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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

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Alt 22.05.2016, 17:07   #1
Thing
R.I.P.
 
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Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Standard ἐποποιΐα

Teil I


Der Jüngling, kaum der Schulbank entwachsen,
nahm klagend den Abschied, die Order in Händen,
die weg von der Heimat ins Fremde ihn zwang.
Wann wieder das Angeln, das Fischen von Lachsen
an des Heimatstroms kiesigen, leuchtenden Stränden,
wann wieder mit Heidrun den waldenen Weg entlang?
Wann wieder die blutnen, die lebernen Würste?
Wann wieder die kuhwarme Milch mit Spreu in der Satte?
Wann Feinsliebchen wie toll auf dem Tanzboden drehn?
Dahin die dem Blondhaar sich schmiegende Bürste,
dahin in den Kissen die baumwollne Watte,
wer weiß, wann wir uns einmal wiedersehn?
Der Bahnhof, der Zug, das Gelächter, Geschrei.
Tornister, wohin man auch treten, sich setzen wollte.
Der Mief, der aus Achseln, aus Kleidern kroch.
Der juchtene Handschuh jetzt schon entzwei!
Das "Hacken zusammen!", das den Höhern er zollte.
Und, äch!, neben ihm ausgerechnet der jüngere Broch.
Doch auf! gings, dem Franzmann die Weste zu lüpfen!
Zwei Handvoll Franzosen schafft so ein Germane,
das wär doch gelacht, vorbei schon bald dieser Krieg.
Gewiß war die Schlacht ja doch nur ein Hüpfen!
Wir kämpfen für des deutschen Kaisers Fahne!
Doch dann kam Verdun. Kein einziger Sieg.



20. Mai 2016




.

Geändert von Thing (22.05.2016 um 18:50 Uhr) Grund: Tippfehlerkorrektur
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Alt 22.05.2016, 18:46   #2
weiblich Ex-Thrud
abgemeldet
 
Dabei seit: 04/2016
Beiträge: 213

Standard Hallo Thing,

sprachlich schön die die Zeit um 1914 hineinversetzt, das passt sehr gut zu diesem Gedicht. Und auch die Atmosphäre wird gut transportiert, gefällt mir sehr.
Die Kriege dürfen nicht vergessen werden!

Liebe Grüße

Thrud
Ex-Thrud ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.05.2016, 20:08   #3
männlich ganter
 
Benutzerbild von ganter
 
Dabei seit: 04/2015
Beiträge: 2.486

Standard Echt

Hi Thing,

ja damals! Die Schulbänke noch aus echtem Holz, dem schon mal ein Spross entwachsen konnte.
Dann lag er vor Verdun im Dreck mit Klassik im Tornister-Gepäck, verführt von den Philistern.

Gruß
-ganter-
ganter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.05.2016, 20:39   #4
Thing
R.I.P.
 
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Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Zitat:
Zitat von ganter Beitrag anzeigen
Hi Thing,

ja damals! Die Schulbänke noch aus echtem Holz, dem schon mal ein Spross entwachsen konnte.
Dann lag er vor Verdun im Dreck mit Klassik im Tornister-Gepäck, verführt von den Philistern.

Gruß
-ganter-
Lieber -ganter-,

wie wahr!
Die wirklich "Feiwilligen" machten eine verschwindend geringe Zahl aus.
Die andren Freiwilligen wurden meist schon von Lehrern oder Eltern oder echten Deutschen zu Freiwilligen gemacht.
Daß in jedem Tornister eine "Faust"-Ausgabe zu finden war, war eine parodistische Vergackeierung des "Marschallstabes, der in eines jeden Soldaten Rotnister - Soldatenjargon für Tornister - ruht".
Der Rest der Soldaten hatte als Gezogener keine Wahl, lediglich einen Marschbefehl.

Wenns nuhre geine Grieche mehr gäbe...


Lieben Gruß
von
Romulus Thing
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baumwolle, deutschen kaisers fahne, watte




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