Die Ballade vom hölzernen Pferd

[Cornelius]

Singe den Mumpitz, o Muse,
welcher, homerisch erzählt,
mehr als die Hypotenuse
uns in der Schule gequält:

Jahre schon trotzen die Mauern
Trojas dem griechischen Heer.
Soll man sie länger belauern?
Täglich lockt heimwärts das Meer.

Plötzlich verkündet Ulysses,
listig und schlau von Natur:
"Ithaka, ach, ich vermiss es.
Fahren wir endlich retour!

Längst gibt's genug zu berichten.
Aber wir machen den Schwenk,
wenn wir die Anker bald lichten,
nicht ohne Abschiedsgeschenk."

Einige Tage nun schleichen
ohne Getöse ins Land.
Zeit wirds, die Segel zu streichen.
Öde und leer liegt der Strand.

Vor den verriegelten Toren,
wo man Athene verehrt,
steht, wie vom Himmel geboren,
riesig ein hölzernes Pferd.

Krieger logieren im Pansen,
was auch der Seherin schwant,
während, den Mund voller Fransen,
ernst sie die Arglosen mahnt:

"Heiliges Ilion, bedenke!
Unheil und Trauer nur sprießt,
wenn man Danaergeschenke
ganz ohne Vorsicht genießt!"

Aber man will sie nicht hören,
schleppt in die Stadt jenen Gaul,
lässt sich vom Taumel betören,
streichelt ihm zärtlich das Maul.

Kaum ist das Ross frisch gestriegelt,
platzt ihm der hölzerne Bauch.
Trojas Geschick ist besiegelt,
ruhmlos vergeht es zu Rauch.

Doch die Legende lebt weiter,
ewig erhält sie sich frisch.
Ernst, aber manchmal auch heiter
kommt sie stets neu auf den Tisch.