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Theorie und Dichterlatein Ratschläge und theoretisches Wissen rund um das Schreiben.

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Alt 22.08.2021, 18:24   #1
männlich Anaximandala
 
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Standard Metrik und Silben bei Suffix ion/ial und Plural ee/ie/ei

Die Frage beschäftigt mich schon etwas länger und bisher versuche ich, einfach einen Bogen um die entsprechenden Wörter zu machen, aber vielleicht kann mir hier ja jemand die Frage beantworten.

Wie gehe ich beim Dichten mit Wörtern um, die auf den Suffix (t)ion oder ial enden? also beispielsweise Funktion oder genial.
Oder mit dem Plural von (fem) Wörtern auf die Endung ee, ie, ei, bsp. Galaxien,...

Von der Silbentrennung her würden die Worte wie folgt aussehen:
Funk|ti|on
Ge|ni|al
Ga|la|xi|en

Nur würde ich diese Wörter, zumindest im Sprachfluss eines Gedichtes, anders betonen, nämlich:
Funk|tion
Ge|nial
Ga|la|xien

Ich hab dazu nicht wenig gesucht und auch viele interessante Dinge zu Betonung etc. gelesen, nur kein konkretes Beispiel für mein Problem.

Deshalb meine Frage, bin ich einfach etwas blöde und krieg die Betonung nicht auf die Reihe? Oder bin ichs, weil die Silbentrennung für das Metrum unwichtig ist und es nur um "phonetische Silben", Morpheme oder wie auch immer, geht?
Ich meine, mir ist klar, dass jedes dieser Worte für sich alleine und langsam ausgesprochen nach der Silbentrennung betont werden kann, aber im Textfluss eingebaut haben sie alle mich schonmal kalt erwischt und ich stand plötzlich mit einer Silbe zu viel da

Vielen Dank schonmal im Voraus, wiegesagt, das Problem beschäftigt mich jetzt echt schon ne Zeit lang^^
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Alt 22.08.2021, 18:48   #2
weiblich Ilka-Maria
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Ich vermeide solche Wörter, wann immer es möglich ist. Sie sind sperrig, unlyrisch und werfen unnötig Probleme auf. In den meisten Fällen gibt es gute Lösungen. Für "genial" könnte man z.B. brillant, exzellent, grandios, phänomenal, unübertrefflich, magnifik, süperb, grandios, unvergleichlich, überragend, unnachahmlich, fantastisch usw. nehmen.

Oder man versucht, diese Wörter, wenn sie unvermeidbar sind, am Anfang oder in der Mitte des Verses zu placieren. Denn dann wird der Suffix automatisch schnell gelesen oder gesprochen, also als eine einzige Silbe wahrgenommen.

Eine weitere Möglich ist das Ausweichen auf ein substantiviertes Verb, es also mit dem "Funktionieren" statt mit der "Funktion" zu versuchen. Oder man probiert mit dem Adjektiv "funktional" herum. Kommt natürlich auf den Sinn des Verses an, ob das machbar ist oder nicht. Umgekehrt könnte man das Adjektiv "genial" in das Substantiv "Genialität" umwandeln, wenn das für den Rhythmus besser passt.

Man könnte ein sperriges Wort auch zu einem Ausdruck erweitern, wie z.B. genialer Verstand oder geniales Denken, nur muss man dann aufpassen, dass man nicht Wörter zusammenbringt, die als Verlegenheitslösung und unnötige Aufblähung eines Verses empfunden werden.

Ich selbst gebe mich nicht damit zufrieden, dass der Leser schon selbst den Rhythmus eines Wortes mit solchen Endungen findet; lieber bastele ich solange an den Versen herum, bis ich mit ihnen zufrieden bin, selbst wenn ich dafür die erste Idee opfern muss. Ein Grundsatz des literarischen Schreibens lautet: "Kill your babies!" Besser ist jedoch, seine Schätzchen einzufrieren und für ein anderes Gedicht aufzuheben.
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Alt 22.08.2021, 20:10   #3
männlich MonoTon
 
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Hallo anaximandala, Hallo Ilka

Zitat:
Funktion oder genial.
Bei den Beispielen sehe ich (aus meiner Erfahrung) eine Silbentrennung, da nämlich die Suffix (ti-on und ni-al) bestens alleine und in konsonanter Trennung bestand hätten.
Es besteht eine Verbindnung mit einem Folgekonsonanten, sobald man seine Zungen- oder Mundstellung ändert, um einen weiterführenden Vokal zu formen.
Meines Erachtens ist es schwierig 2 aufeinander folgende Konsonanten bestehend aus 2 Vokalen nicht zu fu-sio-nie-ren, da diese nicht für sich alleine stehen können.
Hierbei ist (so glaube ich zu Wissen) wichtig, das ein Vokal niemals alleine eine Silbentrennung erfährt und nur in Begleitung eines Konsonanten bestand hat.
Und des weiteren denke ich zu wissen, das ein Konsonant immer einen Vokal oder einen Doppelvokal oder Umlaut mit sich trägt.
Sobald es sich also um einen Suffix handelt, bestehend aus einem konsonanten mit vorangehendem Vokal, würde ich es phonetisch trennen und im Schriftbild als eigenständige Silbe betrachten.
Selbst wenn es sich phonetisch wie eine Sym-bio-se zweier Laute anhört.
Ich hoffe man berichtigt mich, falls ich mit meinen Aussagen falsch liege und ich entschuldige mich dafür im voraus.

Ich glaube auch, es wäre hilfreich, man versucht das fragliche Wort in eine eigene Bedeutung zu zwingen, um zu sehen wie es sich in Wortzusammensetzungen verhält.

