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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 15.05.2008, 08:27   #1
Lila
Gast
 
Beiträge: n/a

Standard Wie das grüne Lied liebt

Das grüne Lied schwillt zu feuchtem
Glanz im Regen, jedes verliebte Blatt
dehnt und sehnt sich nach dem
allerkleinsten Tropfen.

Selbstherrlich überschwemmt
das Wasser oder nieselt nur,
spielt kühl mit seiner Macht.
Die grüne Königin bleibt unbeirrt,

wendet sich zum Sonnengott, blüht auf
und gibt sich hin, bevor sie Hitze
scheuend ihre Wurzeln nährt und
endlich wünscht allein zu sein.
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Alt 16.05.2008, 15:06   #2
blaue_Raupe
 
Dabei seit: 08/2007
Beiträge: 82

Hi Lila,


mal sehn, wie viel Lila sich zum Gedicht aus Grün und Blau zusammengewinnen lässt. Prinzipiell finde ich den Text reizvoll und unaufgeregt erotischer als Manches, was in Haut auf Haut unterwegs ist.
Einige der Bilder, Knüpfungen und Phantasieeinsprengsel gefallen mir, andere weniger, und: den Titel finde ich offen gestanden eher gruselig. Er klingt zwar recht kunstvoll und liest sich auch nett in den Alliterationen & Assonanzen, aber trotzdem hätte er mich fast vom Lesen abgehalten. „Wie ein grünes Lied liebt“ macht einerseits erstmal neugierig, gefällt aber wegen des für mich zu unpassenden „Lied“ Bezuges und dem dazugehörigen „grün“ (Synästhesie in allen Ehren, aber das Konglomerat an dieser Stelle, ohne den Text zu kennen, greift mich nicht genug, da eben der Inhalt der Zeile erstmal hanebüchen und gewollt gepusht wirkt).

Aber wie erwähnt, der Wichtigere Teil des Textes konnte mir schon mehr gefallen. Dazu mal zu den einzelnen Strophen was.

Das grüne Lied schwillt zu feuchtem
Glanz im Regen, jedes verliebte Blatt
dehnt und sehnt sich nach dem
allerkleinsten Tropfen.

Was mir als Bild immer noch nicht runtergeht: das Lied. Als Bezugspunkt im Bild wird es bloß in der ersten Strophe konkreter aufgegriffen, wenn’s auch das Bild sein soll, das dem gesamten Gedicht unterliegt. Der Bezug zum „anschwellen“ einer Musik ist erkennbar, die Leserhythmik des Textes trägt den Begriff meines Erachtens nach allerdings nicht so gut, geschweige denn vom Bild der Reaktionen eines Menschen bzw. im konkreten Bezug, einer Pflanze.
Ansonsten finde ich den Einstieg schon ansprechend, bis hin zum „verliebte“. Vielleicht geht es nur mir so, aber das Wertende und Einengende an der Stelle empfinde ich eher als nehmend denn gebend für den Text. Da fehlt mir, wo ich grade in den Bilderwald gestolpert bin, etwas die Luft zum Atmen im fester definierten und gleichzeitig riesig füllbaren Rahmen, er aber dergestalt unbestimmt bleibt, als dass er für den Großteil der Bilder eigentlich nicht benötigt wird und auch für mich wenig dazutut.
Im Textgefühl finde ich den sich anschließenden Binnenreim dann wieder ganz gut gesetzt, liest sich wie ein Räkeln.

Selbstherrlich überschwemmt
das Wasser oder nieselt nur,
spielt kühl mit seiner Macht.
Die grüne Königin bleibt unbeirrt,

Hier hingegen stört der Bruch zu einem einleitenden Adjektiv etwas weniger, was vermutlich auch daran liegt, dass ich den Rest subtil genug finde, um es mitzutragen und genug einzubinden. V3 hingegen empfinde ich im selben Rahmen als zu erklärend, da es ob der beiden Vorverse redundant wird. Was mir dann aber wieder gefällt, ist das Sprengsel der „grünen Königin“, die auch in der Rhythmik zunächst abgesondert zu sein scheint, aber an der Stelle finde ich’s passend als Einsetzen ihrer Art und Weise der „Machhtausübung“ und dem scheinbaren Entziehen. Find ich gut gelöst.

wendet sich zum Sonnengott, blüht auf
und gibt sich hin, bevor sie Hitze
scheuend ihre Wurzeln nährt und
endlich wünscht allein zu sein.

