von Grenzen

[simbaladung]

Was kann der Taube
vom Hören wissen,
vom Hören sagen,
als dass in ihm schwele
ein Brand, seit er sah,
wie Mienen sich wandeln
beim Hören von Schönem.


angeregt von einem Gedicht aus einem anderen Forum.

[Ringelroth]

Was kann der Blinde
vom Sehen wissen,
vom Sehen sagen,
als dass in ihm schwele
ein Brand, als er hörte,
wie Stimmen sich wandeln,
beim Sehen von Schönem

Als Schwerhöriger, noch dazu mit Tinnitus Geplagter, kann ich dein Gedicht tiefstens nachempfinden.
Aber wie du siehst, passt es auch auf Menschen ohne Augenlicht.

Gruß
Ringelroth

[Persephone]

Hörsturz? Echt heftig.

[Ringelroth]

Dank moderner Hörgeräte liegt meine Hörfähigkeit derzeit bei 75%
Aber der Tinnitus ist nach einem Hörsturz mein ständiger Begleiter, zum Glück aber meistens in ertragbarer Lautstärke.

[simbaladung]

Danke für´s reinschauen.

Ja, Ringelroth, man kanns übertragen, passt auch.
Ich find nur auch das Wortspiel "vom Hörensagen" - "vom Hören sagen" interessant.
Und ich frag mich wirklich, was für eine Vorstellung ein von Geburt an Tauber für eine Vorstellung vom Hören hat. Denkt er in Gebärdensprache? Müsste er eigentlich, dann wär die Lautsprache, wenn er sie später lernt, eine Fremdsprache.

Zu dir: 75%? Das beeintächtigt schon erheblich, oder? Und das Piepen im Ohr auf Dauer, gewöhnt man sich daran? Überhört man es irgendwann wie andere dauerhafte Lärmbelästigungen? Kurzzeitig kenn ich das auch und da war´s ziemlich nervtötend.

lg simba

[Ringelroth]

Das ist eine interessante Frage, in welcher Sprache denkt ein tauber Mensch? Kann man Gebärdensprache denken? Oder hat er im Kopf eine stimmlose Stimme?
Man müsste einfach mal einen fragen, vlt. könnte er es erklären.

Mein ständiger Begleiter ist zu 99% ein hoher Ton, vergleichbar mit einem Radio, das zwischen zwei Sendern eingestellt ist. Es kommt schon mal vor, dass sich die Frequenz ändert und hin und her pendelt, das ist unangenehm. Zum Glück ist die Lautstärke so, dass die täglichen Umgebungsgeräusche den Tinnitus übertönen. Auffällig wird er, wenn ich sehr müde bin, oder wenn ich mich in einem fast geräuschlosen Raum befinde.
Ich kann froh sein, wenn er so bleibt. Weitaus unangehmer ist in manchen Situationen trotz der technischen Unterstützung die geringe Hörqualität. Vor allem, wenn, z. B. bei einer Feier, viele Menschen auf engem Raum sind und alle durcheinander quatschen, dann fällt es schwer sich auf einen Gesprächspartner zu konzentrieren.
Aber was soll's - ich sag mir immer, ansonsten bin ich gesund, also jammer nicht, andre sind viel schlechter dran.

Ich wünsche dir ein sonniges Wochenende
Ringelroth

[simbaladung]

Hallo, Ringelroth,

danke, dass du mir dein Krankheitsbild so genau erklärt hast. Jetzt kann ich mir das viel besser vorstellen.
Hast Recht, jammern hilft nicht, verdirbt nur die Lebensfreude!

Ich hab mich inzwischen ein bisschen umgesehen im Internet auf Gehörlosenseiten und war erstaunt, was ich da alles erfahren hab.
Die Gebärdensprache ist eine richtige Sprache mit Grammatik und Dialekten,
es gibt sogar Gebärdenpoesie. Und ein großer Teil der Gehörlosen empfindet
sich keineswegs als "behindert", sie bevorzugen auch den Begriff taub. Sie vermissen das Hören nicht, weil sie andere Wege zu kommunizieren gefunden haben. (Natürlich gibt es es auch die andere Gruppe, die die Taubheit nicht so voll annehmen.)
Und ich hab tatsächlich auch gefunden, dass viele in Gebärdensprache denken. Aber so richtig vorstellen kann ich es mir immer noch nicht.

lg simba

[Ringelroth]

Aber so richtig vorstellen kann ich es mir immer noch nicht.

Das kann ich auch nicht. Aber unser Hirn ist ja zu den wunderlichsten Dingen imstande.
Gruß
Ringelroth

[simbaladung]

"Aber unser Hirn ist ja zu den wunderlichsten Dingen imstande."

Da sagst du was!

lg simba