Bio / Bio-lo-gie / Bio-top / Bio-müll /Bi-po-lar
Hierbei ist aber zu beachten, dass das Wort nicht mehr dem eigentlichen ausgangsklang entspricht, da nunmehr kein klanglicher "schwa"-laut entsteht der einer Phonemen Fusion anlastet.
Bio ist nicht gleich bio~.

Ich hoffe zutiefst nicht für meine Aussage gesteinigt zu werden

LG Mono

Zitat:
Ich vermeide solche Wörter, wann immer es möglich ist. Sie sind sperrig, unlyrisch und werfen unnötig Probleme auf.
Das scheint mir ohnehin die beste Lösung zu sein. Ein Text wird schwierig, wenn man sich an nur einem einzigen Wort aufhängen kann. Auch wenn das Wort und ein Text durch dessen Gebrauch transzendentaler wirkt.
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Alt 22.08.2021, 20:22   #4
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Meines Erachtens ist es schwierig 2 aufeinander folgende Konsonanten bestehend aus 2 Vokalen nicht zu fu-sio-nie-ren, da diese nicht für sich alleine stehen können.
Mit Wörtern auf "-iere/-ierst/-iert/-ieren" gibt es nicht diese Probleme, die mit Wörtern auf "-ion" und "-ial" auftauchen. Da hat man eine oder zwei Silben, je nachdem, ob Einzahl oder Mehrzahl. Kopfzerbrechen bereiten explizit die beiden letztgenannten Suffixe, wenn sie am Ende eines Verses stehen.
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Alt 22.08.2021, 20:34   #5
männlich MonoTon
 
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Zitat:
Kopfzerbrechen bereiten explizit die beiden letztgenannten Suffixe, wenn sie am Ende eines Verses stehen.
Ja stimmt, deshalb heißen sie ja suffix, ich habe mich hinreißen lassen.
Ich habe anscheinend zu viel drum herum geredet, das tut mir leid.
Demnach hätte das hier wohl als mein Antwortkommentar gereicht.

Zitat:
Bei den Beispielen sehe ich (aus meiner Erfahrung) eine Silbentrennung, da nämlich die Suffix (ti-on und ni-al) bestens alleine und in konsonanter Trennung bestand hätten.
demzufolge wären es für mich eigenständige Silben im Lesefluss eines Metrisch aufgebauten Textes
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Alt 22.08.2021, 21:30   #6
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von MonoTon Beitrag anzeigen
demzufolge wären es für mich eigenständige Silben im Lesefluss eines Metrisch aufgebauten Textes
Ja, für dich, das ist klar von dir gesagt. Das gilt jedoch nicht für jeden Leser, mancher wird aus dem Rhythmus kommen und den Vers wiederholen müssen, bis er die passenden Betonungen gefunden hat. Aber genau das will der Lyriker vermeiden.

Im empfehle weiterhin, derart kritische Wörter zu vermeiden. Sie klingen ohnehin nicht schön.
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Alt 22.08.2021, 23:21   #7
männlich Anaximandala
 
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Super danke für eure Antworten
Also bisher geb ich mir selbst auch viel Mühe, solche Worte zu vermeiden, einfach auch weil ich nicht wirklich einschätzen kann, was am Ende richtig ist. Was bringt die formal richtige Silbenzahl, wenn die Zeile am Ende im Ton eine Silbe kürzer ist... Jetzt gerade bin ich durch genial mal wieder auf das Problem gekommen, werde das Wort diesmal aber stehen lassen, weil ich in der Zeile aufeinanderfolgend banal, fatal, genial habe. Es wäre zwar möglich, es durch formal oder normal zu ersetzen, aber das ist auch alles doof. Auf jeden Fall tut es mir fast ein bisschen weh, in diesem Fall etwas unsauber, oder unwissentlich zu schreiben, aber das muss auch mal sein xD

Das schöne ist an sonsten ja wirklich, dass man über Synonyme oder kleine Umwege irgendwie immer ans Ziel kommt, meist auch ohne Einbußen.

Aber ich muss ganz ehrlich sagen, ich war mir fast sicher, dass ich mit ein wenig Suchen eine Lösung hierzu finde, ich hätte wirklich gedacht, es gäbe einen Kanon dazu, dass sich jemand schonmal damit beschäftigt hätte und sich irgendwo eine anerkannte Lösung findet. Nach einigen Stunden im Internet, einem ganzen Haufen an Information über Suffixe, Affixe, Betonung, und allem was dazugehört, bin ich jetzt aber klüger^^
Das, was einer Antwort am nächsten gekommen ist, war eine wissenschaftliche Arbeit darüber, wie komplexe Suffixe durch Silbenzahl, Reime, Metrik und was weiß ich was beeinflusst werden. Ich weiß nicht, welche Einflüsse besonders wirken und welche nicht, aber, wenn ich alles richtig verstanden habe, erhöht sich besonders bei komplexen Suffixen die Sprechgeschwindigkeit, wodurch Token, die bedeuten in dem Fall wohl so ungefähr Zwischentöne, wegfallen und sich so die Aussprache beschleunigt und verkürzt.Grundlage war zwar der Suffix "lich", aber ich denke mal vergleichen lässt es sich trotzdem.
Allerdings will ich hier nichts in Stein meißeln, das waren 100 Seiten und ich hab sie mehr überflogen xD
*
die Einflussfaktoren, die ich mir jetzt notiert habe, sind hauptsächlich semantische Transparenz, Frequenz, Sprechgeschwindigkeit und Metrum


Und trotz allem, was es über Silbentrennung, Morphemen, Prosodie und der Betonung von Suffixen zu lesen gibt, einen Lösungsansatz für die Lyrik habe ich nicht gefunden und ich wäre mir echt sicher gewesen, dass das Problem so offensichtlich ist, dass ich nur die richtigen Suchbegriffe und 3 Klicks brauche

