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Alt 08.05.2014, 19:16   #1
männlich Clemens
 
Dabei seit: 05/2014
Ort: Meta-Bavarian :)
Beiträge: 5

Standard Funkelscherben

Lieber Spiegel,

da ich so eingebildet bin, bist Du der Einzige, der übriggeblieben ist. Mit wem soll ich sonst reden? Siehst Du, da gibst selbst Du keine Antwort mehr. Dafür willst Du mir ins Wort fallen, wenn ich nur den Mund öffne, um Dich *grummel* endlich zum hörenden Schweigen zu bringen. Ha! Siehst Du, da mußt selbst Du lachen. Natürlich liebe ich Dich. Goldis und Narmund, die beiden, sie haben sich längst versöhnt. Warum sollte eine Seele, wie sie hinter der Brust unserer Lieblingsfreunde nur darauf wartet, unsere Namen zu zerreißen, nachdem sie zu weich waren für ihre Hände, warum sollte sie ungeeint bleiben, als wir ihr begegneten? Es gab keinen Grund, daß wir einander, Du und ich, nicht zähneknirschend die Hände reichten, weil wir im Grunde beide satt hatten, was wir sahen. Es waren nicht die Scherben, die das Zerspringen verursacht hatten: Es war das erste Mal, daß wir etwas so Ganzes sahen, mit all seinen Schatten und den wunderbaren, eigentlichen Zügen -
Da, es war wie ein Huschen, ein Hase im Feld, er verschwand sofort. Ich hatte etwas in Deinem Gesicht gesehen, es war noch kein Lächeln, es war tiefer, kürzer, voller Verrat und heimlicher Liebe, rechtmäßiger Verletzung und aufrichtiger Unschuld. Wir hätten nicht gedacht, innerlich, so in Scherben zu liegen, als Du außen so perfekt warst. Du fügtest uns zusammen, doch wir weinten, bevor immer nur zwei Scherben zu einem ganzen Bild zusammenflossen. Es dauerte lange, bis wir einander ohne Risse sehen konnten: Das Sanftere, es floß in die Unlusttiraden unserer Erinnerungen - als dann und wann noch das Leben eines anderen Menschen in den eigenen Augen das Widerspiegeln vergaß.

Daran, mein lieber Spiegel, kannst Du Dich nicht mehr erinnern. Ich kehre zurück, aus versunkenen Gedanken, ich bin in Dich abgetaucht, habe ganz viel gesehen ... und kehre zurück und gehe in die Welt mit den Menschen ohne Fehler, die ich ebensosehr liebe wie Dich. Wie Du das machst, daß ich mich einfach nie vergesse, daß ich das Sanftere behalte, wenn ich Dich verlasse, das wäre ein Wunder, wenn es nicht funktionieren würde. Bleib bloß da hängen, ich könnte es nicht aushalten, stattdessen das nackte Weiß der Wand zu sehen. Wehe Du bist fort über Nacht. Und jetzt grins nicht wieder so lippengespielt, wenn Du so tust, als solltest Du mich bitten, hier zu bleiben. Du willst doch selbst, daß ich rausgehe!

Also, bis bald, sage ich, und hier zwinkere ich dieser glatten und neutralen Fläche zu, die das abwesende Licht als Schattenwurf spiegelt, so daß ich meine Konturen wahrnehme, in dem Wenigen, was übrig bleibt. Wenn es zu hell wäre, könnte ich gar nichts mehr sehen. Dann ginge es mir blendend, hihihi.

He, und wenn Du wieder am Bersten bist, mit Deinen Glitzerscherben in diese Welt zwischen der sichtbaren und der unseren, dann bitte nicht ohne mich, ja? Nimm mich mit, nicht vergessen, Du Schlawiner!

Dein Clemens
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Stichworte
scherben, seele, spiegel

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