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Alt 23.05.2010, 10:27   #1
nexasengel
 
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Standard Nachtwandel

Kapitel 1: Ein ganz normaler Tag

Wie jeden Morgen stehe ich vor meinem Spiegel und betrachte mich. Ich gehöre wohl zu den wenigen Menschen, die mit ihrem Aussehen wirklich zufrieden sind. Meine Nase ist gerade, meine rauchgrauen Augen strahlen Intelligenz aus, meine Lippen sind nicht zu dünn oder zu voll. Klar, es gibt auch bei mir Problemzonen. Ich habe dicke Oberschenkel, einen kleinen Bauchansatz und meine Brüste könnten auch etwas größer sein. Aber im Großen und Ganzen gesehen, bin ich echt zufrieden. Gerade will ich zu meiner Bürste greifen, als mich meine Mutter zum wiederholten Mal zum Frühstück nach unten ruft. Schnell kämme ich mein rötliches Haar durch und ziehe mich an. Die Kette in Form eines Schmetterlings mit grünen Jadesteinen besetz lasse ich unter mein Shirt gleiten. Ein kurzer Schauer überläuft mich als das kalte Metall meine Haut berührt. Noch ein letzer Blick in den Spiegel versichert mir, dass ich gut aussehe. Ich mache einen Schritt aus meinem Zimmer, greife meinen Rucksack und gehe die Treppe hinunter.
In unserer Küche sitzen schon meine Mutter und Damon an unserem Tisch. Mein Vater war wie jeden Morgen schon aus dem Haus um zu arbeiten. Damon grinst mich mit seinem spitzbübischen Lächeln an.
„Hey Syria, du siehst echt klasse aus, so wie immer. Los setz dich endlich und iss was damit wir los können.“
Typisch Damon, denke ich mir. Wir kennen uns seit ich denken kann und immer noch ist er sehr impulsiv, spontan, unruhig und sieht einfach klasse aus. Damon ist fast 1,90 groß, hat kurze schwarze Haare und leuchtend grüne Augen. Ja, ich gebe es zu, ich bin seit langem in ihn verliebt. Auch in der Schule tuscheln schon, dass wir ein Paar seien. Mir ist das ziemlich peinlich, aber Damon lacht nur über solches Getratsche und meint, Hauptsache wir wissen, dass wir nur Freunde sind. Ich selbst bin leider eher der schüchterne Typ Mensch und habe einfach nicht den Mut ihm zu sagen, was ich fühle, auch wenn wir sonst keine Geheimnisse voreinander haben. Ein Seufzer entfährt meinen Lippen. Sofort blicken meine Mutter und Damon auf und er fragt mich sofort besorgt: „Syria hast du was? Geht’s dir nicht gut?“
Automatisch lächele ich und antworte: „Mir geht es gut, macht euch keine Sorgen um mich. Ich habe nur an morgen gedacht, ihr wisst doch das ich wegen meinem Geburtstag total aufgeregt bin.“
Damon nickt und sieht erleichtert aus. Er sieht hinüber zu unserer Uhr. „Oh mein Gott“ ruft er aus. „Wir müssen uns jetzt echt ranhalten Syria, sonst kommen wir noch zu spät!“ Er verbeugt sich vor meiner Mutter, was mir jedes Mal extrem peinlich ist. „Vielen Dank für das gute Frühstück. Ich werde auf ihre Tochter Acht geben wie jeden Tag.“
Meine Mutter nickt und antwortet wie üblich: „ Das hoffe ich Damon.“
Schnell stehe ich auf und greife nach Damons Hand. „Los, komm jetzt.“
Er grinst mich an und zieht mich zur Tür hinaus. Draußen muss ich für einen kleinen Augenblick stehen bleiben und meine Augen mit meiner freien Hand vor der grellen Sonne schützen. Doch Damon zieht mich weiter zu unseren Fahrrädern. „Komm schon Syria, wir haben keine Zeit mehr zum Rumtrödeln.“
Wir machen uns auf den Weg. Nach einer kurzen Fahrt kommen wir zu einer Allee. Die Blätter der Baumwipfel gehen alle ineinander über und bilden ein riesiges, großes, grünes Dach. Der Fahrtwind weht mein Haar nach hinten. Ich breite meine Arme aus und stelle mir vor, sie würden sich in Flügel verwandeln. Der Wind würde mich in höhere Luftschichten zu Artgenossen tragen und unter meinen Flügeln hindurchwehen.