Ich werde wohl einfach weiter einen Bogen um solche Worte machen. Aber super, dass du die Abwandlungen erwähnt hast Ilka, ich wäre nämlich ungeprüft der Meinung gewesen, dass auch die alle unbrauchbar wären^^

Zitat:
Ich selbst gebe mich nicht damit zufrieden, dass der Leser schon selbst den Rhythmus eines Wortes mit solchen Endungen findet; lieber bastele ich solange an den Versen herum, bis ich mit ihnen zufrieden bin, selbst wenn ich dafür die erste Idee opfern muss. Ein Grundsatz des literarischen Schreibens lautet: "Kill your babies!" Besser ist jedoch, seine Schätzchen einzufrieren und für ein anderes Gedicht aufzuheben.
Ich versteh total, was du meins und bin da voll bei dir, ich hab schon Stunden um Stunden vor einzelnen Strophen gesessen und mehr tolle Versionen meines liebsten Gedankens verworfen, als das ganze Gedicht Strophen hatte, weil alle meine Umsetzungen zu viele oder zu wenige Silben hatten und so die Gedanken, die ich um jeden Preis im Text haben wollte der regelmäßigen Struktur des Textes geopfert...
Was gut ist kommt schon wieder und wenn nichrt, war es nicht gut oder einfach nicht an der Zeit. Auf jeden Fall hat es noch keinem Text gutgetan, irgendwas auf Teufel komm raus noch umsetzen zu wollen, spätestens nach der zweiten Strophe haben die meisten Texte eh eine Eigendynamik hab ich so erlebt.

Zitat:
Hierbei ist (so glaube ich zu Wissen) wichtig, das ein Vokal niemals alleine eine Silbentrennung erfährt und nur in Begleitung eines Konsonanten bestand hat.
Ich würde sagen das stimmt, was du da schreibst Mono, aber ich kann mich auch nur auf das berufen, was ich heute zu Silben gelesen habe.

Von der Betonung bin ich mir auch ziemlich sicher, dass ein ion oder ein ial gemeinsam ausgesprochen wird. Allerdings, auch wenn es sich um den Suffix ion handelt, fügt sich das i von der Silbentrennung der Vorsilbe an, sodass es zum Beispiel als Begleiter des Konsonanten s in Fu|si|on nicht alleine stehen würde. Trotzdem bin ich mir ziemlich sicher, dass es unter dem Aspekt der Morpheme und der Aussprache Teil des on ist und im Wort Fu|sion eine phonetische Silbe bildet.

Zitat:
Ich hoffe zutiefst nicht für meine Aussage gesteinigt zu werden
Keinesfalls, ich kann ja nichtmal sicher sagen, dass ich hier keinen Schwachsinn geschrieben habe

Aber meine Frage beschäftigt mich jetzt seit über einem Jahr, deshalb bin ich froh, dass ich zwei euch so schön dazu geäußert habt.

Geändert von Anaximandala (23.08.2021 um 08:13 Uhr)
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Alt 15.05.2022, 10:43   #8
männlich Ex-petrucci
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Es gibt Fallen in der deutschen Sprache. Sehr tricky ist das Wort „beruhigt“.

Jedoch gehen die Phonetik und die Lehre des Verses Hand in Hand. Die Expressionisten machen sich die Schwächen, die Ilka aufzählte, zu nutze und schaffen auf diese Weise sehr einprägsame Reihen- und Zeilenstile. Weswegen ich grundsätzlich keine Wörter vermeiden würde. Das sorgt dafür, dass man stagniert.

Wie verwirrend das Metrum werden kann, zeigen oft Werke im Amphibrachys (Akephal).
Da sind eigentliche Trochäen auf einmal doppelt unbetont und in der nächsten Zeile wieder wie eingangs erwähnt.
Aber alles unterliegt einer Regel und um die zu verstehen, muss man etwas in der Phonetik stöbern. Viel mehr ist die rhythmische Natur an unserer Anatomie gebunden.
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Alt 17.05.2022, 21:20   #9
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Standard Hey Petrucci

Danke für deinen Beitrag,
ja es gibt wirklich ein paar fiese Stolpersteine und beruhigt zählt ganz sicher dazu.
Weit weniger unschön, trotzdem nicht schön, sind auch Worte, in denen die phonetischen Silben nicht mit den geschriebenen übereinstimmen, Idee, Oma, Opa, Ode,.... alles einsilbige Worte, mit zwei gesprochenen Silben

Am Ende ist es wohl so, zählen tut was man spricht, nicht schreibt. Eigentlich ja sogar logisch

Zitat:
und ich wäre mir echt sicher gewesen, dass das Problem so offensichtlich ist, dass ich nur die richtigen Suchbegriffe und 3 Klicks brauche
Eben dieser Satz über dem Quote wäre es gewesen, der meine Frage beantwortet hätte. Ich hatte ihn zu diesem Zeitpunkt aklls kleinen Tipp in den Notizen stehen. Ich habe lange gesucht.

Also es ist mit sicherheit spannend, zu manchen Fragen in die Phonetik einzutauchen, aber Aufwand und Nutzen gehen nicht Hand in Hand.


Zitat:
Viel mehr ist die rhythmische Natur an unserer Anatomie gebunden.
Wie meinst du das?

Geändert von Anaximandala (18.05.2022 um 00:30 Uhr)
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Alt 18.05.2022, 01:56   #10
weiblich Ilka-Maria
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Sich über die diese "Probleme" Gedanken zu machen, ist sicherlich gut, denn es schäft den Verstand und erweitert durch die Suche nach Alternativen den Wortschatz. Aber wie bei allem kann man es auch hier übertreiben. Der Poet sollte, wenn er auf uneindeutig zu betonende Wörter stößt, von dem Gebrauch machen, was oft eingefordert wird, aber meisten, um schlechte Texte zu verteidigen: die künstlerische Freiheit.

