbe:
Einen letzten Rest Schicksal.
Und herzseitig von mir weg blickst du,
durch Glas und nochmal Glas.
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Alt 14.06.2010, 03:16   #2
weiblich C.Alvarez
 
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Beiträge: 4.889

Hallo Caliban,

sehr pathetisch, sehr theatralisch. So Sachen mag ich.
Sohn der Söhne... sowas gefällt mir auch. Als meine Freundin noch lebte nannte man sie "Schönste der Schönen"... das hat mich daran erinnert. Ich liebe solche Formulierungen.

Ganz ehrlich: Das Thema deines Gedichtes habe ich überhaupt nicht kapiert. Aber ich habe beim Lesen gefühlt, wie grandios es ist und wie sehr es mir gefällt. Es erinnert mich an schöne Zeiten, die ich erleben durfte. Und an ihr Ende.

Liebe Grüsse

Corazon
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Alt 14.06.2010, 12:05   #3
männlich Caliban
 
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Hallo, steinernes Herz,

ja krass, da hast Du ja was ausgegraben, von dem ich nicht mal mehr wusste, dass ich's hier eingestellt hatte. Also danke erstmal für die "Wiederbelebung" und auch für's Lesen.

Das Thema erschließt sich nicht so ohne weiteres, da es ein Stück Familiengeschichte ist, weswegen ich mich frage, wieso ich es damals überhaupt eingestellt habe, da die Hintergründe ja außerhalb meiner Familie kaum bekannt sein dürften.
Es richtet sich an einen meiner Großväter, den ich nie kennengelernt habe, weil er vor meiner Geburt starb.
Auslöser des Gedichts war ein gerahmtes Foto von ihm mit Brille (daher "durch Glas und nochmal Glas, das Glas des Bilderrahmens und die Brillengläser stehen zwischen seinen Augen und denen des Betrachters, sie stehen sinnbildlich allerdings auch für unüberwindliche Trennwände, die es mir unmöglich machten, einen Bezug zu ihm aufzubauen, nämlich sein Tod und etwas, das er getan hat). Das herzseitige Wegblicken bezieht sich ebenfalls auf das Foto, er sieht nicht direkt in die Kamera, sondern blickt quasi links (herzseeitig) am Betrachter vorbei und drückt parallel auch die Frage aus "was hättest Du von mir gehalten, würden wir uns kennen?"
Er ist für mich ein schwieriges Thema, da er wohl über weite Strecken seines Lebens ein Mensch war, der mir, wäre er nicht mit mir verwandt, wohl zutiefst zuwider wäre, jedoch wird mir oft gesagt, wie sehr ich ihm in Neigungen, Begabungen und auch menschlichen Schwächen ähnele. Und daher frage ich mich (denn LI und Verfasser sind hier nicht trennbar), welche Beziehung ich wohl zu ihm gehabt hätte. Er ist mir gleichzeitig mahnendes Beispiel und Anhaltspunkt für die Richtung, in die ich mein Leben lenke, eine Art personifizierte innere Stimme, das Teufelchen und das Engelchen auf meinen Schultern, wenn man so will.
Endlichkeit, das memento mori, ist also tatsächlich ein Kernthema.

Freut mich, dass es gefällt.
Lg,
Caliban
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Alt 14.06.2010, 21:29   #4
männlich Perry
 
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Beiträge: 3.762

Standard Hallo Caliban,

ohne deinen aufhellenden Komm hätte ich mich vermutlich schwer getan, diesen Text aufzuschlüsseln. Das "herzseitig" (einmal hätte auch genügt), hätte mich wohl eher in eine Beziehungsgeschichte hinein manövriert.
Sprachlich ist mir der Text zu adjektivlastig (bitt'res, süßesten) und durch die vielen Wiederholung zu aufdringlich, aber das ist vermutlich Geschmackssache.
LG
Perry
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Alt 14.06.2010, 23:12   #5
weiblich C.Alvarez
 
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Lieber Caliban,

deine Erläuterungen haben mich sehr berührt und dein Text erscheint mir dadurch illuminierter. Wie ein Ziel, das dein Text hat und erreicht.
Hat mich persönlich wirklich sehr berührt.

Liebe Grüsse

Corazon
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Alt 15.06.2010, 10:43   #6
männlich Caliban
 
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@ Perry: Ich mag Adjektive, sie sparen Sätze. Aber Du hast recht, man wird mit Adjektiven oftmals unnötig zugebombt, bis man sie nicht mehr ertragen kann. Und meine eher expressionistisch-symbolisch angehauchte Schreibweise ist aus heutiger Sicht wohl auch ein bisschen veraltet. Seit der Gruppe 47 darf man sowas ja nicht mehr.
Wie gesagt, k.A. warum ich den Text eingestellt habe, ich vermeide es eigentlich, allzu spezifisch biographische Texte öffentlich zu machen, einfach weil logischerweise ohne entsprechende Erläuterungen keiner was damit anfangen kann. Und man ist dann gezwungen, im Internet mit seiner Vita hausieren zu gehen. Andererseits war es mir da vielleicht auch gar nicht so wichtig, verstanden zu werden, sondern wollte wahrscheinlich eher die sprachliche und technische Ausführung bewertet haben. Naja. Danke jedenfalls fürs Lesen und Kommentieren.

@Corazon: Vielen Dank.

Lg,
Caliban.
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Alt 27.07.2010, 06:36   #7
männlich Ex-Poesieger
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Für einen Nachruf ist es ein bisschen mager, aber für eine "Erbannahme" auch etwas zu unaufgeregt. Wahrscheinlich hast du schon gebraucht, bis diese Worte so standen. Literarische Qualität , kommt durch das Glas, weil es nicht nur durch den realen Bezug unterstreicht, sondern auch übergreifend, Trennung und Wertlosigkeit sowie Bindung und Wertschätzung auf eine Stufe setzt die Autor und Leser weiterführt.

LG RS
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Alt 27.07.2010, 18:27   #8
männlich Caliban
 
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Threadnekromantie gerät hier stark in Mode was?

Poesiesieger, Du sprichst dem, was ich zu diesem Schrieb hier dachte und denke weitestgehend aus der Seele. Vielleicht nehme ich mir diesen alten Schinken ja doch noch mal vor.
Danke für den Input.
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