Ein starker Schmerz auf meiner Brust ruft mich in die Wirklichkeit zurück. Was ist denn jetzt los? Ich halte an und bemerke, dass sich das Metall meiner Kette, welche rausgerutscht war, sich sehr stark erwärmt hat. Das ist doch nicht möglich oder?
Damon ruft meinen Namen von der nächsten Kreuzung aus und ich fahre weiter zu ihm.
„Was war denn gerade los Syria?“ fragt mich Damon und schaut mich schon wieder besorgt an. Manchmal nervt es einfach nur, dass er so fürsorglich ist. Anderseits sieht er dabei so süß aus, da kann ich ihm einfach nicht lange böse sein.
„Ach ich dachte ich hätte was vergessen“ spiele ich den Vorfall herunter. Warum sage ich ihm nicht einfach die Wahrheit? Das kann ich mir selbst nicht beantworten.
Gerade rechtzeitig schaffen wir beide es in die Schule. Unser Englischlehrer lächelt milde, als wir mit dem Verhallen des letzen Klingelzeichens in den Raum gehetzt kommen. Die anderen schauen uns beide an. Mir ist es mal wieder sehr peinlich und ich gehe schnell an meinen Platz und mache mich klein. Für den Rest der Englischstunde versuche ich nicht aufzufallen und nachzudenken. Damon schaut immer mal wieder zu mir herüber und grinst mich an. Im Englischunterricht sitzen wir ausnahmsweise mal nicht nebeneinander, das ist aber auch fast die einzige Stunde und selbst hier haben wir eine Art Zeichensprache entwickelt.
Ich gebe Damon zu verstehen, dass er sich auf den Unterricht und nicht auf mich konzentrieren soll und endlich macht er es auch, so dass ich die Zeit finde nachzudenken. Erst wollen sich meine Gedanken diesem merkwürdigen Vorfall von heute früh zuwenden, doch immer wieder schweifen sie zu Damon, zu meiner ersten bewussten Erinnerung an ihn.
Besonders deutlich ist mir heute noch der Regen im Gedächtnis. Damals war ich zum Spielen allein an den Fluss gegangen als der Regen einsetzte. Ich wollte die Böschung hochklettern, um schnell nach Hause zu kommen, doch auf dem nassen Rasen rutsche ich aus und fiel in den Fluss. Das eiskalte Wasser schlug über mir zusammen und nahm mir den Atem. Meine Versuche, mich an die Oberfläche zu strampeln blieben erfolglos und meine Kleidung zog mich immer tiefer nach unten. Die Luft wurde immer knapper und ich begann Wasser einzuatmen und zu schlucken. Auf einmal packte mich jemand von hinten und schaffte es mit Mühe mich an die Oberfläche zu zerren und uns beide an das rettende Ufer zu paddeln. Auf dem zwar nassen, aber dafür sicherem Ufer hustete und spuckte ich erstmal alles Wasser aus meinen Lungen und holte tief Luft. Ich blickte mich um und entdeckte meinen Retter ein paar Meter von mir keuchend am Boden liegen. Schnell krabbelte ich zu ihm hin und erkannte meinen Freund Damon. Er grinste mich müde an und sagte: „Für ein Bad ist das Wasser echt zu kalt. Lass uns lieber nach Hause gehen.“
In diesem Augenblick begann der Schock bei mir einzusetzen und ich fiel Damon schluchzend um den Hals. Ohne Worte tätschelte er unbeholfen meinen Kopf und legte mir seine nasse Jacke um meinen zitternden Körper. Damon stand auf und ich schaute aus verweinten Augen zu ihm hoch. Er bot mir seine Hand, um mir beim Aufstehen zu helfen und ich ergriff sie. Als ich jedoch das Gewicht auf meinen linken Fuß legen wollte, zuckte ich vor Schmerzen zusammen und fiel auf den Boden zurück. Mit neuen Tränen sah ich wieder zu Damon auf. „Ich kann nicht aufstehen, mein Fuß tut so weh“, weinte ich. Mein Freund ging vor mir in die Hocke und antwortete: „Na los, steig auf. Ich bringe dich huckepack nach Hause.“
Ich nickte langsam und legte meine Arme um seinen Hals. Er ergriff meine Beine und winkelte sie an um mich besser tragen zu können. Eng an seinen Körper gekuschelt und so schön warm gehalten, schlief ich schon nach wenigen Schritten ein.
