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Alt 09.04.2015, 19:09   #1
weiblich Zaubersee
 
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Ort: Das Meer ist mein Garten aus Kristallen und Träumen ...
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Standard Zaubere, Valentino zaubere!

Hinter dem finsteren Tannenwald, in der Nähe des Städtchens Schwuno, Schwano oder Schwino, lag ein wunderschönes Schloss, verborgen zwischen mehreren Misthaufen, die von herrlich duftender Kapuzinerkresse überwuchert waren und mit den Sternen um die Wette funkelten. Wie viele Diamanten im Dachwerk dieses Märchengebäudes verborgen waren, vermochte niemand genau zu sagen, aber sie fielen dann und wann bei tüchtigem Sturm oder anderen Wetterchen vereinzelt in die Misthaufen, um dort weiter zu glitzern. An diesem lauen Sommerabend duftete es lieblich nach einer besonderen Sorte von Dung : Quanto käsinimo. Frau Sau Eloisa hatte den Duft eigens nach einer unfassbar alten Rezeptur zusammengestellt und eilte heute Abend mit sehr roten Saubacken durch das Schloss.

„Valentino, oh, Valentino, ich bin so verzweifelt!" Eloisa schluchzte fast und zerrte ihren Gatten quer durch den blauen Salon in den Spiegelsaal. Valentino war um einiges schmächtiger als seine Gattin Eloisa und begann erst gar nicht sich zur Wehr zu setzen. Ergeben ließ er sich ziehen und verdrehte gelangweilt die Augen.„Eloisa, meine Süße," flötete er so lieblich wie möglich, um seine Sau nicht noch mehr zu verärgern, „verrate mir den Grund deiner Verzweiflung".

„Ha“, grunzte Eloisa böse und ließ Valentino abrupt los.
„Schau mich an ", Eloisa deutete auf ihr neues schulterfreies, hautenges, dunkelblaues Abendkleid.
„Du bist wunderschön, die schönste Sau auf Erden," erwiderte Valentino brav.

„Ja siehst du denn nicht?", kreischte Eloisa jetzt zornbebend. „ICH BIN ZU DÜNN! So sieht doch keine vernünftige Sau aus! Das Kleid schlabbert an mir herum! ES SCHLABBERT, oh beim Leben meiner zwölf Ferkel, es schlabbert und heute morgen war ich noch saufett!
Das kann nur dein menschenblöder Bruder Laurentio gewesen sein. Er hat gezaubert. Und jetzt zauberst du auch. Zaubere, Valentino zaubere!"

„Oh Schweinebacke". Valentino kramte eine braune Zigarre aus seinem wunderschönen jauchegetränktem Jackett und zündete sie sich ruhig an. Valentino war ein bedächtiger, schmächtiger Eber und nichts brachte ihn so schnell aus der Ruhe. Na ja , wenn man es genau nahm, war er schweinefaul und scheute jede Bewegung, die er zuviel ausführen musste.

„VALENTINO!“ Eloisas Stimme überschlug sich. „SAG DOCH AUCH MAL WAS DAZU."
„Tja“, grunzte der Gatte weise und bedächtig, „dann woll`n wir mal: Schwini, schwani, schweini summ, dem Laurentio werde die Nase krumm." Ein leichtes Blitzen überzog den Spiegelsaal, ein Zeichen dafür, dass der Zauber funktioniert hatte. Eloisa blinzelte zufrieden ihrem Spiegelbild entgegen. „Mit mir nicht ", grunzte sie und warf den Kopf siegesgewiss in den Nacken.

*


Mitten in einem märchenhaften Laubwald stand eine prächtige Burg. Sie war umgeben von einem einzigartigem Zaun aus geflochtenen Brennnesseln, die mit hunderten von lilafarbenen Bittersüßer Nachtschattenblüten mit ihren gelben Nasen und den schon reifen roten Beeren verziert waren.
Die Blüten rochen für Menschennasen etwas eigentümlich, denn Rosamunde hatte sie mit schleimig gefaulter Ackerschachtelhalmbrühe überspritzt; für Säue war das geradezu der Duftmodehit.

Rosamunde wollte ihre Schwägerin Eloisa vorhin ein wenig foppen und hatte Laurentio gebeten, Eloisa für einige Stunden rippendünn zu zaubern.
Laurentio war seiner holden Gattin meistens ergeben und tat ihr den Gefallen gern, aber nun, nach einem Blick in den Wasserspiegel des Grabens um die Burg herum, vergaß Laurentio was Spaß war.

