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Sonstiges und Experimentelles Andersartige, experimentelle Texte und sonstige Querschläger.

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Alt 08.05.2007, 12:26   #1
Jeanny
 
Dabei seit: 04/2007
Beiträge: 660

Standard Sieger bleiben...

Mal wieder war es Abend geworden und die Kinder schliefen längst in
ihren Betten.Was tun mit der Zeit, die nun noch übrig blieb ?
Sie hatte das Wohnzimmerfenster weit geöffnet um sich nicht so
eingeschlossen zu fühlen wie früher...
Früher - wie lang war dieses Früher her ? 10 Jahre...20 Jahre...
Ein Leben lang an Jahren ? Sie hatten sie benutzt,geschlagen,
eingesperrt.
Jetzt war sie endlich frei - warum blos ging es ihr so schlecht ?
Angst hatte sie vor den Wänden, die ständig näher zu kommen schienen.Angst hatte sie vor dieser Stille,die einfach zu still blieb,zu
leise, zu ruhig...
Die Stimmen in ihrem Kopf hatten sich murrend und knurrend endlich verzogen - wohin wußte wohl keiner.
Sie stellte den Fernseher an und sah auf das ewig mahlende Gesicht der
Nachrichtensprecherin.Sie verstand nicht, was diese sprach.
In letzter Zeit verstand sie rein garnichts mehr.
Müde war sie, so unsagbar müde...
Das urplötzliche Kreischen in ihrem Kopf lies sie aufspringen.
"Schlampe, Schlampe, Schlampe..."sangen die Stimmem in ihr.
"Hure, Krüppel, Missgeburt..."kreischten die Stimmen.
Gehetzt sah sie sich um.
Keiner war da, keiner half- wer sollte auch helfen.
Den Fernseher stellte sie nun lauter und kroch bis an den Bildschirm.
"Geh" schrie`n die Stimmen immer lauter.
Sie versuchte zu ignorieren.
"Geh, geh, geh " tobten die Stimmen.
Sie lief in die Küche, nahm die angebrochene Flasche Chianti und trank
im stehen aus der Flasche.Diesmal,daß wußte sie sofort, würde sie
nicht genug Kraft aufbringen - sie war einfach zu müde, zu tot...
"Du hast es nicht begriffen,Schlampe..."jubelten die Stimmen.
Sie setzte sich mit der Flasche auf den Boden im Wohnzimmer und weinte. Sie konnte das alles nicht mehr ertragen, nicht mehr
aushalten, nicht mehr wirklich wollen.
Sie hatte doch aber gesiegt- überlebt den Alptraum.
Warum starb sie denn jetzt immer weiter ?
Verrückt, sie wurde langsam verrückt.
"Geh, geh, geh, geh, geh" sangen nun die Stimmen.
Ihr Mund wollte schreien,sie hielt ihn mit den Fingern zu.
Schnell zerrte sie die Jeans über ihre viel zu dürren Schenkel,
sah nach den schlafenden Kindern und rannte barfuß aus der Wohnung.
Fort, nur fort, nur fortrennen - aber wo war der Ort,wo auch sie ankam? Gab es den überhaupt ?
Sie hatte ihn noch nicht gefunden,diesen Ort - noch nie...
Langsam lief sie in die Dunkelheit hin zum Park.
Dort hörte keiner wenn sie schrie.
Die Stimmen hatten einen nun gleichmäßigen Rhytmus gefunden.
"Schlampe,Schlampe, Schlampe" sangen sie triumphierend.
Im Park stand sie dann einfach da und wartete.
Müde war sie seit hunderttausend Jahren und so schrecklich traurig.
Wie sollte sie ein Leben lang so weiter leben, wie ihre Kinder groß
ziehen, wie sich ständig gegen so viel wehren ?
Wie schafften das nur die anderen...
Sie schaffte es nicht mehr.
Als die Stimmen nun lachend Befehle kreischten,schrie sie zurück.
Aufhören !
Ich will Liebe, Wärme, Schutz !
Aufhören !
Ich will nach Hause zu meiner Mama, zu meinen Papa...
Aufhören - bitte, bitte - hört doch auf !
Mama, Papa...ich finde Euch nicht mehr.
Ihr habt mich verkauft,verraten, vergessen.
Aber ich lebe doch noch !
Ich bin doch noch da !
Der Klumpen in ihrer Kehle drohte sie zu ersticken.
Das Weinen aus ihr klang wie das Schreien eines Tieres.
Mit blinden Augen tastete sie zum nächsten Baum und hielt sich daran fest. Ganz fest hielt sie den Baum aus Angst, auch diesen verschwinden
zu sehen. Lange stand sie einfach nur da und weinte.
Es blieb nichts anderes zu tun.
"Geh nach Hause"flüsterte der Baum.
"Geh nach Hause-ich werde immer hier sein und auf dich warten..."
Müde kroch sie die Straße entlang.

Als sie am Morgen die Augen aufschlug, da dachte sie:"Scheiß Traum".
Beim aufstehen starrte sie dann ihre Füße an.
Dreckverkrustet...
Jeanny ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.05.2007, 10:37   #2
rollingstoned
 
Dabei seit: 05/2007
Beiträge: 29

Ich fand es etwas mühsam zu lesen, wegen der Unterbrechungen der Zeilenlänge, war das beabsichtigt, wenn ja warum ? Die Tatsache dass sie sich frei wähnt sich aber andererseits nach Geborgenheit sehnt, regte mich zum Nachdenken an. War sie vorher in einer psychiatrischen Klinik ? Es erweckt den Eindruck als wäre sie mal wegen Schizophrenie behandelt worden und ist mittlerweile "geheilt" gewesen (..."Sie hatte doch aber gesiegt- überlebt den Alptraum.. ") Dann hat sie, vielleicht wegen der Nebenwirkungen, ihre Medikamente abgesetzt und so langsam kamen die Stimmen zurück bis zu dem beschrieben Abend. Wie würde es weitergehen ?

Ist allerdings ein wichtiges Thema (wenn Du das damit ausdrücken wolltest), die nachstationäre psychiatrische Versorgung in Deutschland ist echt ein Witz...

Viele Grüsse
-JacK-
rollingstoned ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.05.2007, 11:32   #3
Jeanny
 
Dabei seit: 04/2007
Beiträge: 660

Standard RE: Sieger bleiben...

Hallo,
sie hat nicht mal gewußt, daß sie krank ist.
Dachte, dass andere Leute auch so was haben.
Die Diagnose lautet "Multiple Persönlichkeitsspaltung".
Man hat sie weggesperrt, sinnlose Medikamente verordnet
und das eigentliche Problem verleugnet.
Um in dieser Gesellschaft überleben zu können, hat sie sich
selbst hunderttausend Zwänge auferlegt.
In sich tief drin ist sie total vereinsamt - tot gemacht im Leben.
Glaubst Du, dass es so was gibt ?
Jeanny
Jeanny ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.05.2007, 23:10   #4
rollingstoned
 
Dabei seit: 05/2007
Beiträge: 29

Das manche Menschen sich so fühlen ? Absolut ! Ich hab ein wenig Erfahrung in Sachen Psychiatrie und ich glaube es ist manchmal sogar noch schlimmer. Da würde man sich wünschen, tot zu sein. Wirklich tot! Kann sich aber aus der Zange, die einen umschliesst, einfach nicht befreien. Wie gesagt, an der Versorgung psychiatrisch Erkrankter müsste man noch Eniges ändern.
rollingstoned ist offline   Mit Zitat antworten
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