Das Läuten der Schulglocke reißt mich aus meinen Gedanken. Ein leichtes Lächeln umspielt noch immer meine Lippen als mir bewusst wird, dass ich vom Unterricht so rein gar nichts mitbekommen hatte.
„Syria, würden sie bitte noch mal kurz zu mir kommen?“ zitiert mich Mister Warner nach vorn an den Lehrertisch. Mist, jetzt gibt es bestimmt Ärger, weil ich die ganze Stunde nicht aufgepasst habe, denke ich mir.
„Syria“, beginnt mein Lehrer. „Sie sind doch ein cleveres Mädchen nicht? Und für sie beginnt morgen ein neuer Lebensabschnitt! Sie können es sich nicht mehr leisten so herumzuträumen und ihre Aufmerksamkeit anderen Dingen zuzuwenden. Sie müssen erwachsen werden und sich endlich mal konzentrieren. Ich hoffe sie werden sich diesen kleinen Tadel zu Herzen nehmen.“
Ich nicke und versuche einigermaßen schuldbewusst auszusehen. Anscheinend gelingt es mir auch, denn Mister Warner nickt mir nur ein letztes Mal zu und widmet sich irgendwelchen Unterlagen. So schnell wie möglich packe ich meine restlichen Sachen zusammen und gehe aus dem Raum. Draußen wartet Damon auf mich und fragt mit seinem Blick, was gerade los war. Ich schüttele meinen Kopf und sage: „Er hat mir nur eine Standpauke gehalten, weil ich nicht aufgepasst habe.“
„Ah OK, da bin ich aber froh“, antwortet Damon. „Was war denn mit dir los gewesen?“
„Ich habe nur etwas nachdenken müssen, also nichts worüber du dir Sorgen machen müsstest.“ Ich schenke Damon ein beruhigendes Lächeln. Er grinst zurück.
„Na los, du Träumerle. Wir müssen uns schon wieder beeilen, sonst kommen wir diesmal zu spät zum Sportunterricht.“
Ich stöhnte. Sport war eines der wenigen Fächer, die ich richtig hasste und Damon so richtig liebte. Das liegt daran, dass Damon in fast allen Sportarten gut ist und es ihm Spaß macht, mir dagegen kaum eine Sportart Spaß macht und ich, egal wie sehr ich mich anstrenge oder dafür übe, nur schlechte Ergebnisse erziele und somit schlechte Noten. Damon zieht mich weiter zur Turnhalle und bringt mich bis vor die Mädchen Umkleide.
„Damon, du musst jetzt zu DEINER Umkleide gehen. Du weiß ganz genau, wie peinlich mir das jedes Mal ist.“
Damon antwortet mit einem Grinsen, dreht sich um und winkt mir an der Tür zu seiner Umkleide zu. Ich seufze. Ihm kann man wirklich nicht wirklich böse sein, wenn er es zu gut mit einem meint. Mein Blick fällt auf die Umkleidekabine. Anscheinend bin ich wirklich die letze, also beeile ich mich mit Umziehen und betrete die Halle. Vor mir aufgebaut sehe ich viele Matten, zwei Schwebebalken und den Stufenbarren. Ich versuche mich klein zu machen und rein zu schleichen, doch meine Sportlehrerin hat mich schon entdeckt.