„Rosamunde“, wütete er, „schau was Valentino angerichtet hat!“
Laurentio war außer sich. Er hasste krumme Nasen und Valentino wusste das genau.
„ Ohohoho, Valentino, hörst du wie wütend ich bin? Na warte“, brüllte er.

Laurentio war nicht so bedächtig wie sein Bruder. Er galt als sehr temperamentvoll in Schweinekreisen und man bewunderte ihn für seine superschnellen Zauberschweinereien.
„Schwini, schwani, schweini soot, dem Valentino werden die Augen rot.“

Ein Blitzen in Laurentios Garten zeigte, dass alles gut geklappt hatte und der Schweinebruder war zufrieden .
Während Rosamunde überlegte, ob wirklich alles so lief, wie sie es sich gedacht hatte, schaute sie in einen uralten Spiegel und fragte: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schwartigste im ganzen Land?"

Die Schweineschwarte war Rosamundes ganzer Stolz. Sie rieb diese jeden Morgen mit Thymianschmalz ein, damit sie besonders glänzte. Vor einem Jahr hatte sie auf dem jährlichen Sommernachtsball den ersten Preis gewonnen, sie wurde Schwartenkönigin und das gedachte sie auch in diesem Jahr wieder zu werden.

*


Auf dem Schloss hinter den Tannen hörte man inzwischen bedächtig wütendes Grunzen. „Laurentio, Bruder, Schweinebacke, du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass wir uns das gefallen lassen müssen ? Na warte! "

Valentino ging vor sich hinmurmelnd auf den Spiegelschrank im Spiegelsaal zu. Bei jedem Blick in die Spiegel, blitzten ihm feuerrote Augen entgegen.

„Valentino, mein Liebster, wie siehst du nur aus? So kann ich mich mit dir doch nicht blicken lassen."

Eloisa drehte nervös an ihrem Ringelschwänzchen, das keck aus einem mit Pailletten bestickten Ringelschwänzchenloch im blauen Abendkleid heraus sah.

„In der Ruhe liegt die Kraft, meine süße Forelle", flüsterte Valentino geheimnisvoll und öffnete den Spiegelschrank leise vor sich hinnickend." Ach Liebster, du bist ja so klug", hauchte Eloisa zinnoberroterrötend. Valentino zog einen ellenlangen Zauberstab heraus, den einen, den er vor vielen Jahren einmal von Merlin persönlich gestohlen hatte.

„Er wird dir Unglück bringen", hatte der alte Meister damals gesagt.
„Damals ist lange vorbei", murmelte der alte Grunzer selbstzufrieden und betrachtete den einzigartigen Zauberstab, der mit silbernem Mondzaubersand überpudert war, und daher leuchtete, wie der Mond in einer Vollmondnacht.
Dann richtete sich das Schwein zu seiner vollen Größe auf und sagte mit fester Stimme die bedeutungsvollen Worte:
“Schwini, schwani, schweini summ, Rosamunde ist nun lange stumm.“

*

Das zeigte sofort Wirkung. Rosamunde rief nämlich gerade:“Laurentio, lass uns lieber aufhören mit all dem Unsinn, wo soll das nur hinfüh ..."

Weiter kam sie nicht. Der Mondzauberstaub wirkte erbarmungslos, Rosamunde blieben die restlichen Laute und Worte in der glänzenden Schweineschwarte stecken.

Das hatte sie nun wahrlich nicht verdient. Laurentio war nicht nur ein Superschnellerzaubersprücheklopfer, sondern auch ein Fixi-Di-Fix Denker und merkte also prompt, warum seine Sau plötzlich nicht mehr sprach, sondern sich wie eine Wahnsinnige auf dem Fußboden wälzte und sich damit den schönen Glanz auf ihrer einzigartigen Thymianschwarte verdarb. Im Schweineturbo raste Laurentio nun in seine berühmte und völlig versaute Küche und riss die Tür von einem Schrank auf, auf dem stand: NIEMALS ÖFFNEN.
„Heute ist niemals“, brüllte er dramatisch und hob feurig die Tür aus den Angeln. Dann griff er zum Zauberstab: TUESNIEMALSNICHTOHGOTTNIEMALSNICHT:

„Du Schweinemensch, du verdorbener Sausohn, höre mich an, schwini, schwani, schweini pütte, aus deinem Schloss werde eine erbärmliche Hütte“.

