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10.03.2011, 22:45 | #1 |
Nachwirkungen
Ich war im Sandkasten und hatte Großes vor. Mein Loch war schon so tief, dass ich im Liegen mit ausgestrecktem Arm arbeiten musste. Ich wollte gleich heute Abend meinem Vater berichten, dass ich es geschafft hatte. Dass ich drüben war, wo die Leute nach unten hingen, dass ich jetzt wusste, ob sie sich festhalten müssen oder ob es mit der Anziehungskraft stimmt. Jetzt blickte ich gespannt in meinen Schacht hinunter, ob nicht am Grund schon etwas zu sehen war. Ein erstes helleres Schimmern. Aber es blieb nur dunkel und zu allem Überfluss stieß ich mit der Schaufel auf Hartes. Als ich mein Loch unten vergrößert hatte, sah ich das Brett. Es war der Sandkastenboden.
Mein Vater tröstete mich am Abend, er sagte zugleich, dass ich noch lange hätte graben müssen. Er war als junger Mann im Bergwerk und deshalb schon viel tiefer. Da waren Kohleschichten und es war ziemlich warm, aber einen Ausgang zur anderen Seite hatte er nicht gesehen. Man würde es nicht hinüber schaffen, meinte er, weil es zur Mitte hin noch heißer würde. Ich begann in diesen Tagen, die raschen Unternehmungen aufzugeben. Wie durch einen langen Tunnel sah ich mein Ziel in der Ferne, gab aber nicht auf. Manchmal dachte ich daran, in einen Vulkan zu klettern, ließ es dann doch und zeichnete Bohrer. Als ich die vergilbten Zeichnungen neulich im Keller fand, öffnete ich die Mülltonne. Plötzlich sah ich sie noch einmal an und der frühe Pioniergeist, den sie ausstrahlten, hielt mich vom Wegwerfen ab. Ich breitete sie auf dem Wohnzimmerteppich aus, begann irgendwann, hier und da einen Strich hinzuzufügen, saß später am Computer und rechnete. Ich bin überzeugt, dass es geht! Ich habe mir ein Grundstück in einer einsamen Gegend gemietet. Dort hängt im Bohrturm der Bohrer. Er ist so dick wie ich und praktisch unbegrenzt verlängerbar. Bald kann mich fallen lassen in meinem Schutzanzug. Und weil die Anziehungskraft, wie ich weiß, tatsächlich vorhanden ist, komme ich gebremst ganz sacht heraus. Kopfüber. Schade ist nur, dass es mein Vater nun nicht mehr erlebt. Ich werde ihm, bevor ich starte, auf sein Grab die alte Kinderschaufel legen. |
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10.03.2011, 22:53 | #2 |
abgemeldet
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Das nenne ich ein wunderbares Konzept! Wie der Kindheitstraum als kleine Flamme wiederkehrt und noch einmal gewaltig auflodert. Wirklich sehr gelungen!
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10.03.2011, 23:54 | #3 |
Hallo Odiumediae,
danke für deine sehr freundliche Stellungnahme. LG gummibaum |
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11.03.2011, 01:41 | #4 |
R.I.P.
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Wie schön, daß sich Kindheitsträume im Erwachsenenalter wieder melden!
Auch ich träumte von den Antipoden, bevor mich die Physik eines Besseren belehrte. Und dennoch: Ich träume - belehrt - weiter. Eines Tages werde ich das Licht auf der anderen Seite entdecken. Deine Geschichte gefällt mir sehr. Nach dem "....stimmt." hätte ich einen neuen Absatz begonnen, aber das ist sehr subjektiv. Thing |
11.03.2011, 11:21 | #5 |
Hallo Thing,
ich habe den Absatz gemacht. Besser so. Danke. Alles Liebe von gummibaum |
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12.03.2011, 12:04 | #6 | ||
abgemeldet
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Servus!
Zitat:
Großartige Geschichte! Das Kind im Manne kommt mal mehr und mal weniger zum Tragen, aber ganz verschwindet es anscheinend nie Zitat:
einfach nicht erwartet habe, dass der ausgewachsene Mann tatsächlich eine solche Aktion starten will und das hat mich zieeemlich beeindruckt...! Vielen Dank dafür! lg, Stefan! |
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12.03.2011, 13:10 | #7 |
Lieber pyja8,
freue mich, dass du schreibst und danke für dein Lob. Das "ich" stand bestimmt schon mal an seinem Platz. Die meisten Fehler passieren mir mit der Löschtaste. Und ich lösche oft über 90%. Da aber das Löschen die wichtigste Schreibtätigkeit ist, will ich mit ihm nicht hadern, mit meiner mangelnden Aufmerksamkeit allerdings schon. Denn die Irritation durch Fehler prellt den Leser oft um den Genuss. Alles Gute. gummibaum |
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