In diesem Fall ist die künstlerische Freiheit aber tatsächlich gerechtfertigt, denn es kann nicht die Aufgabe des Dichters sein, dem Leser eine Gebrauchsanweisung mitzugeben, wie er ein Wort zu betonen hat, das in der Alltagssprache zweisilbig klingt, geschrieben jedoch drei Silben hat. Wobei, bei genauerer Untersuchung, sich an der Betonung eigentlich gar nichts ändert, lediglich wirkt ein schnell gesprochenes Wort manchmal zweisilbig, obwohl es drei Silben hat. Beispiele: ge-ni-al, be-ruh-igt. Abger egal, ob schnell gesprochen oder geschrieben, "genial" wird immer auf der letzteren bzw. letzten Silbe betont, "beruhigt" immer auf der mittleren, die auch wie die letztere Silbe klingen kann.

Die Crux ist lediglich, dass beim schnellen Lesen oder Sprechen scheinbar eine Silbe fehlt. In Wahrheit fehlt sie aber nicht, und hier muss der Dichter den Mut haben, es dem Leser zu überlassen, dass er den Vers richtig liest. Wem Sprache und Lyrik Herzensangelegenheiten sind, schafft das locker.
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Alt 18.05.2022, 09:20   #11
männlich Anaximandala
 
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Guten Morgen Ilka,
ja da hast du ganz sicher recht, ich fands dazu echt ganz spannend.

Klar, gerade dort, wo die Betonung sehr Unklar ist sollte man überlegen was anderes zu nehmen, aber gerade die ganzen Endungen sind (hab ich persönlich den Eindruck) gut einzuordnen, Die meisten Dichter, bei denen ich drauf geachtet habe benutzen sie zumindest recht selbstverständlich ion/ien/ial als eine Silbe.

Aaber, das ist jetzt ne Beobachtung von gestern, vielleicht schreibe ich Schwachsinn, es kommt auf die Stellung Stellung im Satz und die Betonungsstruktur an. Ich behaupte, wenn die vorletzte Silbe betont wird, sind zwei Silben erkennbar, wenn nicht wird die unbetonte vorletzte Silbe geschluckt.

Die Legion
Eine Legion
Römische Legion
Von römischen Legionen
Die marschierenden Legionen

Wie genial
nicht so genial
etwas ist genial
sowas wäre genial
was wäre nicht so genial
Tupperboxendiebegenial

Aber vielleicht red ich mir auch nur was mit meiner Aussprache ein^^

beruhigt würde ich glaub ich einfach kenntlich machen

beruhigt / beru'igt oder so
Ganz ehrlich, das ist ein spannendes Thema...

Ich hab beim Lesen eine recht umfangreiche einführung in die Regeln zur Akzentuierung von Worten gefunden, icbh find das sieht super hilfreich aus, ich poste das ganze einfach als Extra Kommentar

Liebe Grüße

Geändert von Anaximandala (18.05.2022 um 13:41 Uhr)
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Alt 18.05.2022, 09:25   #12
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Standard Akzentuierung

Ellisionen
Mit Elision wird der Ausfall von Segmenten bezeichnet. Der rhythmische Aufbau des Deutschen bewirkt, dass einzelne Silben, vor allem die unbetonten Silben, gekürzt werden müssen. Aus diesem Prinzip verschwindet beispielsweise das reduzierte E [ə] vor dem nasalen Konsonanten und unmittelbar nach dem betonten Vokal: auf ebenen Straßen, die abgeschnittenen Rosen. Auch der TLaut kann ausfallen, wenn er der mittlere Konsonant in einer Dreiergruppe ist: Glanz (glans), erhältst
(erhäls), restlich (reslich), beachtlich (beachlich). Das [t] kann außerdem nach Frikativen [f], [v], [s], [z], [j], [x], [ç] und nach [n] wegfallen, wenn es in einer unbetonten Silbe steht: Wirtschaf(t), en(d)lich kommen.

Wortakzent
Deutsch ist eine Silbensprache. Eine Silbe besteht aus einem Vokal, der vorne oder hinten von Konsonanten begleitet werden. Nur der Vokal kann einen Akzent tragen, d.h. er wird betont. Der
Wortakzent liegt in mehrsilbigen Wörtern in der Regel auf der ersten Silbe ('Hof, 'Bahnhof, 'Hauptbahnhof). In zusammengesetzten Wörtern wird jede Stammsilbe betont, wenn auch unterschiedlich stark: 'Wohnungsˌschlüssel. Man unterscheidet demnach zwischen dem Hauptakzent und Nebenakzent.

Akzentuierung der Wörter mit Präfixen
1. In den Wörtern mit den unbetonten (akzentlosen) Vorsilben be-, ge-, -ent, -er, -emp, -ver, -zer liegt der Akzent auf der darauf folgenden Silbe (ver'mieten, be'tonen, emp'fehlen).

2. Das Präfix miss- kann betont und unbetont sein. In den Verben mit dem Präfix miss- liegt der Akzent auf der ersten Silbe, wenn darauf kein anderes untrennbares Präfix folgt: miss'lingen, miss'glücken, miss'brauchen. In den Verben mit zwei untrennbaren Präfixen ist das Präfix miss- hauptbetont, und die erste Stammsilbe nebenbetont: 'missverstehen, 'missgestalten. Die Substantive mit dem Präfix miss- sind immer anfangsbetont: 'Missbrauch, 'Misstrauen, 'Missverständnis.

3. In den Verben mit den trennbaren Präfixen ab-, an-, auf-, aus-, bei-, ein-, mit-, nach-, vor-, weg- u.a. ist das Präfix hauptbetont: 'abgeben, 'annehmen, 'aufhören. Dies betrifft auch Substantive, Adjektive und Adverbien: 'Absage, 'Annahme, 'abseits, 'vorwärts, 'einfach.

