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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken. |
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20.11.2009, 01:34 | #1 |
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Autodafé
Verdammt, lebendig zu brennen,
bahnt die Prozession meinen Weg, Hoffnung auf Gnade zu nennen, ist so nutzlos wie Teufelsgebet. Nichts kann mein Schicksal mehr halten, die Fesseln sind feste geschnürt, mein Leib gehört den Gewalten, die von höchster Instanz geführt. Höret der Litanei Singen und seht, wie die Fackel erwacht! Vernehmet der Glocken Klingen, wenn die Flamme den Reisig entfacht! Zur Lunte werden die Füße, die gierig das Feuer verdorrt, die Haut riecht nach ekliger Süße, schwarzwächsern auf Fleische geschmort. Hört des Holzes Knistern und Knacken und des Blutes und Markes Gezisch, wie im Takte die Muskeln krachen und die Hitze Gebeine bricht! In die Haare beißen die Lefzen, mein Haupt ist von Lohen umkrönt, die Stirn ein metallisches Schmelzen, meine Augen sind milchglasgetönt. Mein offener Mund schreit Feuer, es rinnt mir die Kehle hinab, und die Menge keift: "Ungeheuer! Brenne! Brenn' in dein Höllengrab!" 19. November 2009 © by Ilka-M. |
20.11.2009, 21:57 | #2 |
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Hallo Ilka-Maria,
ein schaurig-schöner Text, bei dem das Prasseln in mein Ohr und der Gestank in die Nase kriecht. Du hast hier eine eindrucksvolle Erzählkraft und wunderschöne Worte gewählt. Lieben Gruß web-del |
20.11.2009, 23:54 | #3 |
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Lieber web-del,
die Erzählkraft habe ich mir von einem englischen Schriftsteller des frühen 19. Jahrhunderts geborgt. Ich habe den Text ins Deutsche übersetzt und die markanten Stellen seiner Prosa in Reime gefaßt. Dabei mußte ich ein paar eigene Bilder entwickeln, andererseits aber Stellen seiner Prosa streichen, um ein Gedicht formen zu können. Jedenfalls hatte mich die Textstelle so schaurig beeindruckt, daß ich das unbedingt bearbeiten wollte. Schön, wenn es Dir gefallen hat, danke. LG Ilka-M. |
23.11.2009, 21:41 | #4 |
Entwickeln
ich sehe, ich kann hier noch viel Handwerk lernen!
Rollce |
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03.12.2009, 00:26 | #5 |
ich möchte mich web-del anschliessen. packender text.
was meint der titel genau? denn deswegen hätte ich den text beinahe nicht angeklickt. lg remigi |
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03.12.2009, 08:22 | #6 |
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Rollce, remigi,
auch Euch beiden Dank für Eure Reaktionen. remigi, ein Autodafé ist eine Verbrennung. Es kann sich sowohl um die Verbrennung von Menschen als auch von Büchern handeln. Mit den Titeln ist es eine zweischneidige Sache. In diesem Forum wurde von einigen Lesern darüber geklagt, daß manche Titel zuviel vom Gedicht verraten und keinen Überraschungseffekt haben; andere wieder lassen sich von nichtssagenden oder unverständlichen Titeln abschrecken, ein Gedicht überhaupt zu beachten. Also wie soll man es richtig machen? Ich habe mich in diesem Fall für ein Fremdwort entschieden, weil es kürzer und prägnanter ist als "Hexenverbrennung" - was ja über das Thema sofort alles verraten hätte. Ich selbst sehe mir alle neuen Beiträge an, ungeachtet der Titel. Ob mich ein Beitrag anspricht, merke ich nach den ersten Zeilen - dann kann ich immer noch entscheiden, ob ich ihn zu Ende lese. Ich finde, allein schon die Arbeit, die sich die Autoren hier machen, ist es wert, jedem Beitrag zumindest eine Chance zu geben. LG, Ilka-M. |
03.12.2009, 17:59 | #7 |
Eine Debatte zur Titelwahl?! Na, der Titel muss möglichst aufrührerisch sein! So verschafft man sich Gehör heutzutage!!
Das Gedicht gefällt mir sehr gut! Irgendwie scheint die Metrik zum Inhalt zu passen, die - im besten Sinne - etwas holperig ist.. ein Gedicht mit Charakter! Philipp |
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04.12.2009, 17:31 | #8 |
Hi Ilka-M.,
ja, an Hexenverbrennung im 19. Jhdt. hab ich auch gleich gedacht. Klingt sehr opulent, pathetisch, spektakulär. Was ich inhaltlich auch hier bekrittele: Als Ich-Erzähler, als Protagonist, klappt das nicht, als Erzähler aus der Menge auf dem Marktplatz oder naher Angehöriger wäre das schon besser möglich, oder als entfernter Beobachter vielleicht sogar noch am besten, denn die gestelzte Sprache hat ja ne Menge Distanz zum Geschehen. Aber die Reime, die Reime! - die sind nix jut. Da schlage ich Dir vor, in Sachen Metrik und Reim mal bei Dr. Whatzn (oder wie er sich schreibt) abzugucken, der macht das nämlich gut! Sehr gut sogar. Bei Dir sind zwar die Endsilben soweit stimmig, aber der Rest nicht. Absolut nicht. Kein Rhythmus, keine Silbenübereinstimmung ... Aber vielleicht hilft Dir mal jemand, der's kann?! Hanna |
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04.12.2009, 18:12 | #9 |
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Raffael, auch Dir vielen Dank.
