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Sonstiges und Experimentelles Andersartige, experimentelle Texte und sonstige Querschläger.

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Alt 15.05.2006, 18:51   #1
Lady_Drakhena
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 46

Standard Cross the Borderline

Tagebuchauszug:

Ein schwarzer Schatten, paranoides Handeln, perplexes Denken, ... Wer bin ich >Die Frage nach dem Sein!
Missverstanden, gehasst, verachtet, ausgeschlossen, ...anders als normal; Chaos!

Es ist mal wieder ein sehr depremierender Tag für mich, was nicht bedeutete, dass es sonst nicht so war.
Ich liebe es einfach mich in meinem eigenen Mitleid zu suhlen und daraus phantastische kreative Todesgedanken entspringen zu lassen.
Die Langeweile quällt mich ...
Auf der Suche nach dem Für und Wieder des Lebens beschließe ich die Langeweile mit einer Zugfahrt zu bekämpfen.
Starbahnhof: Köln
Zielbahnhof: Unbekannt
Ich reise nicht um ein Ziel zu erreichen, sondern um durch den Weg dahin zu lernen, das leben zu lernen und alles was damit verbunden ist.
Im Zug setzte ich mich mit meinen düsteren Gedankengängen in ein freies Vierer-Abteil.
Wenig später setzt sich ein junger Mann zu mir, er ist vielleicht gerade mal 20 Jahr oder ein bisschen älter.
Durch seine Bomberjacke mit dem Schriftzug "Neophyte" und dem kahlgeschorenen Schädel wirkt er allerdings älter; ein wenig bedrohlich, doch das schreckt mich nicht ab.
Gedankenverloren stiere ich wieder aus dem Fenster, auf die Gleise.
Ach wie gerne würd ich dort jetzt liegen ...
Der Fremde beginnt zu sprechen, zerrt mich mit seiner harten Bassstimme zurück in die Realität; ich lausche ...

"Woran denkst du gerade?"
Wahrheitsgemäß antworte ich:
"Ich? Ich stelle mir gerade vor, wie meine Leiche aussähe...
zermatscht und unerkennbar, wenn ich von einem hohen Gebäude stürzen würde.
Oder einfach schlafendgleich da liege, mit offenen Augen, einem starren Blich, ein Lächeln auf den Lippen und aus dem Loch in meiner Schläfe, sickert ganz sanft der Lebenssaft hervor ..."
Sein entsetzter und zugleich erstaunter Gesichtsausdruck lässt mich innerlich über diese Normalität der Reaktion triumphieren.
Es dauert eine Weile bis er sich wieder gefasst hat und erneut beginnt zu sprechen.
"Warum lebst du noch, wenn du so über deinen eigenen Tod nachdenkst?
Was hält dich noch am leben?"
Wie erwartet kam diese Frage, über die Antwort brauche ich nicht lange nachzudenken, hab ich sie mir doch schon so oft gestellt und auch beantwortet.
"Die Schuld; es ist einzig und allein die Schuld schuld, dass ich mein schuldvolles Leben nicht beenden kann!"
Damit kann er nichts anfangen: "Welche Schuld", fragt er verstört, mit einer leichten Spur von Ärger in der Stimme.
"Die Schuld mit meinem Tod ein anderes Leben zu zerstören, ob es jetzt nun das Leben eines Freundes oder da eines Feindes ist.
Ich wäre schuld an einem weiteren Tod, der meinem vielleicht folgen würde.
Ich wäre schuld, wenn man sich vorwurfsvoll fragt, ob man nicht selbst die schuld an meinem selbstverschuldeten Tod tragen würde.
Somit ist die Schuld schuld, dass ich mit meinem Leben nicht klar komme und es doch nicht beenden kann."
Über diesen Gedankengang muss ich schmunzeln, bleibt es doch immernoch Wahrheit, aber nicht die ganze.
Denn wenn ich wirklich sterben wollte so wäre ich bereits gestorben oder gar nie zur Welt gekommen, aber die Schuld von der ich spreche birgt Angst, die Angst dies alles zu beenden und so vieles zu verpassen.
Mein Schmunzeln wird zu einem lachen, nachdem ich seinen verwirrten Gesichtsausdruck erblicke.
"Warum lachst du?",
fragt er mich verärgert.
So glaubt er wohl, und das nur zu recht, sich selbst, ob ich wohl über ihn lache.
"Weil ich nicht weinen kann oder will ..."
Erscheint genervt auf diese Antwort, fragt mich aber schnell:
"Warum nicht?", und presst diese Frage vor anschwellender Wut nur so hervor.
Ich koste seine unzügelbare wut aus.
"Weil ich nicht weiß wer ich bin!"
Mittlerweile wirkt er schon gar nicht mehr verwirrt.
Er setzt sich aufrecht hin und spannt die Muskeln an.
Nun ist seine Stimme ein mittellautes Donner,
ein Speicheltropfen trifft mich auf der Nase, den ich nicht wegwische.
"Warum weißt du das nicht?"
Die Frage kam mehr als bedrohlich rüber.
Sollte ich jetzt besser aufhören, obwohl ich mich nach dem Höhenpunkt seiner Wut sehne?
Möchte ich doch lieber diesen kommenden, für mich vielleicht blutigen Sieg eringen und antworte mutig, vielleicht auch ein wenig patzig:
"Weil ich es nicht weiß; darum, das weiß ich!"

Die Durchsage:
Nächster Halt ihres Zuges ist Horrem.
Ausstieg ist in Fahrtrichtung rechts.

Der Fremde erhebt sich, verlässt das Abteil mit einem letzten Blick zu mir und sagt ganz ruhig mit einem schmunzeln auf den Lippen:
"Du bist ein Psycho!"
Als er den Zug verlassen hat, denke ich noch einmal kurz über seinen Satz nach.
"Das weiß ich nicht ...", murmel ich vor mich hin.

Das Denken war schon immer meine größte Leidenschaft,
das man mich nicht versteht, verstehe ich nicht ..

Ende
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