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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 09.08.2016, 18:34   #1
männlich urluberlu
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Dabei seit: 07/2014
Alter: 73
Beiträge: 2.273

Standard Das Morgenvogellied

An jenem Morgen, als ich früh
den Raum, in dem du lagst, verließ,
da ging dein Atem schwer wie nie,
ein Walfisch, der ins Weltall blies.

Da raschelten die Bäume wie
von Morgenvögeln aufgewühlt
und alle Menschen lachten, die
ich antraf, freundlich und verspielt.

Um Mittag war die Schule aus,
die Kinder strömten mit Radau
ins große, weite Land hinaus,
ein jedes heim in seinen Bau.

Im großen, weiten Land verklang
dein letzter, schwerer Atemzug,
den ich die weitern Wege lang
seit jenem Morgen mit mir trug.

Du hast dich nie von hier bewegt,
verließest bloß den Sterberaum,
in den man dich hat hin verlegt,
und hüpftest in den nächsten Baum,

in dem das Morgenvogellied
dir seine frische Stimme leiht.
Ein Lied, das jeden Tag erneut
mich hin zu jenem Morgen zieht.
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Alt 09.08.2016, 19:12   #2
männlich Heinz
 
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Beiträge: 7.878

Standard Morgenvogellied

Lieber urluberlu,
wer auch immer so schwer atmete, dass es sich wie das Blasen eins Walfischs (ts, ts, Du Kenner der Meerestiere !) anhörte - auch so kann man den Tod eines Menschen beschreiben. Mich erinnert das an den Tod meiner Schwiegermutter - als meine Söhne (noch recht klein) das Sterbezimmer betraten und anfingen zu begreifen, dass die Oma tot war, habe ich sie gebeten, mir beim Fensteröffnen zu helfen, damit die Seele der Oma auf die Äste der großen Buche hüpfen kann.
Dein Gedicht empfehle ich allen, die Trost suchen und beim Gedanken an den Tod nur Schreckliches empfinden.
Wenn das letzte, was ich von Dir las, erholsam war - dieses ist trostvoll.
Ich glaube, Du fischst bei mir nach Komplimenten (hier hast Du Deinen Fisch).
Beste Grüße,
Heinz
Heinz ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 09.08.2016, 19:45   #3
männlich urluberlu
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Dabei seit: 07/2014
Alter: 73
Beiträge: 2.273

Guten Festabend Feierval
Die kleine Geschichte von deinen Söhnen und ihrer Oma schlägt alles. Gut, dass du sie nicht in Verse kleidest.
Danke für deinen Beitrag an mein Wohlbefinden.
Ich mag die Leichtigkeit des Seins wie des Sterbens, obschon ich nicht weiss, wie sie ausserhalb von Gedichten zu finden sind. Deshalb schicke ich meine Verse sogleich deiner Schwiegermutter nach auf ihren Baum.
Dann hat die Form auch ihre Förmlichkeit.
Gute Nacht!
Url
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Alt 12.01.2017, 13:00   #4
weiblich Ex Wanda
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Dabei seit: 05/2016
Beiträge: 173

Ein wunderbares Gedicht, welches mit Leichtigkeit daher kommen will und doch so schwer am Inhalt tragen muss. Sehr sehr schön!

Liebe Grüße
Wanda
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Alt 12.01.2017, 13:27   #5
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Ein sehr zu Herzen gehendes Gedicht, urluberlu. Mit Trauer und Freude gelesen.

Chapeau
gummibaum
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Alt 12.01.2017, 14:29   #6
männlich Ex-Ralfchen
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Dabei seit: 10/2009
Alter: 77
Beiträge: 17.302

ja es geht zu herzen. aber nicht in meines, denn: den tod zu beschreiben ist eine sache. den tod in seinen armen zu haben nachdem er dir einen geliebten menschen nach den letzten atemzügen überläßt - etwa - ist eine ganz andere: die wahre. so gesehen habe ich keinen zugang zur sentimentalität der - allerdings schön geschriebenen - verse.
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.01.2017, 10:22   #7
männlich Laie
 
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Beiträge: 847

Hallo urluberlu,

ein bewegendes Gedicht, das mich die Trauer mitfühlen lässt. Und doch hat das Bild, dass die Seele in den nächsten Baum hüpfen lässt, etwas tröstendes. Einzig der Walfisch stört mich ein wenig, da es für mich beinahe spöttisch klingt. Sehr gern gelesen.


Gruß,
Tiger
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Alt 13.01.2017, 18:06   #8
männlich urluberlu
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Beiträge: 2.273

hallo wanda, gummibaum, ralfchen, tiger

ich bedanke mich sehr herzlich für eure beiträge, welche mir eine basis geben, wenn ich mal eine ähnliche aufgabe stemmen will.

guten abend
url
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Alt 13.01.2017, 21:52   #9
männlich dr.Frankenstein
 
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Ja ich dachte erst da schnarcht einer und dann stirbt er und zu guter Letzt springt er in einen Baum. Ohne Heinz hätte ichs wohl nicht kapiert.
Mal was anderes.


Woher kommt das mit dem Baum?
dr.Frankenstein ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.01.2017, 11:16   #10
männlich urluberlu
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Passt doch perfekt! Wozu brauchst du Heinz?
Url
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Alt 14.01.2017, 11:22   #11
männlich dr.Frankenstein
 
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Ort: Zwischen den Ostseewellen ertrunken
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Beiträge: 5.467

Na wegen Tod und Baum.
dr.Frankenstein ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.01.2017, 11:37   #12
männlich urluberlu
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Der hat wohl das Sterbezimmer zu wörtlich genommen. Wie andere den Walfisch.
urluberlu ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.01.2017, 16:36   #13
männlich Gylon
 
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Beiträge: 4.269

Lieber urluberlu,
noch ein weiterer Text aus deiner Feder den ich sehr ansprechend finde!

Liebe Grüße Gylon
Gylon ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.01.2017, 18:05   #14
männlich urluberlu
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Beiträge: 2.273

Hallo Gylon
Ich benütze mal die Antwort an dich (mit Dank verbunden!) dazu, der offenbar angewachsenen Leserschaft mitzuteilen, dass dieser Text eigentlich eine Replik auf einen von Dr.Karg war, in welchem er das Thema "Mutter starb ohne mich" hatte. Und wo er doch tatsächlich kritisiert wurde dafür, dass er trotz Sterbestunde der Mutter zur Arbeit (in eine Schule mit lebenden Kindern) ging... Die absurde Diskrepanz zwischen des Doktors Sprachstil und den Vorwürfen reizte mich sofort.
Dir, Gylon, einen schönen Sonntag
Url
urluberlu ist offline   Mit Zitat antworten
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