Hanna, ich hatte einen Prosatext als Vorlage, einen Klassiker, und da ist diese Verbrennung nun mal von dem Opfer aus der Ich-Perspektive geschildert. Da kann man nichts machen, das ist eben die Freiheit eines Schriftstellers, auch wenn Du damit ein Problem hast. Warum soll man denn auch im Erleiden des Todes nicht all diese Eindrücke und Gefühle noch gedanklich verarbeiten können? Ich kenne die Mängel meiner Gedichte selbst und weiß, daß ich etliche davon bearbeiten sollte. Auch habe ich nie behauptet, perfekt zu sein, ich gehöre eher zu den Menschen, die nie aufhören zu lernen. Mir liegen genügend professionelle Lehrwerke vor, mit denen ich arbeiten kann. Das mit Dr. Whatzn lasse ich lieber bleiben, denn der ist - im Gegensatz zu mir - ein strikter Gegner von Änderungen. Auch ist mir nicht bekannt, daß er ein gleiches oder ähnliches Thema bearbeitet hat, also wie sollte er mir helfen können? Ich mag keine Gedichte nur wegen der Perfektion schreiben, die inhaltlich banal und lasch sind - und den Stil anderer zu kopieren kannst Du wohl sowieso nicht im ernst gemeint haben. Außerdem ist es heute unter vielen Dichtern verpönt, Metrik und Reime zu streng einzuhalten, weil das viele als "leinernd" empfinden. Das ist ein sehr umstrittener Standpunkt. Im übrigen war der Höhepunkt der Hexenverfolgung im 16. Jahrhundert. Gruß Ilka |
05.12.2009, 12:25 | #10 |
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Ich meine auch, liebe Ilka-Maria, dass es hier an der Metrik sehr hapert, da könntest du sicher noch nachbessern.
"Höret der Litanei Singen und seht, wie die Fackel erwacht!" Dieses erscheint mir völlig unverständlich, die Litanei sollte genauer benannt werden, so mein subjektives Empfinden. So ergeht es mir bei einigen Textstellen während des Lesens. "In die Haare beißen die Lefzen," Diese Zeile scheint mir sehr unglücklich formuliert, nicht nur wegen der Drehung der Worte, auch das Bild mutet seltsam an. Normalerweise gebe ich solche Kritiken nicht ab, bin selbst Lernende und will es bleiben. Das soll auch die Ausnahme bleiben und ich meine, du weißt, warum ich dies hier tue. LG von Petra |
05.12.2009, 12:31 | #11 |
Forumsleitung
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Danke für den Input, Petra, ich weiß ihn zu schätzen. Da ich bei den Bildern eng an der Prosavorlage bleiben wollte, war die Formulierung oft schwierig, es ist halt einfacher, wenn man sich selbst ein Thema ausdenkt. Ich finde ebenfalls, daß es an etlichen Stellen holpert, und sicherlich werde ich die Strophen nochmal überarbeiten. Es ist aber hilfreich, auch ein Gedicht mit Mängeln schon mal zu präsentieren, um Meinungen zu bekommen und eine Bestätigung, worauf man den Finger legen muß.
LG Ilka-M. |
13.10.2010, 12:31 | #12 |
R.I.P.
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Halli Hallo -
grausig, grausig, grausig - weil nur allzu wahr! Ich konnte nur sehr schnell drüberlesen. Macht wieder schlaflos. Thing |
14.10.2010, 08:21 | #13 |
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Liebe Ilka-Maria,
ein eindrucksvolles Gedicht. Was soll ich sonst sagen? LG Usa |
16.10.2010, 19:43 | #14 |
Ein respektables, hervorragendes Gedicht, wie ich finde. Und zwar wegen des Titels, der "textlichen Umsetzung" des Themas (die "martialischen" Beschreibungen sind hier durchaus nicht unangebracht, weil demselben geschuldet) und der Idee dazu überhaupt.
Wobei die minimalen "Unebenheiten" der rein formalen Gestaltung kaum ins Gewicht fallen. K. |
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16.10.2010, 20:05 | #15 |
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Kurt, Du bist ein seltener Gast. Deshalb erfreut mich Dein Kommentar sehr. Viele, die mir im Forum lieb geworden waren, haben sich rar gemacht. Deshalb ist es schön, ein Lebenszeichen von Dir erhalten zu haben.
Lieben Gruß Ilka-M. |