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Alt 04.05.2005, 09:27   #1
mickey_blue_eyes
 
Dabei seit: 05/2005
Beiträge: 10


Standard Bis später

Als Paul morgens in die Küche kam, saß Natascha bereits am Küchentisch. Sie war frisch geduscht, hatte ihren perfekten Körper in einen weißen Bademantel gehüllt und ihre blonde Lockenpracht hing wie Goldfäden von ihrem kleinen, runden Kopf herunter. Paul schüttete sich einen Kaffee ein, setzte sich ihr gegenüber an den Küchentisch und vertiefte sich sogleich in die Tageszeitung. Der herrliche Kaffeeduft und die natürliche Schönheit Nataschas erfüllten den ganzen Raum. Doch von alledem schien Paul keine Notiz zu nehmen und lebte auch an diesem Morgen seinen alltäglichen Trott. Sie wohnten nun knapp zwei Jahre in ihrer gemeinsamen Wohnung und seit etwa einem Jahr war es jeden Morgen das Gleiche. Natascha wartete frisch geduscht mit einem Bademantel bekleidet und frischgebrühtem Kaffee auf Paul. Er kam jeden Morgen etwa 20 Minuten nach ihr in die Küche, nachdem er auf der Toilette seine erste Zigarette geraucht hatte. Dann saßen sie da, genau wie heute gemeinsam am Küchentisch. Paul würdigte Natascha keines Blickes und las Zeitung. Normalerweise schaute Natascha ihn auch nicht an. Doch heute versuchte sie, vorsichtig Augenkontakt mit ihm aufzunehmen. Ihre Augen waren gefüllt mit Tränen, ein Tropfen kullerte ihre rechte Wange hinunter und hinein in ihre Kaffeetasse. Sie versuchte gar nicht erst, sich die Tränen wegzuwischen, denn es kamen jetzt immer mehr und vermischten sich mit dem Kaffee in ihrer Tasse. Selbst als Natascha ein leichtes Schluchzen von sich stieß, schenkte Paul ihr keine Aufmerksamkeit und las weiter. Sie legte ihre eiskalten Hände auf die seinen und versuchte ein Gespräch anzufangen mit den Worten :"Weißt Du noch, als ich vor zwei Wochen...". Da unterbrach Paul ihren Monolog mit einem genervten Knurren. Er las gerade einen Bericht über einen Überfall auf eine junge Frau, der sich in ihrer Stadt ereignet hatte. Natascha zog ihre Hände zurück und legte sie in ihren Schoß, senkte den Kopf und ihre wunderschönen Haare verdeckten die rehbraunen Augen. Der Tränenfluss war jetzt nicht mehr aufzuhalten. Die Tränen flossen jetzt nicht mehr in die Kaffeetasse, sondern auf ihre Hände. Natascha putzte sich ihre Handrücken am Bademantel ab, doch sie waren im Nu wieder benetzt. Sie stellte ihre Füße auf den Stuhl, schob ihre Knie bis unters Kinn und saß völlig zusammengekauert auf dem Stuhl. Sie zitterte am ganzen Körper, sodass der Stuhl leicht ins Wanken geriet. Aber nicht einmal das Knirschen der Stuhlbeine auf dem gefliesten Küchenboden brachte Paul dazu, sich von der Lektüre seiner Zeitung abzuwenden. Noch einige Augenblicke lang las er weiter, bis er dann schließlich aufstand und die Küche verließ, ohne Natascha auch nur einen Blickes zu würdigen. Im Schlafzimmer zog er seinen frischgebügelten Anzug an, warf im Vorbeigehen einen beiläufigen Blick in die Küche, wo Natascha immernoch zusammengekauert auf dem Stuhl saß und sagte :" Tschüss, wir sehen uns dann später:" Ohne abzuwarten, ob sie etwas darauf entgegnen würde, verließ er die Wohnung. Noch eine Weile saß Natascha da. Ihre Augen tränten jetzt nicht mehr, ihre Handrücken waren inzwischen getrocknet und sie stand auf und ging ins Schlafzimmer. Dort legte sie den Bademantel ab, schaute irritiert an ihrem wundervollen Körper herunter und zog sich ganz bedächtig an. Nachdem sie angezogen war, holte sie ein weißes Stück Papier hervor und schrieb etwas auf. Danach zog sie Mantel und Schuhe an, setzte ihre Mütze auf und legte das beschriebene Blatt Papier auf den Boden vor die Eingangstür und ging aus dem Haus. Als Paul abends nach Hause kam, war Natascha immernoch nicht wieder zurück. Er schloss die Tür auf und sah das Blatt Papier auf dem Boden. Er hob es auf und las :" Tut mir leid, aber Du musst heute alleine kochen. Bin etwas einkaufen und nachher mit Anna im Kino. Ich liebe Dich, bis später, Natascha."
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