4. Das Präfix ur- ist hauptbetont: 'Urteil, 'Ursache, 'Urgroßvater.

5. Das Präfix un- ist in der Regel betont: 'Unglück, 'unbekannt, 'unbegründet. Aber in den mehrsilbigen Adjektiven mit den Suffixen -ig, -lich, -haft, -bar, -sam sind zwei Akzentvarianten möglich: die Betonung auf dem Präfix und die Betonung auf dem Wortstamm: 'unbegreiflich und unbe'greiflich, 'unvollständig und un'vollständig, 'unmöglich und un'möglich.

6. Die Wörter mit den Präfixen durch-, hinter-, über-, um-, unter-, um-, hinter- wieder- u.a. haben einen schwankenden Akzent. Bei den Verben können sie sowohl trennbar als auch untrennbar sein. Wenn sie betont sind, sind sie trennbar, wenn sie keinen Akzent tragen, dann sind sie untrennbar. Sie stellen ein besonderes Problem dar, weil sich mit der Betonung eines Wortes sein Sinn ändern kann:
Ich habe einen Baum 'umgefahren – der Baum ist kaputt.
Ich habe einen Baum um'fahren – der Baum ist ganz.

7. Die Konstituente wider- ist in Verbindung mit den Verben akzentlos (wider'rufen, sich wider'setzen, wider'sprechen, aber: 'widerspiegeln). In Verbindung mit Substantiven und Adjektiven wird sie betont: der 'Widerhall, der 'Widerruf, das 'Widerspiel, 'widersinnig, 'widerwillig. Bei den Partizipien bleibt der Akzent auf dem Stamm, wenn es ohne ge- gebildet wird: hat wider'rufen, hat wider'sprochen, hat sich wider'setzt.

8. Hinweis: nicht als Konstituente ist in jedem Fall akzentuiert: 'Nichtraucher, 'Nichtschwimmer.

Akzentuierung der Wörter mit deutschen Suffixen
1. In den Wörtern mit deutschen unbetonten Suffixen -e, -en, -er, -el-, -ler, -ner, -chen, -te, -ste, die den Murmelvokal enthalten, trägt die erste Stammsilbe den Akzent: 'Liebe, 'Frieden, 'Schüler, 'Wurzel, 'Sportler, 'Gärtner, 'Blümchen, der 'vierte, der 'schönste.

2. Im Deutschen gibt es Suffixe, die einen Nebenakzent tragen: -bar, -sam, -schaft, -haft, -tum, -los
('wunderˌbar, 'aufmerkˌsam, 'Wissenˌschaft, 'meisterˌhaft, 'Alterˌtum, 'grenzenˌlos).

3. Die Wörter mit den Suffixen -ung, -heit, -keit, -mut, -ling, -ing, -nis, -lein, -in, -ig, -lich, -isch, -sal haben die Betonung auf dem Stamm: Be'rufung, Ge'sundheit, 'Freundlichkeit, 'Armut, 'Frühling, 'Gleichnis, 'Fräulein, 'Lehrerin, 'lustig, 'herrlich,'heuchlerisch, 'Schicksal.

Akzentuierung der deutschen zusammengesetzten Wörter
1.In den zweigliedrigen Zusammensetzungen hat das Bestimmungswort den Akzent vor dem
Grundwort, unabhängig davon, ob das Bestimmungswort auf ein Verb ('Fahrschüler), ein Adjektiv ('Rotstift) oder ein Substantiv ('Bahnhof) zurückgeht, aber in manchen deutschen Wörtern steht das Bestimmungswort an der zweiten Stelle, wo es seinen Hauptakzent bewahrt: Jahr'hundert, Jahr'zehnt, Jahr'tausend, Jahr'fünft, strom'abwärts, strom'aufwärts, Kilo'meter, Nord'westen, Nord'süden.

2. Dreigliedrige Zusammensetzungen tragen den Hauptakzent auf dem Bestimmungswort, der Nebenakzent liegt auf dem letzten Glied, wenn es nicht Grundwort ist: 'Fußgängerˌüberweg,
'Baustellenˌschild, 'Weltfestˌspiele, 'Großbauˌstelle, 'Verkehrsˌknotenpunkt, 'Autoˌwaschanlage,
'Neumondˌnacht.

3. Bei den zusammengesetzten Verben fällt die Betonung auf das erste Verb, das zweite ist dann nebenbetont oder unbetont: 'kennen lernen, 'spazieren gehen.

4. In zusammengesetzten Adjektiven und Partizipien fällt die Betonung auch auf das erste Wort: 'gutgelaunt, 'freiheitsliebend, 'altmodisch, 'stundenlang, 'riesengroß.

5. Bei zusammengesetzten Numeralien werden alle Komponenten gleich betont: vierhundertzwölf, fünfhundertneunzig. Beim Zählen wird die erste Komponente hervorgehoben: einunddreißig, zweiunddreißig, dreiunddreißig etc.

6. Bei den zusammengesetzten Adverbien ist die zweite Komponente betont: hin'auf, her'auf, neben'an, unter'wegs. Aber in den Adverbien auf -seits, -mals, -wärts, -so, -halb betont man das erste Glied: 'abseits, 'vorwärts, 'damals, 'ebenso, 'deshalb.

7. Zusammengesetzte Fragepronomen und Pronominaladverbien können eine schwankende Betonung haben: 'darüber – da'rüber, 'darunter – da'runter, 'worüber – wo'rüber, 'worunter – wo'runter, 'hinüber – hin'über, 'hinunter – hin'unter, 'herüber – her'über, 'herunter – her'unter, 'wonach – wo'nach, 'woran – wo'ran, 'warum – wa'rum ('warum geht es denn nicht?).