„Syria, wie schön das sie uns auch schon mit ihrer Anwesenheit beehren“ ruft sie vom anderen Ende der Halle zu mir herüber, wo sie sich gerade mit dem Sportlehrer der Jungs unterhält. Mit einem reuevollen Blick gehe ich zu ihr herüber. „Entschuldigen sie bitte meine Verspätung, aber Mr. Warner wollte mich nach dem Unterricht noch sprechen und ich wurde dadurch leider aufgehalten.“
Da mischt sich der Sportlehrer der Jungs mit in das Gespräch ein: „Es ist schon ein echtes Wunder, dass sie und Damon die ganze Zeit zusammen glucken, er es jedoch im Gegensatz zu ihnen so gut wie immer zu allen Unterrichtsstunden pünktlich schafft.“
Damon, der gerade seine Einlaufrunde an uns vorbei macht, erwidert: „So ist Syria nun einmal. Ein wenig verträumt und schusselig, aber das macht sie noch lange nicht unpünktlich.“
Ich werfe Damon einen dankbaren Blick zu und auch meine Lehrerin schien der Ansicht zu sein, dieses Gespräch jetzt beenden zu müssen.
„Kommen Sie, Syria, sie müssen noch für ihre Leistungskontrolle am Barren und auf dem Schwebebalken üben.“
Sie legt ihren Arm um meine Schulter und zieht mich wieder auf die andere Seite der Halle, dorthin wo die Geräte aufgebaut waren. Vor dem Schwebebalken bleiben wir stehen. „Laura, komm doch mal bitte schnell rüber und gib Syria Hilfestellung und danach sehe ich sie beide am Barren.“
Schüchtern blicke ich Laura an, dann beginne ich die Übung am Balken zu turnen und versuche mich zu konzentrieren. Zuerst mit beiden Armen aufstützen, dann ein Bein auf die andere Seite schwingen und sich auf dem Balken zu einer Kniewaage niederlassen. So weit, so gut, denke ich. Zwar ist es sehr wackelig hier oben, aber immerhin besteht noch keine Gefahr runterzufallen. Doch jetzt kommt der schwierige Teil. Als erstes das hintere Bein nach vorn holen und aufstellen, danach das Gewicht auf das vordere verlegen und aufstehen. Schnell noch die Arme ausbreiten um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Am Boden streckt Laura lustlos eine Hand in meine Richtung, an der ich mich im Notfall abstützen soll. Ich richte meinen Blick wieder nach vorn und konzentriere mich erneut. Auf dem Zettel standen zuerst fünf Schritte normal laufen, dann 3 Schöpfschritte und anschließend drehen. Zum Schluss nur noch bis zum Ende rückwärts laufen ohne Runterzufallen, erneut drehen und runterspringen. Auf dem Boden komme ich blöd mit dem linken Fuß auf und falle doch noch hin, aber wenigstens habe ich den Rest der Übung gut hinter mich gebracht.
Laura ist schon weitergegangen zum Barren, während ich gesprungen bin.
Schnell laufe ich hinter ihr her, da unsere Sportlehrerin gerade die Übung noch einmal vorzeigt. Aufmerksam gucke ich zu und präge mir die einzelnen Schritte ein. Nachdem sie fertig ist, teilt sie uns in 2er Gruppen zum Üben ein und ich erwische wieder die griesgrämige Laura als Partner und wir müssen natürlich auch noch anfangen. Da Laura keine Anstalten macht loszulegen, nehme ich meinen Mut zusammen und stelle mich an die untere Stange. Laura macht immer noch keine Anstalten sich zu bewegen, also muss ich wohl ohne ihre Hilfestellung turnen. Ein schneller Blick durch die Halle zeigt mir, dass unsere Lehrerin gerade woanders beschäftigt ist und nicht zu uns hinsieht. Ok, also ein weiteres Mal Konzentration, sage ich mir in Gedanken und fange an. Mit meinem linken Bein hole ich Schwung und schaffe es auch tatsächlich ohne Hilfe mich mit einer Rolle auf die Stange zu setzen. Umfassen, und das ganze noch einmal rückwärts. Ein Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus als auch das klappt. Leider lässt dadurch meine Konzentration nach und verfehle die obere Stange, welche ich als nächstes hätte erreichen müssen. Ich merke wie auch meine Beine sich langsam von der Stange rutschen und der Boden wieder nähert kommt. Erschrocken schreie ich auf und stöhne als mich am Hinterkopf eine Stange trifft. Um mich herum wird alles schwarz, aber die Geräusche nehm ich noch wahr. Ich höre eine Person schreien und die Stimme meiner Lehrerin welche irgendjemanden anbrüllt. Auch Damons Stimme dringt an mein Ohr und redet beruhigend auf mich ein. Danach versinke ich endgültig in der Dunkelheit.
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