Plötzlich schien die Zeit still zu stehen. Rosamunde hörte auf sich zu wälzen und sah Laurentio mit weit aufgerissenen kleinen blauen Augen an. Wie im Zeitlupentempo schwebte sie auf ihn zu. Laurentio hatte vor Entsetzen vor sich selber den: TUESNIEMALSNICHTOHGOTTNIEMALSNICHT Zauberstab fallen lassen und sein Schweinefuß wanderte so langsam wie Jahrtausende vor seine offenstehende Schweineschnute. Der Zauber war so stark, dass die Erschütterung des erfüllten Spruches die Burgmauern einriss, Steine sich aus dem Mauerwerk lösten und in den Garten rollten.

*

„Was für ein merkwürdiger Traum," sinnierte Eloisa vor sich hin. „ Was der wohl zu bedeuten hat ? Gleich nach dem Aufstehen werde ich in unserer großen Schlossbibliothek nachsehen."
„Murmel nicht, Weib, Sauweib.
DAS IST KEIN TRAUM!" Valentin brüllte ungeheuer laut.
Das hatte er noch nie getan. Jedenfalls nicht ungeheuer laut. Eloisa sah ihn an. Wie elegant er aussah. Zugegeben, nicht sehr groß, eher ein wenig schmächtig, aber wie shoshinmatisch. Ihr Valentino. Gleich nach dem Aufwachen wollte sie es ihm sagen. Hab ich ihm je gesagt, wie sehr ich ihn liebe?, dachte Säulein Eloisa .
Sie betrachtete das kleine bescheidene Zimmer in dem sie stand und wollte nun entgültig erwachen. Jedoch es ging nicht. Da schüttelte ihr Gatte energisch ihre Schultern.

„Eloisa, du hast deine Augen längst auf, es ist wahr was du siehst! Wir stehen in einer kleinen erbärmlichen Hütte.
Nun glaubte Eloisa ihm und setzte sich erschüttert auf den staubigen Dielenfußboden. Nur die Misthaufen mit der Kapuzinerkresse standen noch und dufteten lieblich in den schwülen Sommerabend hinein .Da nahm Valentino seine Sau ganz fest in die Arme und drückte sie an sich. „Vielleicht sollte alles so sein", sagte er bedächtig wie immer.
"Wir wollen es so belassen und ich werde die Schweinerei nun vollenden." Er bückte sich und hob den Zauberstab mit dem leuchtenden Mondzaubersand auf, küsste ihn und rief dann:

„Schwini, schwani, schweini hei, für immer vorbei ist`s mit der Zauberei.

„Oh Valentino, wie romantisch", seufzte Eloisa.
„Nur wir, der Sommersternenhimmel und eine einfache schlichte Hütte, was brauchen wir mehr? "

*


Rosamunde und Laurentio fanden diesen Schweinkram nicht ganz so romantisch.

„Laurentio, du Menschensohn, ich denke du bist so perfekt, wie konnte das nur geschehen?“

„Rosamunde, hättest du nicht angefangen, wäre das alles nicht passiert“.

„Willst du damit etwa sagen, dass ich........“

„Ja, genau das will ich damit sagen“.

“Laurentio, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dich nie gehei.....“

„Sau, halt den Schweinerüssel....“.


*


Ja also in dieser Familie ging es nicht ganz so zärtlich zu. Die Sterne am Himmel schüttelten ihre Sternspitzen vor lauter Verwunderung, der Mond schielte ein wenig ärgerlich hinunter zur Erde und war ungehalten, weil ihm jemand vor unfassbar langer Zeit etwas von seinem Mondzauberstaub geklaut hatte, und selbst die Sonne überlegte sich, ob sie am nächsten Tag so unsäglich schön wie immer antreten könne, da ihre Nachtruhe bei dem Schweinespektakel empfindlich gestört wurde, und sie befürchtete, es könne Auswirkungen auf ihren strahlenden Teint haben.
Und, haben wir etwas aus dieser Schweinegeschichte gelernt?
Na? Schweinereien führen einfach zu nichts, lassen wir es also sein. Gute Nacht.

C. Zaubersee 2003
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