8. Zusammensetzungen, die aus zwei Substantiven und einem Numerale bestehen, haben die Betonung entweder auf dem Numerale oder auf dem ersten Substantiv, häufiger wird aber das erste Substantiv betont: Zwei'phasenstrom, Sieben'meilenstiefel, Hundert'meterlauf, Drei'zimmerwohnung, aber: die 'Eintagsfliege, das 'Dreibettzimmer.

9. In Zusammensetzungen mit der Abkürzung des Bestimmungswortes wird sein Anfangsbuchstabe betont: die 'S-Bahn, die 'E-Lok, die' M-Größe.
10. In zusammengesetzten Abkürzungen, die aus den Anfangssilben zweier Komponenten bestehen, wird die erste Silbe betont: das 'Kilo, die 'Kripo, das 'Foto, aber: das La'bor.

11. Bei zusammengesetzten Abkürzungen, die aus Einzelbuchstaben bestehen, liegt der Akzent auf dem letzten Buchstaben: das deutsche AB'C, die CD'U, die DD'R.

12. Manche abgekürzte Zusammensetzungen, die in der Mitte einen Vokal haben, werden wie übliche Wörter auf der ersten Silbe betont: die 'NATO, die 'DEFA.

Akzentuierung der Eigennamen und Ortsnamen
1. Die Eigennamen werden gewöhnlich auf der ersten Silbe betont: 'Anna, 'Martin, 'Gisela. Doch haben manche weibliche Eigennamen und Blumennamen den Akzent auf der vorletzten Silbe: Fride'rike, Be'ate, Su'sanne, Pe'tunie, Nar'zisse, aber: E'lisabeth, Aza'lee, Orchi'dee.

2. In zusammengesetzten Ortsnamen trägt oft das zweite Glied den Akzent: Bremer'haven, Neu'seeland, Neu'brandenburg, Rheinland-'Pfalz.

3. Namensfolgen bei Bezeichnungen für Straßen, Plätze, Gebäude und Institutionen haben den Hauptakzent auf dem Namen: die Käthe-Kollwitz-Straße, die Friedrich-Schiller-Universität, das Goethe-Institut.

Akzentuierung der Fremdwörter
Fremde Wörter sind Wörter, die aus fremden Sprachen entlehnt und noch nicht völlig eingedeutscht worden sind. Die unvollständige Eindeutschung kann in der Schreibung: Chef, Friseur, Plateau, durch das Vorhandensein von fremden Vor- oder Nachsilben: elementar, Politik, Archivarius, durch das Vorhandensein von fremden Lauten: Ingenieur, durch die fremde Akzentuierung: öko'nomisch, Philoso'phie deutlich werden.

1. In fremden Wörtern trägt die letzte lange Silbe den Wortakzent. Eine Silbe gilt als lang, wenn sie auf einen langen Vokal mit der Schreibung ee, eu, eau, ou, ei, ie oder auf Vokal + Konsonant endet: Ar'mee, Mi'lieu, Ni'veau, Par'tei, Melo'die, mon'dän. Das reduzierte E (der Schwa-Laut) wird hierbei nicht als vollwertiger Vokal beurteilt.

2. Deutsche Suffixe wie -haft, -keit, -reich, -voll, -isch, -ig, -ung werden in fremden Wörtern nicht akzentuiert. Der Akzent liegt meist auf der letztmöglichen Silbe: vo'kalisch, ma'donnenhaft, res'pektvoll, 'chemisch, 'panikartig.

3. In den meisten fremden Wörtern sind folgende Suffixe nicht akzentuierbar: -um, -ium, -as, -es, -is,
-os, -us, -ax, -ex, -ix, -yx, -ans, -asch, -yr, -ak, -ens, -iker, z.B. 'Forum, Labora'torium, 'Musiker, 'Korpus, Mu'seum, Po'litiker, 'Gulasch, 'Kosmos.

4. Im Deutschen gibt es auch eine Reihe von betonten Suffixen aus Fremdsprachen: -ant, -ent, -and, -är, -al, -ell, -et, -eur, -graph, -ismus, -tion u.a. (Aspi'rant, Stu'dent, Diplo'mand, pri'mär, so'zial, experimen'tell, Ma'gnet, Inge'nieur, Foto'graf, Euphe'mismus, Genera'tion).

5. Das Suffix -ik kann betont (Poli'tik, Mu'sik, Phy'sik) und unbetont (Pho'netik, Sta'tistik) sein.

6. Das Suffix -or ist im Singular unbetont und im Plural betont: Pro'fessor - Profe'ssoren, Traktor - Trak'toren.

7. Die Verben auf -ieren, -isieren, -ifizieren sind auf -ie zu akzentuieren: moti'vieren, akti'vieren, elektrifi'zieren.
8. Die Substantive auf -ei, -erei und die Ortsnamen auf -in sind endbetont: Bäcker'ei, Fleisch'erei, Berl'in, Demm'in, Wett'in.

Nicht-akzentuierbare Wörter
Nicht-akzentuierbare Wörter in sachlich-neutraler Rede sind im Deutschen die Artikel (das Bad, die Miete), die Präpositionen (auf der Straße, neben dem Rathaus), die Konjunktionen (warm oder kalt, kalt und regnerisch), die Hilfsverben (er ist Lehrer gewesen), Relativpronomen (der Mann, dem wir helfen wollen), Personalpronomen (ich komme, du schreibst), Interrogativpronomen (wer war das?), Adverbien (da, dort, dann, hier), Reflexivpronomen (ich wundere mich), Indefinitpronomen (man hat sie getäuscht, es regnet) und Negationswörter (das ist kein Auto, ich kenne ihn nicht).
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Alt 18.05.2022, 12:03   #13
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Man kann sich das Leben unnötig schwer machen, Anixmandala. Wärst du ein Feldherr, würdest du vor lauter Kopfzerbrechen keine Schlacht gewinnen, könntest aber viel darüber erzählen, wie es sich anfühlt, gelähmt zu sein.
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Alt 18.05.2022, 13:40   #14
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Haha ich glaube das ist möglich, vielleicht wäre ich mir währenddessen aber wenigstens im Klaren darüber, was schiefläuft

