Die Rettung der Welt
Ich hatte mich auf die Einladung meines Geschiedenen eingelassen, bei der ich nur knapp dem Schicksal entging, geteert und gefedert durch die Stadt getrieben zu werden. Die Gäste meines Ex, vorwiegend abgenutzte Ehepaare der trübem Sorte, neben deren grauen Versteinerung ich mir wie ein schillerndes Juwel vorkam, hatten alle Rezepte auf Lager, wie unser Planet zu retten sei, obenauf der Verzicht auf Fleisch. Brav bestellte sich jeder der Geladenen Spinat mit Ei oder Spaghetti mit Tomatensoße oder einfach nur eine Schüssel bunten Ziegenfutters.
Ich brauchte für meine Wahl etwas länger. "Hm", meinte ich, "der Lachs klingt gut, aber ein Sirloin ist auch nicht zu verachten." Da wäre ich im Hagel der Pfeile, die mich aus einer Vielzahl von Augen trafen, beinahe mausetot gewesen, hätte mich die Natur nicht mit einer hieb- und stichfesten Rüstung ausgestattet. Ich bestellte das Sirloin, medium, mit Sour Creme an Folienkartoffel. "Wie kann man nur!", grunzte mein Tischnachbar, ein kahlköpfiger Zwerg, der mit Neid auf meinen Teller schielte, während er von seinem Salatteller ein Scheibe Radieschen aufspießte und sie sich, Genuss vorspielend, auf die Zunge legte. "Alles Erziehung", erwiderte ich. "Wissen Sie, ich hatte keine Wahl. Von Kuhmilch wurde ich früh entwöhnt, und von da an hatte ich bei Tisch zu sitzen und zu essen, was auf den Teller kam. Und das war in einer Arbeiterfamilie nun mal Ochsenschwanzsuppe, Haspel und Rippchen mit Kraut. Meine Eltern arbeiteten hart, da brauchte man Kalorien."
Dem Zwerg fiel beinahe die Gabel aus der Hand. "Wie kann man ein Kind derart versauen und blind lassen für die Probleme dieser Welt!"
Ich lächelte mild und schnibbelte mir eine weitere Ecke von meinem Steak ab. "Ach, wissen Sie, schon Brecht hatte erkannt, dass erst der Bauch kommt und dann alles andere. Und der Dritte Weltkrieg schwebte zu meiner Zeit täglich über mir. Übrigens hat der Koch was drauf, das Steak schmeckt erste Sahne." Und damit schob ich mir das nächste Stück Fleisch in den Mund. Mein Ex grinste und zwinkerte mir zu. Seit wir geschieden waren, verstanden wir uns besser als je zuvor. Er hatte den Lachs genommen.
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