Ein Bündel Leben

[Ilka-Maria]

Klein Bastian hatte früh kapiert:
Sein Storch flog die perfekte Route,
er fand den passenden Kamin,
und ließ sein Bündel voller Mute
durch dessen Schlund ins Leben ziehn
als von Geburt privilegiert.

Klein Basti war im Himmelreich,
kein Wunschkind, aber angenommen,
wie es das Schicksal eben hält:
die Mutter zugeneigt in Wonnen,
der Vater streng und wortgewählt
und für Gefühle längst zu reich.

Groß Bastian glaubt, er habe alles.
Er konnte es doch immer kaufen!
Und trotzdem: Etwas stimmt hier nicht.
Deswegen fängt er an zu saufen
und zieht sein Leben vor Gericht?
Was bleibt ihm noch im Fall des Falles

Groß Bastian hat kein echtes Lachen,
auch keinen Schatten und kein Herz,
er hat die Liebe nie erfahren,
kennt nicht des Streites Tanz und Terz,
nicht den Verlust an Lebensjahren.
Doch langsam ist er am Erwachen,

und im allmählichen Verstehen
greift er zu seinem ersten Bitten:
Nimm meine Hand, lass sie nicht frei!
Ich folge dir auf deinen Schritten,
du bist mir nicht mehr einerlei,
hilf mir, das Ende zu bestehen!

17.08.2021

Hallo Ilka-Maria,

ein ansprechendes Gedicht, welches u.a. die Bindungsstörung zwischen Vater und Sohn einprägsam mitteilt, die beispielsweise aus der Unfähigkeit des Vaters resultiert, zu reich für Gefühle zu sein.
Verse, die nachwirken, da es auch in mir Resonanzräume zu diesem Thema gibt.

Grüße,
Marek

Ein Nachtrag noch - hatte heute Mittag nicht so viel Zeit:
In Strophe 4, Vers 3 steht, dass er die Liebe nie erfahren hat.
Da aber die Mutter ihm sehr zugeneigt war, stimmt das nur zur Hälfte.
Oder?
Seine Eltern verhalten sich jedenfalls ihm gegenüber sehr gegensätzlich, was man, gerade als Kind, nicht wirklich verstehen und bewältigen kann.


Grüße,
Marek