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Alt 07.06.2005, 01:05   #1
Riif-Sa
 
Dabei seit: 11/2004
Beiträge: 253


Standard konjunktive Gesellschaft

Das, was wir als Gesellschaft bezeichnen, ist in Wirklichkeit nichts als ein Haufen von Menschen, die vor sich hin- und dabei aneinander vorbeileben. Jeden Tag, jede Stunde. Zeit, die nur in den seltenen Momenten unterbrochen wird, in denen uns diese Tatsache vor Augen gehalten wird.
Als ich gestern durch den Supermarkt ging, stieß ich aus Versehen mit einer Frau zusammen. Ihre Einkäufe fielen zu Boden. Ein paar Äpfel, Stifte, ein Notizbuch, eine Packung Binden. Ich entschuldigte mich und wollte ihr helfen, alles wieder zusammenzuräumen. Dabei müssen wir uns für einen kurzen Moment berührt haben, auch wenn ich davon nichts mitbekam. Sie schreckte plötzlich zurück und fing an zu schreien, ich solle sie nicht anfassen und mich verpissen. Verärgert ob des rauen Tones, den sie eingeschlagen hatte, ging ich weiter.
Nun der Punkt.
Hätte ich anders reagiert, wenn sie mich mitgenommen hätte in ihre Vergangenheit, 15 Jahre zurück. Wenn sie mir dieses kleine Haus am See gezeigt hätte mit dem langem Steg mit den losen Brettern. Das Schilf, wo sich immer die Kröten versteckten, die immer so furchtbar viel Lärm gemacht haben.
Dieses Haus, in das sie ihr Vater immer mitnahm zum „Spielen“.
Manchmal überlegte sie, nicht daran zu denken und nicht darauf zu achten, was er tat. Denn es tat immer weh. Dass Liebe manchmal weh tut, wusste sie. Das stand in diesem Märchenbuch, sie konnte sich den Titel nie merken. Also schaute sie manchmal weg in der Hoffnung, er würde es nicht merken. Dann schaute sie auf das Spinnennetz in der Ecke und stellte sich vor, wie die Mamaspinne ihre ganz ganz kleinen Kinder aufzieht. Die hatte sie mal im Fernsehen gesehen, das sind ganz viele. Wenn sie bedachte, wie viel Ärger Papa immer mit ihr hatte, bewunderte sie die Spinnenmama, wie die mit ihren ganzen Kindern zurechtkam.
Oder sie schaute auf den Mond, der immer so hell leuchtete und sie stellte sich vor, wie der Mann im Mond es schafft, jeden Abend pünktlich das Licht anzumachen. Sie selbst war auch immer pünktlich, aber einmal, da hatte sie verschlafen. Der Mann im Mond verschläft nie. Immer wenn sie mit Papi hierher kam, war er da und hatte sein Licht an.
Doch Papa erwischte sie immer und er wurde immer sehr böse. Er mochte es nicht. Es gibt keinen Mann im Mond. Und Spinnen ziehen ihre Kinder nicht auf, das sollte sie sehr bald feststellen.
„Er wollte mir nur zeigen, wie lieb er mich hatte.“ Hätte sie mir damals gesagt.
„Er war ein Schwein.“ Hätte sie mir gestern gesagt…
…wenn ich gefragt hätte.
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