Was ich hier clever gemacht finde, und es ist gleichzeitig meine Lieblingsstelle im Text: „Hitze“ mit dem folgenden Verlauf und der Wortwahl. Grade die überraschende Wendung zum „Hitze scheuen“ und „Wurzeln nähren“, letztlich ein in der Kraft ebenbürtiger Partner zu sein und ebenso an Geben, Nehmen und sich bis zum nächsten wieder zu distanzieren, wirkt stimmig und tut dem Text auch im Bruch des Tones gut, nachdem ich oben schon das „verliebte“ bemängelt hatte, damit es nicht in eine süßliche Richtung abgleitet. Herbe Einschläge tun ihm gut, wenn ich diesen betrachte, gefällt mir wirklich gut.

Bleibt für mich: ein paar Stärken, ein paar Schwächen. An manchen Stellen, obwohl es zum Bilderteppich passt, kommt das Ganze noch etwas plakativ rüber, etwa im „sich Sehnen nach dem allerkleinsten Tropfen“, anderen Stellen dann aber schöne Wendungen, Bilder und Einblicke.
Sozusagen noch nicht wasserdicht in Bild und Umsetzung, aber an den Stellen, die wasserdurchlässig sein sollen, hat mich der Text schon angesprochen. Grade auch, weil er zwar an manchen Stellen etwas zu definiert und abgenutzt wirkt, aber andrerseits auch was zu bieten hat und an keiner Stelle ins Platte rutscht.

Soweit erstmal ,

VG
r~~~
blaue_Raupe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.05.2008, 09:15   #3
Lila
Gast
 
Beiträge: n/a

Hi Blau,
Das ist der scharfsinnigste Kommentar, den ich bisher online bekommen habe. Sehr detailbezogen, und manchmal triffst Du wirklich den Nagel auf den Kopf (V3, 2te Str). Danke für die Mühe! Du bist ja geradezu berufen, Dichter zu schulen. Dein Ausdruck "unaufgeregt erotisch" hat es mir angetan! Danke! Jetzt werde ich mal schauen ob deine Gedichte so gut sind wie deine Kommentare, was ich doch annehme.
Nett, Dich kennenzulernen!
Lila
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Alt 19.05.2008, 13:25   #4
Lila
Gast
 
Beiträge: n/a

Meine Revision:

Das grüne Lied schwillt zu feuchtem
Glanz im Regen, jedes Blatt
dehnt und sehnt sich nach den
frisch verliebten Tropfen.

Selbstherrlich treibt das Wasser
sein kühles Spiel, bleibt aus,
schüttet oder nieselt nur.
Die grüne Königin, unbeirrt,

wendet sich zum Sonnengott, blüht auf
und gibt sich hin, bevor sie Hitze
scheuend ihre Wurzeln nährt und
leise mit der Erde singt.
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Alt 19.05.2008, 22:07   #5
east_of_eden
 
Dabei seit: 05/2008
Beiträge: 80

hi Lila,

ein sehr schönes Gedicht hast Du geschrieben: Besonders die finalen Zeilen finde ich sehr ansprechend, geheimnisvoll und subtil erotisch. Nach meiner Meinung sollte dieser Bogen Deines Gedichtes in der ersten Zeile eine angemessene Ensprechung finden. Daher wage ich Dir eine veränderte Anfangszeile vorzuschlagen ... und einen etwas modifizierten Titel.

LG, east


Liebesgrüne Königin

Benetzt grüner Lippenklang den
Glanz im Regen, jedes Blatt
dehnt und sehnt sich nach den
frisch verliebten Tropfen.

Selbstherrlich treibt das Wasser
sein kühles Spiel, bleibt aus,
schüttet oder nieselt nur.
Die grüne Königin, unbeirrt,

wendet sich zum Sonnengott, blüht auf
und gibt sich hin, bevor sie Hitze
scheuend ihre Wurzeln nährt und
leise mit der Erde singt.
east_of_eden ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.05.2008, 12:22   #6
Lila
Gast
 
Beiträge: n/a

east,
Oh, deine Worte passen wunderbar. Eigentlich wollte ich trotz der Kritik von blauer Raupe an meinem Titel festhalten, aber ich gebe mich geschlagen. Noch eine kleine Umstellung in S1 (siehe unten) und das Gedicht wird veröffentlicht!
Dank Dir!
Lila


Liebesgrüne Königin

Benetzt grüner Lippenklang den
Glanz im Regen, dehnt und sehnt
sich jedes Blatt nach den
frisch verliebten Tropfen.
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Alt 20.05.2008, 13:14   #7
mabo89
 
Dabei seit: 05/2008
Beiträge: 28

wow... also ich hab mittlerweile einige gedichte hier durchgelesen und stelle fest... meine freunde haben sich geirrt. sie sagten mir meine wären gut... aber die hier und auch deins lila ist wirklich eines, was in 100 oder 200 jahren schüler aus einen deutschbuch interpretieren dürfen

also, hut ab! meine hochachtung hast du

lg
marc
mabo89 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.05.2008, 22:39   #8
east_of_eden
 
Dabei seit: 05/2008
Beiträge: 80

hi Lila,

hast Du sehr gut gemacht. Jetzt ist Dein Werk ebenso harmonisch wie subtil erotisch. Gratulation!