Zitat:
Wärst du ein Feldherr, würdest du vor lauter Kopfzerbrechen keine Schlacht gewinnen, könntest aber viel darüber erzählen, wie es sich anfühlt, gelähmt zu sein.
Ich brauche keine Schlachten, Gegner oder Gründe um mich zu lähmen, die Steine krieg ich schon selbst vor meine Füße


Ich sag ja, Aufwand und Nutzen gehen nicht Hand in Hand, aber die Liste ist Gold, genau sowas hätte ich mir sonst über lang zusammengesucht.
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Alt 28.06.2022, 19:34   #15
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Verzaget nicht, ihr reimverliebten Dichter,
auch die Großen versuchten es mit schlichter
Wahl der Worte, uns ein ewig schönes Lied zu singen,
vermieden en passant, die Sprache dabei umzubringen.
Lest mein Bespiel und ihr werdet sehen:
Recht simpel sind die Reime, die da unten stehen.
Mein Antlitz glühte fast vor Schamesröte
als ich sie las - staunt fasungslos: Sie sind von Goethe.


gezeigt/geneigt/steigt
erschüttert/umwittert
Tage/Sage/Klage
Gestalten/halten/walten
auf/herauf/Lauf
Gesänge/Gedränge/Menge
Widerklang/bang/sang
Herzen/Schmerzen
erfreuet/zerstreuet
Sehnen/Tönen/Tränen
Geisterreich/gleich/weich
Weiten/Wirklichkeiten
oft/hofft
bestanden/Landen
behagen/aufgeschlagen
lässt/Fest
Augenbraunen/erstaunen
versöhnt/gewöhnt
gewesen/gelesen
neu/sei
sehen/Wehen
drängt/zwängt
ficht/bricht
vieren/Türen
Leute/heute
Menge/Gedränge/Himmelsenge
entflieht/zieht/blüht
Segen/erpflegen
entsprungen/gelungen/gedrungen
gelallt/Gewalt/Gestalt
geboren/verloren
sollte/wollte
Spaß/was
haben/Knaben
weiß/Kreis
erbittern/erschüttern
musterhaft/Leidenschaft
Chören/hören

Nein, ich bin kein Reim-Gegner. Der Reim ist ein Gestaltungsmittel und jeder Rezitator begrüßt es als hilfreich beim Auswendiglernen, wenn sich ein Wort dem anderen anschmiegt.
Das Wichtige steht vor dem Reimwort.

Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 28.06.2022, 20:04   #16
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Es geht hier offensichtlich um etwas anderes, nämlich um die lyrische Verwertung von Wörtern, die auf eine fremdwörtliche Endung lauten wie "ion", "tät" oder "ismus" und am Ende eines Verses stehen, also nach einem Reim flehen. Und das kann wahrhaftig ein Problem sein, das ich hier nicht zu lösen versuche. Wer sich dieser Wörter bedient, muss selber sehen, wie er seine Verse mit ihnen versöhnen kann, damit er seine Strophen hinbekommt. Wenn es nicht klappt, könnte er es mit einem deutschen Begriff versuchen. Damit fährt man nach meiner Erfahrung nicht schlecht.
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Alt 28.06.2022, 22:50   #17
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Liebe Ilka-Maria,
ich habe schon richtig verstanden. Mein Beitrag sollte aufzeigen, dass selbst die größten unserer Dichter (die angeführten Beispiele stammen alle aus dem "Vorspiel" zu Goethes Faust) hinsichtlich der Reimwörter zu recht simplen Lösungen greifen (und das bestimmt nicht, weil sie des Französischen, Englischen u.a.m. nicht mächtig wären)- Dass ich kein deutschtümelnder Sprachreiniger bin, muss ich nicht beweisen.
Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 28.06.2022, 23:07   #18
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Direkt auf deinen Beitrag zielte mein Kommentar nicht ab, Heinz. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass allgemein druckserisch mit unserer Sprache umgegangen wird, obwohl sie reichhaltig Material zur Verfügung stellt; fast, als habe man Hemmungen, sie auszuschöpfen. Die Schreiber vollen schreiben, aber trauen sich nicht, zu schreiben, wonach ihnen der Schnabel gewachsen ist. Angesichts der Political Correctness nicht verwunderlich. Eine Goldwaage reicht nicht mehr, man braucht mindestens drei mehr, um die erste zu verifizieren. Niemand darf mehr schreiben, was er schreiben möchte, und die Bücher alter Meister werden inzwischen auf Kurs gebracht. Aber wer will sie dann noch lesen?

Tatsächlich ist es so, dass - und das behaupte nicht ich, sondern ist das Ergebnis der Forschung - der Wortschatz unserer Nachkommen in den vergangenen zwanzig bis dreißig Jahren um fünfzig Prozent abgenommen hat. Das ist eine erschreckende Zahl angesichts der Tatsache, dass unsere Sprache eigentlich ständig durch Wörter aus anderen Sprachen aufgefüllt wird. Aber viele davon sind Eintagsfliegen.

Wir sind auf dem Weg in eine Spracharmut. Ein Schelm, der da noch Großes erwartet.
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Alt 04.07.2022, 17:40   #19
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Hey lieber Heinz, auch wenn das vielleicht nicht das Thema war, finde ich deinen Kommentar doch sehr gut, dass du deinen Text in Reimen verfasst hast finde ich sowieso schonmal Klasse.
Aber auch die Beispielreime, die zwar nicht sonderlich anspruchsvoll sind, aber offenbar alle in der Form von Goethe verwendet, sind gerade deshalb eine Bereicherung.

