In zwei Staaten leben
Ich lebte mit meiner Freundin zehn Jahre in Spanien. Das heißt: anfänglich meinten wir das, in Wahrheit lebten wir in Katalonien.
Das uns fremde Land ist selbst jenen, die hier geboren sind, ein fremder Staat. Sie wollen ums Verrecken keine Spanier sein. Geboren sind sie zwar als solche, jedenfalls die aus meiner Generation . In ihrem Taufschein steht José, Francisco, Pedro, Jorge. Man käme aber schlecht an bei ihnen, wenn man sie jetzt so nennen würde. Sie wollen jetzt Josep, Francesc, Pere und Jordi heißen. Das verlangt der Patriotismus und die normalització lingüística (das katalanische Wort für den ganz normalen sprachlichen Wahnsinn). Bevor ich mit meiner Freundin hierher kam, sagten wir allen, wir würden nach Spanien umziehen. Wir hätten diesen Satz sogar auf spanisch sprechen können und noch einige kompliziertere Sätze, die wir uns im Berlitz-Sprachkurs angeeignet hatten. Aber das sollte uns wenig nützen. Wir zogen nicht nach Spanien um, sondern nach Katalonien. Als wir das merkten, war es bereits zu spät.
Wir wurden schon argwöhnisch gemustert, wenn wir nur Buenas días sagten. Das heißt hier nämlich Bon dí und Eier heißen nicht etwa huevos oder cojones sondern ous oder collons, je nach dem. Der Bauer, der den kleinen Bauernhof seiner Vorfahren an mich verschachert hatte, und jetzt in einem Hochhaus von La Bisbal wohnt, wo er in den Großhandel mit Kunstdünger eingestiegen ist, hat mich als Erster stutzig gemacht, denn er gab mir auf meine spanischen Fragen beharrlich katalanische Antworten. Meine Freundin und ich lebten jetzt also in zwei Staaten: in einem fremden und einem fiktiven.
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