Sehr gerne gelesen!

LG, east
east_of_eden ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.05.2008, 23:28   #9
blaue_Raupe
 
Dabei seit: 08/2007
Beiträge: 82

Hi Lila,


erstmal: es freut mich, dass mit der Textbetrachtung oben was anzufangen war & sie dir für das Gedicht was geben konnte . So soll's ja.

In den letzten Tagen bin ich weniger dazu gekommen, hab aber mit halbem Auge die Überarbeitung mitverfolgt. Um aber nochmal kurz was daraus aufzugreifen (obwohl ich nicht weiß, ob der Text mittlerweile für dich nicht abgeschlossen ist):

"Benetzt grüner Lippenklang den/Glanz im Regen" ist der eingebrachte Vorschlag, da begegnet mir beim Lesen noch 'ne Schwierigkeit: "benetzen" bedeutet ja, etwas mit einem feuchten "Gegenstand" zu berühren und darauf einen Flüssigkeitsfilm zu hinterlassen.
Dieser "Gegenstand" ist hier laut Bezug der Lippenklang, also eigentlich ein Abstraktum, was zwar vielleicht noch ginge, aber "den Glanz benetzen"? Der Glanz entsteht doch durch die Feuchtigkeit dank des Regens, also wäre's folgerichtiger, wenn der Film des Regens die Lippen benetzte, oder Ähnliches. Aber mit was (man weiß es hier nicht, aber) TRockenem etwas bereits Feuchtes benetzen?

Im Rest des Gedichts bist du verstärkt im Bereich des Möglichen in den Bildbezügen geblieben & hast drauf geachtet, dass nichts zu windschief wird, deswegen halte ich das neue Eingangsbild doch noch mal für erwähnenswert für's Gedicht.

Die Korinthe konnte ich mir jetzt nicht verkneifen. Ich hoffe, ersichtlicherweise.

LG
r~~~
blaue_Raupe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.05.2008, 09:42   #10
Lila
Gast
 
Beiträge: n/a

blaue Raupe,
Du passt gut auf! Ich habe inzwischen auch das gleiche Problem gesehen, es war schnell gelöst:

Liebesgrüne Königin

Benetzt der Glanz im Regen
grünen Lippenklang, dehnt
und sehnt sich jedes Blatt nach
frisch verliebten Tropfen.

Nur der Titel ist noch nicht hundertprozentig. Grün hat tendenziell die Assoziation "Neid"...

Danke, dass Du nochmal vorbeigeschaut hast!

east und mabo,
Danke für die positive Aufnahme. Freut mich wirklich!

Lila
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Alt 21.05.2008, 09:47   #11
Babsi18
 
Dabei seit: 05/2008
Beiträge: 26

wow,

das Gedicht hat mir sehr gut gefallen!

lg babsi
Babsi18 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.05.2008, 16:35   #12
blaue_Raupe
 
Dabei seit: 08/2007
Beiträge: 82

Hallo.


Hab grade gesehen, dass du noch auf Titel(anstoß)suche bist ...

Zitat:
Nur der Titel ist noch nicht hundertprozentig. Grün hat tendenziell die Assoziation "Neid"...
Grün, denk ich, ginge schon klar als Grundfarbe, auch im Titel. Soweit ich weiß, ist die Farbe des Neides Gelb und "Grün ist die Hoffnung", obwohl mir auch "grün werden vor Neid", z.B. im green monster, schonmal untergekommen ist.
Aber in der landläufigeren Tendenz ist eben Gelb wohl eher der Neid - dabei seh ich zwar, dass die Hoffnungsschiene nicht die haupttragende in deinem Text ist, aber angesichts der unterliegenden Bilder seh ich da kein allzu großes Problem.

Dass man im Titel was mit "grüne Königin" setzen könnte, finde ich deshab schon. Sie ist eben der Kernpunkt, zu der die Fäden hin- und wieder fortlaufen, und als Begriff und Figur würde es mich auch neugierig machen.
Vielleicht ginge eine Verbindung mit einem Spiel? Eben dachte ich an Schach, aber's passt doch nicht so gut.

Mal sehn, das klappt schon.

Das nochmal,

r~~~
blaue_Raupe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.06.2008, 12:19   #13
Lila
Gast
 
Beiträge: n/a

Babsi,
Danke für den netten Kommentar!

blaue Raupe,
Dank' dir für die Farbassoziation gelb/grün. Und überhaupt für's Helfen...

LG,
Lila
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