Es wäre zwar natürlich toll, wenn jedes Gedicht eine Sixtinische Kapelle wird, aber man sollte seine Ansprüche ja auch nicht zu hoch stecken und da ist es schön zu sehen, dass auch ein Goethe nicht immer ein NunPlusUltra aus dem Hut gezaubert hat. Bei Goethe finde ich sowieso ziemlich cool, dass er auch mal (ich hoffe ich täusche mich nicht, ich bin bisher leider noch recht oberflächlich informiert was Goethe angeht) Gedanken auch mal frei in Bahn hat brechen lassen, dass sie zwar nicht sauber und perfekt waren, aber im Sinne von Form folgt Funktion auch nicht besser hätten sein können.

Also neu/ sei oder Türen/vieren... das tut mir schon ein klein wenig weh. Blöd von mir, wenn das nicht so wäre, hätte es mir manchmal nicht wenig Aufwand erspart

Also als kleinen Apell finde ich deinen Kommentar echt gut, man sollte zwar wirklich vermeiden, einfach nur lapidares hinzurotzen, aber etwas ausschließen, nur weil es zu einfach/simpel ist, ist auch blöd.
Nothing's perfect und was so garkeinen Makel hat, hat damit doxh wieder einen.

Ich hab mal irgendwo gelese, das fand ich ganz gut, in Bezug auf die Archetypen der ausgelutschen Reimpaare wie Herz/Schmerz geht es nicht grundsätzlich darum, sie zu vermeiden, weil jeder sie schon 1001 Mal irgendwo gelesen hat, sondern sie so zu verwenden, dass das 1002te Mal wenn schon nicht neu, dann doch zumindest auch nicht alt erscheint, also halt statt dem ausgelutschten Seite zwei in jedem Reimeratgeber Zeug ein wenig kreativ sein und sich was einfallen lassen. Ich würde zwar niemandem den Herz/Schmerz Reim empfehlen, wenn der Text es nicht erfordert, aber irgendwer hat garantiert nen Reim im Kopf, der uns alle aus den Socken hauen würde.
(meisten anderen nur halt nicht^^ )


Was den Umgang mit der deutschen Sprache angeht sehe ich das ähnlich. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Wortschatz der Sprache, auch ohne eingedeutschte Worte, steigt, aber ich wette gleichzeitig sinkt sowohl die Zahl der Menschen, die ihn auszuschöpfen wissen, als auch der durchschnittliche Wortschatz im Querschnitt der Bevölkerung :/

Und die Political Correctnes ist toll, so toll, sie hat sogar schon die Diskussionskultur abgeschafft. Freiheit und freie Entfaltung sind uns hier sehr wichtig, darum muss jeder gnadenlos eingeschränkt werden, der von den eng begrenzten Vorstellungsmodellen auch nur abweichen könnte. Vorm Staat sind alle gleich, aber die Masse machts, das ist Demokratie in Reinform. Von Le Bon bis Canetti gibts schöne Sätze über ihren Einfluss. Allerdings stellt die moralisierte "Political Correctnes Freiheit Gleichheit und wers anders sieht ausschluss oder wegsperrn Strömung" oft die Werte und Weltsicht reproduzierenden Faktoren des Landes.

Ok jetzt nochmal in etwas ernsthafter
Ich hab einen Freund, der schreibt in einer Facebookgruppe zu Politik oft Gedichte deren Inhalt nicht dem mittel des Flusses der Masse entspricht, also nicht so recht Gruppenkonform ist. Ich mag auch nicht alles was er schreibt, aber er zieht keine Vergleiche an den Haaren herbei, kann seinen Worten Kontext geben, sie sinnhaft belegen, etc. Und dichterisch ist er halt gut. Er passt halt vielen dort nicht, aber es ist kein Scheiß, kein Hass, nur halt kein "PC und vor Erhabenheit schon gleicher" Zeug, jetzt ist er erstmal davon ausgeschlossen sich zu beteiligen.

Ganz ehrlich, ich fände Political Correctnes richtig toll und Grün genauso, wenn die "Wir sind die Guten Fraktion" der politischen Diskussion nicht den Pragmatismus genommen hätte um sie als etwas höchstpersönliches zu behandeln, in dem sie nunmal die Guten sind und andere...


Ok ich glaub ich bin schon sehr abgedriftet, sorry, ich schätze PC gehört eher zu den Affixen und hier gehts ja um Suffixe das sollte aber kein Vorreiterabschnitt einer politischen Diskussion sein, zumindest nicht hier im Faden

Aber es ist cool, wieviel Interaktion es hier mitlerweilegegeben hat, da finde ich sowohl die Verwendung von Reimen über die entsorechenden Endungen hinaus wie auch die Entwicklung unserer Sprache bereichernd
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Alt 04.07.2022, 18:51   #20
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Ganz ehrlich, ich fände Political Correctnes richtig toll und Grün genauso, wenn die "Wir sind die Guten Fraktion" der politischen Diskussion nicht den Pragmatismus genommen hätte um sie als etwas höchstpersönliches zu behandeln, in dem sie nunmal die Guten sind und andere...
Political Correctness ist ein weiteres Instrument, unsere Sprache immer ärmer zu machen und die Menschen gleichzuschalten, was in einem krassen Widerspruch zu der angeblichen Individualität und Meinungsfreiheit steht. Genauso heuchlerisch ist der Gender-Wahn, der nur die Schriftbilder, den Sprachduktus und die Grammatik verpfuscht, aber nicht ein einziges Stück zur Gleichberechtigung beiträgt. Diese gezielt durchgesetzten neuen Religionen dienen lediglich dazu, uns zu lenkbaren Objekten zu machen, denn der Sprachgebrauch beeinflusst das Denken. Unsere Sprache ist längst kein sich selbst entwickelndes Organ mehr, sondern ein künstliches Produkt von Ideologen.
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